Ein Triebwerk für alle Stufen – Teil 1
Ich dachte mir, ich nehme heute mal wieder ein theoretisches Thema und greife das auf. Ideal wäre es doch, wenn man ein Triebwerk bei einer Trägerrakete in allen Stufen einsetzen könnte. Das würde Kosten für die Entwicklung verschiedener Triebwerke sparen und es würde eine höhere Stückzahl ergeben, also auch bei der Fertigung Kosten sparen. Die Oberstufen würden dann nur geringe Modifikationen erfordern wie eine verlängerte Düse, die z.B. aus einem einfachen, ungekühlten Zeil bestehen kann und die Fähigkeit zur Zündung unter Schwerelosigkeit (Auf die man mit Hilfsraketen verzichten kann, wenn diese vorher den Treibstoff sammeln).
Schaut man sich die existierenden Typen an, so gibt es in der Tat einige Umsetzungen dieser Idee. Hier eine kleine Liste (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
- Saturn V: 5 x J-2 in der zweiten Stufe, 1 x J-2 in der drittem Stufe
- Ariane 1-4: 4-8 Viking in der ersten, 1 Viking in der zweiten Stufe
- N-1: 30 x NK-33 in der ersten, 8 x NK-43 in der zweiten Stufe, 4 x NK-19 dritte Stufe, 1 x NK-9V vierte Stufe
- Kistler: 3 x NK-33/43 erste Stufe, 1 x NK-43 zweite Stufe
- Conestoga: wechselnde Anzahl von Castor Boostern in den ersten 3 Stufen
- Falcon 9/Heavy 9/27 Merlin erste Stufe, 1 x Merlin zweite Stufe
Zu den russischen Triebwerken NK-XX wäre zu sagen, das NK-33/43 dasselbe Triebwerk mit unterschiedlichen Düsen und NK-9/19 ebenfalls eines mit oder ohne kardanische Aufhängung sind, also zwei Versionen eines Typs.
Versuchen wir uns aber mal dem Problem theoretisch zu nähern. Der Schub eines Triebwerks bzw. der Gesamtschub ergibt sich aus der Gesamtmasse beim Start und der benötigten Beschleunigung. Am einfachsten ist dies bei der ersten Stufe: sie muss mit mindestens 1 g starten, vorzugsweise mehr, weil sie sonst erst mal über dem Starttisch schweben würde. Bei mit flüssigen Treibstoffen angetriebenen Raketen ist eine Beschleunigung um 1,2 bis 1,4 g üblich. Bei mehr besteht bei zweistufiger Bauweise die Problematik, dass bei Brennschluss eine sehr hohe Spitzenbeschleunigung resultiert. Bei militärischen Raketen gibt es diese Einschränkung nicht, da Atomsprengköpfe nicht so empfindlich wie Satelliten sind, so hat die Dnepr z.B. eine Startbeschleunigung von 2 g.
Schwieriger ist es bei den Oberstufen. Hier spielt schon eine Rolle, wie das Trägersystem ausgelegt ist, das heißt welchen Anteil der Geschwindigkeit die sie aufbringen muss und bei welcher Geschwindigkeit sie gezündet wird. Wenn schon fast Orbitalgeschwindigkeit erreicht wird, wie dies z.B. bei der Ariane 5 nach Brennschluss der EPC der Fall ist, kann die Oberstufe eine sehr geringe Beschleunigung aufweisen (Extrembeispiel: ATV Missionen mit der EPS: nur 0,1 g Beschleunigung. Üblich sind aber eher 0,5 bis 0,8 g. Bei einer zweiten Stufe ist der Wert eher höher als bei einer dritten Stufe. Er muss nicht über 1 g liegen, weil die Beschleunigung in der Vertikalen von der ersten Stufe zum größten Teil erbracht wurde. Typisch ergibt sich dann eine Aufstiegskurve mit einem Buckel: die erste Stufe liefet eine hohe vertikale Beschleunigung und die oberen Stufen beschleunigen vor allem in die Horizontale. Dadurch steigen die Stufen erst auf, fallen dann nach Erreichen einer Spitzenhöhe und fangen sich in der Höhe einer stabilen Umlaufbahn, wenn dort dann die Kreisbahngeschwindigkeit erreicht ist. Ist der Schub zu niedrig, dann ist die Höhe zu gering und die erste Stufe muss mehr Hubarbeit für die Vertikale aufbringen. Nehmen wir also 0,5 bis 0,8 g als Vorgabe.
