Bernd Leitenbergers Blog

Obsoleszenz

Ich habe eine neues Wort gelernt: Obsoleszenz. Es war Hauptthema des Films „Produzieren für die Müllhalde“, der kürzlich auf ARTE lief. Darunter versteht man die bewusste Beschränkung der Lebensdauer von Produkten. Der Film brachte auch einige bekannte Beispiele, wie einen EPROM-Chip auf Epson Druckern, der Seiten zählt und irgendwann sagt der Drucker wäre hin (Abhilfe: mit einer Software reseten), den Akku des iPod, der so ausgelegt war dass er nicht lange hielt und als Prominitestes Beispiel die weltweite Ansprache, dass Glühbirnen maximal 1000 Stunden halten aus den zwanziger Jahren.

Das Geräte nur eine begrenzte Lebensdauer haben sollen, diese Idee stammt wohl aus den dreißiger Jahren, als Konzept gegen die Depression. Es gab sogar den Vorschlag, dass es ein gesetzlich verordnetes Datum gibt, ab der ein Gerät nach dem Kauf als „tot“ gilt und der Verbraucher unter Strafandrohung es zum Entsorgen bringen muss. Die Obsoleszenz wurde propagiert, weil sie die Wirtschaft am Laufen hält: Das Problem. Die Wirtschaft produziert mehr, als wir konsumieren können. Also muss man den Verbraucher dazu bringen, möglichst schnell sich etwas neues zu kaufen und das alte Produkt auf den Müll zu werfen. Dazu gibt es verschiedene Methoden. Produkte können sich weiter entwickeln und alte Teile in der Leistung weit überholen, wie wir es von der Elektronik seit Jahrzehnten gewohnt sind. Doch bei vielen Branchen gibt es nur graduelle Verbesserungen. Dann kann man noch etwas mit Design bewegen. Doch wenn auch das kein Kaufkriterium ist, wie im bekanntesten Fall von vorgeschriebener Obsoleszenz, der Beschränkung der Lebendauer von Glühlampen auf nur 1.000 Stunden durch das Phebus-Kartell, dann geht es eben nur mit künstlich eingebauten Defekten oder Alterung.

Anders als der Beitrag suggeriert, denke ich werden viele Produkte nicht so gebaut, dass sie bewusst nur bestimmte Zeit lang halten. Doch was auch mir auffiel, ist dass die Lebendauer abgenommen hat. Seit 1994 habe ich z.B. den fünften Staubsauger. Zwei gingen kaputt, einer war zu umständlich und der vierte funktioniert zwar noch, zieht aber dauernd das Netzkabel ein. In der Zeit vor diesen kann ich mich an zwei Staubsauger erinnern. Also zwei Staubsauger für die ersten 29 Jahre meines Lebens und fünf für die letzten 18.

Bei Möbeln werden heute nur noch Schubladen mit Dübeln gesteckt und verleimt, anstatt, wie früher eine Verzahnung oder Verschraubung zu benutzen – mit der Folge, dass die Schublanden nach einiger Zeit sich auflösen. Meine 14 Jahre alte Sofagarnitur ist nun durchgelegen, die meiner Mutter von 1979 hat dagegen 30 Jahre lang gehalten. Die letzte Matratze hielt noch 12 Jahre, die davon noch 16 Jahre – egal welches Beispiel ich nehme. Die Nutzungsdauer nimmt ab und ich ersetze meist nur, wenn es nicht mehr geht, nicht weil es nicht mehr neu aussieht oder etwas veraltet ist.

Besonders auffällig ist es meiner Ansicht nach bei den PC’s. Meine beiden letzten hielten dreieinhalb und vier Jahre. Danach waren sie hin, also froren schon beim Booten oder bald im Betrieb ein. Ich denke hier kann man auch den Übeltäter ausmachen. Ich meine mich mal erinnert zu haben, das man bei den Motherboards wegen der hohen Ströme seit einigen Jahren Elektrolytkondensatoren einbaut, die nach einigen Jahren in der Hitze neben dem Prozessor undicht werden und den Geist aufgeben.

Okay, man könnte nun sagen: Ein PC wird ja auch immer billiger. Das ist war. Mein erster kostete über 5.000 DM, das wären heute inflationskorrigiert die gleiche Summe in Euro. Einen neuen gibt es mit Monitor heute für ein Achtel der Summe. Aber: der Zugewinn an Nutzen wird immer kleiner. Vorbei sind die Zeiten in denen die Rechengeschwindigkeit sich alle zwei Jahre verdoppelte. Festplatten wachsen auch immer langsamer – und seit eine Fabrik für Gehäuse in Bangkok überflutet wurde, sind auch deren Preise explodiert. Also gibt es immer weniger Grund sich einen neuen PC zu kaufen und so steigt die durchschnittliche Nutzungsdauer auch an – würden die Dinger nicht nach einigen Jahren von alleine kaputt gehen…

Ich bin ja auf den Film gekommen, weil bei „Fakt“ ein Beitrag kam zu dem Thema und auf den Film hingewiesen wurde. Da kam auch der schlaue Sprich: „Ich bin nicht reich genug um mir was billiges leisten zu können“. Doch ist der Preis wirklich noch ein Garant für Qualität? Bekommt man für mehr Geld wirklich hochwertigere Dinge, längerlebigere, robustere oder sind sie nur teurer? Woran kann man Qualität festmachen?

Die Frage klingt einfach, ist es aber nicht. Ich will mir ja ein neues Fahrrad kaufen, sobald das Wetter etwas schöner ist. (Solange es schlecht ist, nehme ich das alte, damit das neue nicht so schnell rostet). Ich fange schon an mich zu informieren. Nur sehe ich da zwar enorme Preisunterschiede, aber nur wenige Qualitätsunterschiede. Ein City-Rad kann 249 Euro kosten, aber auch 999 Euro. Natürlich gibt es Details, die besser sind, wie einen Gang mehr in der Gangschaltung und LED-Lichter anstatt Halogen, aber wenn ich mal von den Gangschaltungen absehen, kaum Unterschiede in den technischen Daten. Selbst wenn ich die Billigangebote außen vor lasse, kostet ein Cityfahrrad bei einem Anbieter 499 Euro und beim andern 899. Ist letzteres automatisch fast doppelt so langlebig? Fragen über Fragen …

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