Muss alles in Echtzeit sein?

Ich bin ja nicht der große Computerspieler. Wenn ich am Computer bin schreibe ich Bücher, Blogbeiträge, Recherchiere oder programmiere. Spielen tue ich äußert wenig und wenn dann meist abgehangenes aus einer Spielesammlung. Doch auch da gibt es wenig was mich längere Zeit fesselt. Wenn ich die Programme ansehe, mit denen ich am längsten gespielt habe, dann sind das Panzer General, Steel Panthers, Jagged Alliance 1,2, Jagged Alliance Unfinished Business und Wildfire. Und wie man an der Häufung des Titels Jagged Alliance sieht, ist das DER Dauerbrenner. Das Spiel spiele ich seit über 10 Jahren. Ich habe mir auch die Fortsetzungen Unfinished Business und Wildfire gekauft, obwohl das nur ein Mod war. Also eine Modifikation des Originals.

Ich bin nicht der einzige. Eine Fangemeinde programmiert am Original weiter, es sind zahlreiche Mods erschienen, welche die Handlung verändern, bis hin zur totalen Unkenntlichkeit. Und natürlich betreibe ich auch eine Fanseite dazu.

Nun gibt es eine Neuauflage. Es gab schon einige Versuche, die allesamt in die Hose gingen und zuletzt auch eine Umsetzung als Browsergame. Meine Begeisterung hält sich in Grenzen. Das Browsergame arbeitet zumindest bei mir mit einer untolerierbaren Zeitverzögerung. Die neue Version arbeitet trotz meines Büro-PC’s ohne Grafikkarte bei reduzierten Effekten, aber sie hat einen Makel:

Es ist in Echtzeit. Wer genau hinschaut wird feststellen, dass die obigen Spiele alle rundenbasiert sind. Die Neuauflage, von der ich eine Demo spielen konnte, ist es nicht. Es ist wie fast alle heutigen Spiele in Echtzeit. Ich verstehe die Entscheidung nicht, zumal während der Entwicklung noch anderes verlautbarte. Das eine ist dass die rundenbasierte Vorgehensweise ein Merkmal von Jagged Alliance war. Es ging Datum Strategien zu entwickeln, öfters mal auf ALT-L zu gehen um den letzten Spielstand zu laden, wenn man in die MG-Garbe eines versteckten Feindes reingelaufen ist. Das war charakteristisch für Jagged Alliance, das hat man daran geliebt (es gab einen Ironmann Modus in dem es in Semiechtzeit zuging, doch den hat keiner benutzt). Es gäbe noch mehr zu der Neuauflage zu sagen, aber ich will das nur als Aufhänger nehmen.

Charakteristisch ist, dass rundenbasierte Spiele immer mehr aussterben. Sicher es gibt ganze Genres die gehen nur in Echtzeit wie Simulationen oder Ego-Shooter, doch leider greift das auch bei Strategiespielen um sich wie Civilization. Die frage die ich mir stelle ist warum es immer weniger rundenbasierende Spiele gibt. Sicher ist es so, dass die heutigen Grafikmöglichkeiten bei Echtzeit mehr zur Geltung kommen. Aber zum einen ist Grafik nur die eine Seite eines Spiels – Jagged Alliance wird bis heute von treuen Fans gespielt, obwohl die Grafik aus dem Jahr 1999 stammt, weil eben sie Spielidee und Umsetzung einmalig ist – und zum anderen ist es ja so, dass 52% aller PC’s Intel-Grafik haben (also keine Grafikkarte und NVidea also der einzige Hersteller mit Marktanteil, der nur Grafikkarten und keine Onboard-Chipsätze fertigt hat einen Marktanteil von weniegr als 16 %- daraus leite ich ab, dass ein Spiel, das mit Mainboardgrafik auskommt auf rund dreimal mehr Computern spielbar sein müsste.

Abgesehen davon denke ich gibt es mehr Leute wie mich, die gerne rundenbasiert spielen, also etwas wo sie nicht sofort reagieren müssen, sondern ihre Züge überlegen und wo sie ein Szenario auch einfach in der Mitte beenden und später weiterspielen können. Ich schaue ab und an ja auch mal was es an neuen Spielen gibt und ein Grund warum ich in den letzten Jahren kaum noch was neues gekauft habe. Betrachten wir es doch mal marktwirtschaftlich: wenn alle Echtzeit machen, und jemand was rundenbasierendes herausbringt, dann müsste er doch gute Chancen haben es zu verkaufen, denn es hebt sich von der Masse ab und spricht alle an, die mit Echtzeit nichts am Hut haben, wie eben mich.