Konzentrieren wir uns nun erst mal auf zweistufige Träger. Warum? Nun leicht zu begründen. Sind es drei Stufen und setzen wir ein Triebwerk in der dritten Stufe ein, so ist bei typischen Stufenmassen schon in der zweiten vier Triebwerke nötig und 16 bis 25 in der ersten. Das ist dann schon recht viel und wir bekommen zwei Probleme die ich weiter unten angehen will. Bei zwei Stufen sind in der ersten Stufe dann nicht so viele Triebwerke nötig. Weiterhin reichen zwei Stufen bei LOX/Kerosin für gute LEO-Nutzlasten und bei LOX/LH2 auch für GTO oder Fluchtbahnen aus.
Die Abschätzung der Stufenmassen kann man leicht aus folgenden Überlegungen machen: Bei gleichen Treibstoffen in allen Stufen sollte gelten: Startmasse (Stufe 1 / Startmasse Stufe 2) ~ (Startmasse Stufe 2 / Nutzlast). Die Nutzlast ist von bisherigen Trägern bekannt. Sie beträgt bei LOX/Kerosin etwa 2,5 bis 3% der Startmasse und bei 7% bei LH2/LOX.
Die Stufenverhältnisse bekommt man dann aus der Wurzel dieses Verhältnisses also bei LOX/Kerosin = √ 100/3 und bei LOX/LH2 = √ 100/7 oder 3,8 bzw. 6:1. Daraus kann man, ausgehend von der Nutzlast, die zweite Stufe berechnen und dann die erste. Nehmen wir mal eine Trägerrakete mit jeweils 200 t Startmasse, einmal mit LOX/LH2 und einmal mit LOX/Kerosin, dann kommt man auf folgende Stufenmassen:
LOX/LH2 | LOX/Kerosin | |
---|---|---|
Nutzlast | 14 t | 5,5 t |
zweite Stufe | 53,2 t | 33,1 t |
erste Stufe | 146,8 t | 166,9 t |
Startgewicht mit Nutzlast: | 214 t | 205,5 t |
Das soll nur eine empirische Näherung sein, die aber nicht weit von optimalen Werten entfernt ist. Nehmen wir mal an, das die zweite Stufe 70% des Gewichts (Masse x Erdgravitation) der zweiten Stufe mit Nutzlast als Schub bringen muss und die erste Stufe 130%, so kommt man zu folgender Schubtabelle:
LOX/LH2 | Triebwerke | LOX/Kerosin | Triebwerke | |
---|---|---|---|---|
zweite Stufe | 470 kN | 1 | 270 kN | 1 |
erste Stufe | 2780 kN | 5,9 ~ 6 | 2671 kN | 9,7 ~ 10 |
Das zeigt schon ein Problem: Aufgrund des höheren Schubs den die erste Stufe erbringen muss (Beschleunigung über 1 g) und der viel größeren Masse, steigt selbst bei Bestückung mit nur einem Triebwerk die Anzahl der Triebwerke für die erste Stufe stark an. Hier sind es 10 bei der LOX/Kerosin Lösung und immerhin noch 6 bei der LOX/LH2 – hier ist die zweite Stufe und die Nutzlast schwerer, sodass die Unterschiede im Schub kleiner sind.
An dieser Stelle ein Break. Welche Auswirkungen viele Triebwerke haben und ob nicht weniger besser sind, darum geht es im zweiten Teil übermorgen.
Irgendwie scheint da ein Zahlendreher drinnen zu sein oder ich hab was falsch verstanden:
Bei 14t Nutzlast (Ok bei ca. 200t vermutlich ein guter Ausgangsschätzwert) kommen ich auch auf 53,2t für die zweite Stufe (14 t *3,8 = 53,2 t). Aber bei der ersten Stufe stimmt das bei mir eben nicht mehr, da habe ich dann 53,2 t *3,8 = 202,16 t. Was hast du da gerechnet?
Gruß Manuel
Ich habe den Quotienten nur bei der zweiten Stufe genommen, sonst müsste man auch mit allen Stellen rechnen (und nicht nur mit der ersten) und die Masse aufs Gramm genau, das macht wenig Sinn. Es geht ja um prinzipielle Betrachtungen.
