Bernd Leitenbergers Blog

Wie funktionieren Raketen mit aktiver Treibstoffförderung?

Heute mal ein Blog auf einfachem Niveau. Es geht um die prinzipielle Funktionsweise eines Raketentriebwerks mit Pumpenförderung. Zuerst einmal wofür braucht man sie? Bei einer Rakete mit flüssigem Treibstoff muss dieser in die Brennkammer gelangen. Man könnte nun meinen, das geht doch mit der Schwerkraft, bzw. sobald das Triebwerk läuft gibt es eine Beschleunigung, welche den Treibstoff in die Leitungen presst. Also braucht man nur genügend große Leitungen und das Problem ist erledigt. Das Problem ist nur, dass in der Brennkammer durch die Verbrennung ein hoher Druck herrscht. Der Treibstoff wird gasförmig und vergrößert so sein Volumen rapide. Er muss auch herrschen, denn ohne hohen Druck gibt es keinen Schub (der Schub berechnet sich nach Austrittsfläche bei dem Düsenhals x Druck – würde man mit kleinem Druck arbeiten, so bräuchte man sehr große Triebwerke.

Nun kann man die Tanks unter Druck setzen. Der Tankdruck muss dann größer als der Brennkammerdruck sein. Doch dem sind Grenzen gesetzt. Bei hohem Druck werden die Tanks recht schwer, trotzdem ist der Druck in der Brennkammer begrenzt und daher ist entweder das Triebwerk sehr groß oder sein Schub sehr klein. Praktikabel ist dies nur bei kleinen Stufen, da durch den hohen Tankdruck die ideale Tankform die einer Kugel ist – Zylinder würden in der Mitte stark ausbeulen. Bei den langen Tanks von niedrigen Stufen würde sonst eine völlig andere Raketenform resultieren (die einer Pyramide). Mit Druckförderung sind Brennkammerdrücke jenseits von 20 Bar nur schwer möglich. Die aktive Förderung erreicht heute bis zu 220 bar.

Das bedeutet, man muss den Treibstoff aktiv mit hohem Druck in die Brennkammer fördern. Dazu werden Pumpen genutzt, welche den Treibstoff fördern. Doch beginnen wir weiter oben: Die Pumpen brauchen einen Antrieb. Batterien als Stromversorgung scheiden aus und ein Netzkabel gibt es auch nicht. Ein Motor funktioniert nicht im Weltraum. Daher gibt es ein autarkes System, welche die Leistung für die Pumpe liefert. Es fängt an mit dem Gasgenerator. Das ist eine kleine Raketenbrennkammer. Zu ihr führen Abzweigungen von den Hauptleitungen. Damit dort nicht so viel Treibstoff durchläuft gibt es eine Regulation. Im einfachsten Fall durch den Leitungsdurchmesser – ist dieser zehnmal kleiner als bei der Hauptleitung so gelangt eben nur ein Hundertstel (1/10²) zum Gasgenerator. Der Gasgenerator soll ein Arbeitsgas erzeugen. Da er nicht gekühlt wird, besteht die Brennkammer aus hochtemperaturfesten Materialen. Trotzdem muss die Temperatur des Gases reduziert werden. Sonst würde die Brennkammer trotz hochtemperaturfesten Materialien nicht den Verbrennungstemperaturen standhalten. Es gibt dazu drei Methoden. Die älteste ist es das Gas mit einem eigenen System zu erzeugen. Die A-4 und andere frühe Raketen wie die ersten Versionen der Sojus und Kosmos nutzten dazu Kaliumpermanganat das mit Wasserstoffperoxid reagiert. Es entsteht dabei ein heißes Wasserdampf/Sauerstoffgemisch. Dessen Temperatur ist durch die chemische Reaktion begrenzt. Die zweite Methode, eingesetzt in Ariane 1-4, ist es den Treibstoff normal zu verbrennen, aber ein inertes Medium zuzusetzen um die Gastemperatur zu senken. Bei Ariane 1-4 war dies Wasser. Die verbreiteteste Methode ist es aber einfach die Verbrennung mit einem Überschuss einer Komponente durchzuführen. Diese wird dann nicht umgesetzt, aber mit erwärmt und senkt so die Verbrennungstemperatur. Bei Wasserstoff/Sauerstoff ist das der Wasserstoff, bei Kerosin/Sauerstoff der Sauerstoff um die Bildung von Ruß zu vermeiden.