Trotzdem ist das nicht der Fall. Mir fällt kein neuer Titel ein der rundenbasiert ist. So bleibt für Fans des Genres nur der Griff zu Freeqare wie Freeciv oder Battle for Wesnoth…. Was meint ihr dazu? Warum ist rundenbasiert so out?

11 thoughts on “Muss alles in Echtzeit sein?

  1. Das liegt wohl am Marketing. Für diese Leute sind Modetrends wichtiger als Spielbarkeit. Eine Reihe von Spieleentwicklern haben sich aus der Branche zurückgezogen, weil ihnen das Marketing jedes Spiel verpfuscht hat.

    Das Problem gibt es ja auch bei Rollenspielen. Prinzipiell ist es nicht möglich, mehrere Objekte gleichzeitig zu steuern. Trotzdem besteht das Marketing darauf, daß es eben Echtzeit sein muß. Schließlich machen das ja die anderen Spieleproduzenten auch so, liegt also voll im Trend. Egal ob den die Spieler haben wollen oder nicht.

    Um das überhaupt spielen zu können, muß man alle paar Sekunden in den Pausenmodus schalten, um dort seine Kommandos zu geben. Also doch wieder im Rundenmodus spielen, obwohl krampfhaft so getan wird als ob es nicht so wäre.

    Die Alternative sind Rollenspiele mit nur einem einzelnen Held, praktisch ein als Rollenspiel verkleideter Egoshooter. Also mehr eine Sparmaßnahme als ein wirkliches Rollenspiel.

    Kein Wunder daß immer wieder Spielefirmen pleite gehen, wenn sie so hartnäckig am Markt vorbei produzieren.

  2. Ach ja Rollenspiele gibt es auch noch. Das ist nicht so mein Genre, aber die einzigen die ich gespielt habe (Xeen, Darkside of Xeen und Schatten über Riva) waren auch alle rundenbasiert.

    Mein Verdacht: die Spiele sind für die Jugend gemacht und die ist schon mit 1 Sekunden Schnitten bei MTV aufgewachsen, kommt keine 5 Minuten ohne SMS aus und hat auch nicht die Muse ein Spiel zu spielen in dem man erst nachdenken und dann handeln muss…

  3. Tja, die Marktforschung denkt halt, daß sich solche Spiele besser verkaufen.

    Das neue Remake von „Syndicate“ ist z.b. ja auch kein Strategiespiel mehr, sondern ein Shooter.

    Ein rundenbasiertes „Rollenspiel“, welches seit 15 Jahren auch quasi noch nach dem gleichen Prinzip erfolgreich funktioniert fällt mir abher noch ein:

    Pokemon.^^

  4. Es scheint ein Generationenproblem zu sein. Ich bin mit Rundenbasierenden Spielen groß geworden. Civilsation, Jagged Alliance und die ganze Panzer General Reihe waren absolute Suchtspiele. Meine Kinder können damit nichts mehr anfangen. Dabei könnte man, wenn man es denn wollen würde, die rundenbasierenden Spiele auch mit aktuellen Grafikengines ausstatten und mit liebevoll gezeichneten Modellen ausstatten. Offenbar vermuten aber die Produzenten, dass man damit kein Geld machen kann.

    Was mich letzter Zeit auch noch verwundert, ist die Einstellung dazu, was offensichtlich „Weiterentwicklung“ heißt. Ich habe vor kurzen Wprld of Tanks für mich entdeckt (ich weiß es ist ein Echtzeit-Spiel). Ich spiele auf meinem Arbeitsnotebook mit Dualcore und relativ guter Nvidia Grafik drin. Das Spiel ist seit ein paar Versionen fast unspielbar geworden, trotz minimalster Grafikeinstellung. Im offizielen Forum habe ich dann aussagen lesen müssen wie: „das Spiel entwicklet sich weiter, da müsste man damit rechnen…“ oder „einfach mal einen aktuellen Rechner kaufen“.

    Von mir als Softwareentwickler wird immer erwartet, dass die nächste Version schneller ist und mehr Features beinhaltet, weniger kostet und schneller entwickelt ist. In der Spieleindustrie wird offensichtlich erwartet das man mit jedem Patch eine neue Grafikarte und mit jeder neuer Version neuen Rechner kauft um Fehler im Softwaresesign auszugleichen.

    Wie schaffen es denn die Konsolenentwicker (PS3, XBOX 360) immer (grafisch) bessere Spiele zu entwickeln, obwohl die Harware gleich bleibt. Vielleicht sollte man das grundsätzlich überdenken.

