Deutschland und die bemannte Raumfahrt
Beim verfolgen der Weltraum-Nachrichten bin ich auf folgendes gestoßen. Es geht im wesentlichen darum, dass Frankreich, Italien und Deutschland unterschiedliche Interessen haben und der DLR Vorstandsvorsitzende (es ist ja ein Verein) hier Konfliktpotential beim nächsten ESA Treffen sieht. das worauf ich mich beziehe steht ganz unten:
„By the time the space station is retired in 2020 — and the actual retirement date may be later — Germany will have spent some 4 billion euros ($5.4 billion), Woerner said. To assure maximum value for that investment, Germany will argue for strong support for a station-utilization budget.
“This is both a question of getting a return on investment, and a question of science,” Woerner said. “We in Germany are convinced we should not reduce our science and technology investment even in difficult times.”.
Das bringt mich auf meinen heutigen Blog: Deutschland und die bemannte Raumfahrt. Das ist ein trauriges Thema. Es begann mit der Siebziger Jahre, als die USA und ESA die Vereinbarung über das Sotrie-Lab unterzeichneten:; Ein Labor das in der Shuttlebucht Platz hat. Aus ihm wurde das Spacelab und Deutschland beteiligte sich anfangs mit 53,3% an dem Programm. Wie bei vielen anderen Programmen auch wurde es stetig teurer und aus 991 Millionen DM wurden 1,5 Milliarden DM, was (unter Berücksichtigung der Inflation) einer Kostensteigerung von fast 140% entsprach. Dabei stieg Deutschlands Anteil noch von 53,3 auf 65%, während Italien seinen von 18 auf 1% reduzierte.
Als dann der erste Flug anstand, kam die Ernüchterung: Die Shuttle Startpreise waren so stark angestiegen, dass sich die ESA keine einzige Spacelabmission mit ihrem eigenen Labor leisten konnte! Eines hatte sie der NASA „geschenkt“ für die Gegenleistung eines gemeinsamen Jungfernflugs, ein zweites kaufte die NASA regulär. Anekdote am Rande: für das geschenkte Labor zahlte die ESA sogar noch Einfuhrzoll! Lediglich einige gemeinsame Missionen mit NASA und JAXA gab es von der ESA. Die einzige Ausnahme: Deutschland, dass 400 Millionen DM für die D-1 Mission locker machte und weitere 800 Millionen DM (man erkennt die steigenden Startpreise) für die D-2 Mission. Eine D-3 Mission wurde dann schon gestrichen.
Als hat man nichts daraus gelernt, war dann auch Deutschland die treibende Kraft bei Columbus. Schon als es noch mehr als unabhängiges Labor geplant war (zusammen mit Hermes) und dann auch später. Bei Columbus und den anderen begleitenden ISS Programmen liegt der deutsche Anteil bei 40 bis 50%, je nachdem von welchem Programm wir reden (ATV Entwicklung, ATV Betrieb, Columbus Entwicklung, Columbus Betrieb). Dazwischen gab es noch einige Flüge deutscher Astronauten zur MIR entweder unter ESA-Fahne oder alleine.
Das ist deswegen so erwähnenswert, weil Deutschland nur ein kleines nationales Budget hat. Der größte Teil geht an die ESA. Es gibt kaum nationale Forschungssatelliten oder andere eigenständige Aktivitäten.
Natürlich hat man was davon: Deutschland hat innerhalb der ESA die meisten Astronauten ins All befördert. Auch von der neuen Gruppe ist ein Deutscher wieder der erste. Und sie tauchen ja auch dauernd im Fernsehen auf, werden zu allen möglichen Dingen der Weltraumfahrt interviewt, auch welchen die jetzt nicht unbedingt etwas mit bemannter Raumfahrt zu tun haben. Das bemannte Raumfahrt gute P&R ist, das ist unbestritten.