Wäre nicht ein Vergleich zwischen LOX/LH2 und LOX/Kerosin für die selbe Nutzlast aussagekräftiger? Also:
Nutzlast LOX/LH2 = 5,5 t
Masse zweite Stufe = 20,9 t [5,5 * 3,8]
Masse erste Stufe = 100 t [(20,9 5,5) * 3,8]
Triebwerk zweite Stufe: 185 kN [(20,9 5,5) * 0,7]
Triebwerke erste Stufe: 9 * 185 kN = 166 t Schub => 131 % Beschleunigung
So kann man sich die beiden Raketen besser vorstellen. Für die selbe Nutzlast wiegt die LOX/LH2-Rakete 126,4 t beim Abheben, während die LOX/Kerosin-Rakete ganze 205,5 t wiegt. So lassen sich auch die benötigten Triebwerke vom Schub her besser vergleichen.
Im übrigen wundert es mich, dass ich auf 9 Triebwerke in der Erststufe benötige, während es bei dir Bernd nur 6 sind. Müsste doch das selbe rauskommen bei gleichem Stufenverhältnis und der gewählten Beschleunigung! Habe ich einen Fehler gemacht? Wenn ja, bitte um Berichtigung.
Gruß Waldemar
Äh nein, natürlich wird die LOX/LH2 im Leergewicht ungünstiger, aber sie würde immer noch deutlich unter 100 t wiegen. Wie willst Du begründen, dass deine nur einen Nutzlastanteil von 4,5% aufweist? (der nebenbei natürlich auf den Stufenteiler durschschlägt, auch dies wurde nicht berücksichtigt)
Warum nicht Ein Triebwerk für verscheide Treibstoffe / Brennstoff ?
1961 Aerojet teste das LR-87 Triebwerk mit Aerozine-50 /N2O4, LOX/Kerosin, LOX/LH2
Das Triebwerk wurde jeweils modifiziert: Turbopumpe und Injektor platte für die Brennkammer.
http://www.astronautix.com/engines/lr87lh2.htm
Die Vorteile liegen auf Hand nur Entwicklung kosten für ein Treibwerk
in diese Beispiel das LOX/LH2 Triebwerk mit 470 kN
gibt bei LOX/Kerosin „anpassung“ so 517kN Schub, also 6 davon in der erste stufe.
Die Nachteile: Niedriger Spezifischer Impuls
durch Verwendung gleicher Brennkammer größe/Druck und Düse
Aerojet LR-87 leistet mit Aerozine-50 /N2O4 eine Isp von 297s
mit LOX/Kerosin eine Isp von 256 s (bei Bodenstart)
mit LOX/LH2 Nur einen Isp von 350 s! (J-2 Triebwerk hat Isp von 430 s)
also ist diese Option nur für Billig Raketen interessant
es wurde mich nicht wunderen wenn SpaceX diese Option wählen
und ihr Raptor LOX/LH2 Triebwerk sich als modifiziert Merlin Vacuum entpuppt
Das Problem mit den vielen Triebwerken in der ersten Stufe läßt sich durch Feststoffbooster deutlich verringern. Dann müssen die Triebwerke nicht mal das Startgewicht tragen können. Statt 10 sollten dann schon 7 Stück reichen. Am günstigsten wären Booster, die schon bei anderen Raketen eingesetzt werden.
Ein Triebwerk für alle Stufen ist aber kein theoretisches Thema mehr. ZSKB Progress hat so ein Träger (Ingenieur Technische Dokumentation ) entwickelt. In allen Stufen Methantriebwerk RD-0164, radikale Vereinfachung des Trägers und Methan kommt dem sehr entgegen. Hier erstmal einige Daten:
RD-0164, Schub 280-336 (Vakuum) Tonnen, Spezifischer Impuls 300-318 bis 365s (Vakuum), Trockenmasse von 2800kg. Arbeitet zwischen 40 bis 120 % bei 170 bis 204 Bar in der Brennkammer.
Träger für 81 Tonnen = 4 Booster und Zentralstufe = 12 Triebwerke (Grundvariante).
Träger für 130 Tonnen = 4 Booster, Zentralstufe und eine dritte Stufe.
Träger für 165 -190 Tonnen = 6 -8 Booster
Die Zentralstufe (4 Triebwerke) hat einen Durchmesser von 7,7 Meter und Länge von 42 Meter, Trockenmasse von 60 Tonnen. Nutzlasttransport mit einen Durchmesser von 10 Meter ist auch möglich.
Die Booster (2 Triebwerke) haben einen Durchmeser von 4,1 Meter , Länge von 42 Meter, und sind 25 Tonnen schwer.
Die Entscheidung für Methan ist wahrscheinlich heute die beste Lösung, da mit Kerosin (schon heute gibt es keine Reserven für die erforderliche Raketensorte) in 40- 50 Jahren mit sehr erheblichen Kosten zu rechnen ist. Bezüglich der Startkosten habe ich schon kurz geschrieben.