Das Arbeitsgas hat nur einen Zweck: eine Gasturbine anzutreiben. Diese unterscheidet sich im Funktionsprinzip nicht von einem Gaskraftwerk, auch hier wird über ein Schaufelrad durch das Gas eine Welle angetrieben und es kühlt sich dabei ab, überträgt also Energie auf die Welle. Der wesentliche Unterschied ist, dass die Turbine extrem klein ist. Bei einem großen Raketentriebwerk beträgt die Leistung der Turbine einige Megawatt (beim F-1 Triebwerk z.B. 55 MW), trotzdem ist sie extrem kompakt.

Die Welle der Turbine treibt nun die eigentliche Pumpe an. Sie saugt den Treibstoff an und drückt ihn mit Druck in die Brennkammer. Erstaunlicherweise waren die Turbopumpen die einzigen Teile die es bei der Entwicklung der A-4 schon auf dem Markt gab – zumindest Geräte mit denselben Anforderungen. Auch Feuerwehrpumpen mussten extrem klein, zuverlässig sein und ihre volle Förderleistung in kurzer Zeit erbringen. Trotzdem ist die Entwicklung von leistungsfähigen Turbopumpen immer noch eine Herausforderung. Sie zählen zu den anfälligsten Teilen eines Raketentriebwerks.

Das ist das allgemeine Grundprinzip. Es gibt im Detail sehr viele Variationen. So kann man die Abgase des Gasgenerators ins Freie entlassen oder zur Kühlung oder Nachverbrennung nutzen. Wird der Oxidator oder Treibstoff im Gasgenerator vollständig verbrannt und danach in die Brennkammer eingespritzt so resultieren sehr hohe Brennkammerdrücke und effiziente Antriebe. Man spricht dann auch eher von einem Vorbrenner. Das wird so bei der gestuften Verbrennung (staged Combustion) eingesetzt. Turbopumpen können getrennte Wellen für Treibstoff und Oxidator haben oder eine gemeinsame. Es gibt Übersetzungen und oder mehrstufige Bauweisen, wenn z.B. wie bei LOX/LH2 Antrieben, da die Wasserstoffpumpe eine viel höhere Förderleistung als die Sauerstoffpumpe haben muss, weil das Volumen viel höher ist. Üblicherweise fasst man die Gasturbine und die Pumpe zusammen zu einer Turbopumpe.

Die Herausforderung bei allen Komponenten ist die Kleinheit, die extremen Anforderungen an Robustheit und Leistung. So befinden sich alle Apparaturen direkt an der Brennkammer, sie werden so kräftig durchgeschüttelt, da sie die Vibrationen des Triebwerks voll ausgesetzt sind. Die Brennkammer wird zwar gekühlt, aber sie strahlt trotzdem noch einiges an Wärme ab, umgekehrt kann bei LOX/LH2 Turbopumpen das Medium das transportiert wird bis zu -250°C kalt sein. So herrschen auf kurzen Distanzen sehr große Temperaturgegensätze die zu thermischen Spannungen führen können und das Material belasten. Die meisten Ausfälle von Triebwerken beruhen auf der Treibstoffförderung, auch weil es hier die meisten bewegliche Teile bei dem Antrieb gibt. Beim Space Shuttle sorgten sich zerlegende Räder der Gasturbine für eine Verzögerung des Erstflugs um mehr als ein Jahr. Alle Fehlstarts der dritten Stufe der Ariane 1-4 (immerhin 5 von 7 Starts) beruhten auf Problemen mit der Turbopumpe.

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