Nur ist es eines nicht: großartige Wissenschaft. Für die bringt ein Satellit mehr, bzw. für die 4 Milliarden Euro welche der ISS Betrieb für Deutschland kostet könnte Deutschland, das in den letzten zwei Jahrzehnten ja nur noch kleine bis mittelgroße Projekte bei der unbemannten Raumfahrt national stemmte, sicher zwanzig Satelliten starten. Demgegenüber steht vielleicht der Aufenthalt von 3-4 deutschen Astronauten an Bord der ISS. Also bitte rechtfertigt mir das nicht mit „Science“.
Mehr noch: An jedem Satellit sind viele Experimentatoren beteiligt. Wenn ich die Jugend begeistern will, wenn ich sie für eine Forschungskarriere motivieren will, dann ist die Chance: „Mein Experiment fliegt mal in den Weltraum“ viel förderlicher als die Chance „Ich fliege in den Weltraum“, denn zum einen kann für den Aufenthalt eines Astronauten einige Satelliten mit mehreren Experimenten, die jeweils von einem ganzen Team betreut werden, finanzieren und zum anderen zählt da nur die geistige Leistung. Nicht aber ob man auch körperlich der beste ist. Wenn ich also die Jugend motivieren will, dann ist das der falsche Weg und ein viel stärkeres nationales Forschungsprogramm der richtige Weg.
Doch eine Umkehr ist wohl nicht in Sicht. Es scheint ja auch eine konstante Größe zu sein, die völlig unabhängig von der Politik ist. Es begann unter der sozialliberalen Koalition, ging dann weiter unter Kohl, über Schröder und nun Merkel. Das einzig kritische das ich jemals von einem Politiker gelesen habe, war von Edelgard Bulmann die schrieb „Die Entscheidung die verfügbaren Mittel in die bemannte Raumfahrt zu stecken war falsch. Sie lässt sich nicht mehr rückgängig machen“. Leider kam die rotgrüne Regierung zu spät um das Ruder herumzureisen und nun, das zeigen ja auch die Äußerungen von Wörner, bei dem der bisherige Kurs, weiter Geld in diesen Teil der Raumfahrt zu stecken weiter gefördert wird. Es ist gewünscht. So berichtet das DLR-Magazin über den ESA Astronauten Alexander Gerst und auch auf den Internetseiten nimmt die bemannte Raumfahrt, die ja eigentlich ESA Sache ist, einen große Raum ein. Was berichtet aber das DLR über ihre eigenen Missionen, z.B. TerraSARX und TanDEM-X? Wenn es mal eine Flutkatastrophe gibt, wird ein Bild gezeigt, so nach dem Motto „Schaut mal was wir für ein tolles Satellitensystem haben“. Alles andere bleibt aber unter Verschluss. Die Forschung läuft unter Ausschluss der Öffentlichkeit. So muss man sich nicht wundern wenn nicht nur Politiker das gerne aufnehmen, denn so unnütz wie die bemannte Raumfahrt auch ist – sie ist präsent.
Das dem Beitrag zugrundeligende Zitat:
“We in Germany are convinced we should not reduce our science and technology investment even in difficult times”
ist für mich typisches „politikersprech“.
Für wie wichtig man eine Sache erachtet zeigt sich zeigt sich ja genau dann, wenn man sich trotz knapper Mittel engagiert.
Das Für und Wider der bemannten Raumfahrt haben wir hier im Blog schon oft besprochen. Trotzdem noch einmal meine Meinung: Es ist auch Grundlagenforschung und damit wichtig.
LG und Frohe Weihnacht
wünscht Euch Frank
Lieber Frank,
Auch Dir fröhliche Weihnachten, aber mit dem Begriff „Grundlagenforschung“ und dann muss man nicht mehr drüber diskutieren kannst Du das Thema nicht vom Tisch wischen. An praktischer jeder Uni wird Grundlagenforschung betrieben. Anwendungsforschung macht die Industrie. Auch die ganze unbemannte Raumfahrt macht fast nichts anderes als Grundlagenforschung. Nur damit kann man die enormen Summen nicht rechtfertigen. Mit Forschung schon gar nicht, weil die gleiche Forschung natürlich auch unbemannt gemacht werden könnte und dann wärs viel billiger.