  5. Als einer vom Jahrgang ’72 bin ich auch mit rundenbasierten Spielen aufgewachsen.
    Ich würde nicht unbedingt sagen dass sie out sind.
    Es gibt sie noch. Sogar neue.
    ABER nicht wirklich auf dem PC….mehr auf Tablets und auch auf tragbaren Spielkonsolen wie dem Nintendo DS.
    Das Spielprinzip fesselt mich auch hier nach wie vor, auch wenn meine Kinder nicht wirklich verstehen was daran so gut sein soll.
    Und auf Tablets funktioniert dieses Spielprinzip wirklich gut.
    Zum Leidwesen meiner Frau kann man die Dinger auch noch überall mit hin nehmen.

  6. Ich denke einer der wichtigsten Aspekte für den Erfolg der Echtzeitgames ist der Streßfaktor. Durch den höheren Zeit und damit Handlungsdruck werden die Spielerlebnisse intensiviert und das ganze wirkt eben viel Echter und erzeugt auch auf einer anarchischen Ebene authentische Erlebnisse, gerade weil Filtermechnanismen der Wahrnehmung ausgeblendet werden müssen, um die Schnelligkeit zu erreichen. Es wird zu einem Zwang schnell zu agieren, reagieren und das Verarbeiten der Informationen muss immer mehr autamtisiert erfolgen.

    Das erzeugt für die Konsumenten ein vermeintlich tieferes Spielerlebnis, wobei diese sich dann auch über den Inhalt, den sie spielen, weniger und weniger Gedanken machen müssen. Für die Erlebnissorientierten jungen Menschen durchaus ein sehr wichtiger Faktor.

    Das Spiel wird zu einem Selbstläufer, der dann auch mit Effekthascherei viel mehr erreicht. Insofern kann man auf eine Art den fünfhundertsten Echtzeittitel spielen, oder zum tausendsten mal dieselbe Karte. Es ist immer ein für sich genommen spannendes Erlebeniss.

    Bei Rundenbasierenden Spielen ist etwas mehr Fantasie nötig. Es sind auch bestimmte Typen von Spielern bzw. Informationsverarbeitern, die diese Taktik und Rundenstrategie Stategie Spiele mögen. Dabei ist die entstehende Ruhe, manchmal die Story, die durch Fantasieeinlagen in Gedanken der Spieler angereichert werden. Für solche Spieler erzeugt oft schon Spannung, den möglichst besten Zug setzen.

    Ich persönlich kenne samt und sonders alle Ihre Spiele und habe selbst auch viele Male JA2 gespielt. Battle Isle, Max II, Ufo Enemy Unknown und U.E.U. Terror from the Deep, oder der Fallout Ableger Fallout Tactics spielte ich rauf und runter.
    Für Echtzeit fehlen mir allerdings die Nerven, die Konzentration, die Schnelligkeit und für Shooter letztlich die Hand-Augen-Koordination, da hab ich einen Knick drin :o)

    Insofern erklären sich meines Erachtens die Vorlieben des Einzelnen für die jeweiligen Spiele meistens aus Wesenszügen oder der Umsetzung des jeweiligen Spieles im Vergleich zu den individuellen Fähigkeiten. Das ist im Sport auch so: Wer ohne Fett zu sein 125 Kilo wiegt, knapp 1,90 und Kühlschränke spazieren trägt, der spielt in aller Regel nicht Federball und kein Marathonläufer, sondern ist Kraftdreikämpfer.
    Radfahrer wiegen auch eher unter 60 sind klein und sehr Ausdauernd, aber selten so Kraftvoll impulsiv wie Sprinter oder Fussballer.

    Die Beispiele zeigen, das es eigentlich nur einen Grund für die Echtzeitspiele gibt: Sie sind auch ohne viel Content bereits Spannend, so also leichter reproduzierbar zu produzieren. Die oft sehr archaisch-maskulinenen Projektionsflächen bieten auch genug Ansprachen für die Käuferschichten, versprechen Abenteuer und passen din die Erlebnisskultur des null acht fuffzehn Konsumismus.

    Dagegen sind solche taktischen rundenbasierten Spiele eher Lückenfüller, schwere zu vermarkten.

    Man kann es ja mit einem Film vergleichen: Actiongeladene Effektprotzende hirnlos Filme erreichen fast immer höhere Publikumszahlen als nachdenkliche, langsame und Inhalt bzw. Story/Charakterlastige Filme. Ebenso ist es mit Büchern und Comnics. Desto schneller, härter, Spannender, grusliger also desto mehr Streß, desto mehr direktes unter die Haut zielen, umso mehr Auflage.

    Also alles wie immer.

    Wenn Sie erfolgreiche erstklassige rundenbasierende Spiele wollen, machen Sie welche!
    Die Geschichte um Minecraft und andere Independent Games zeigt: Gerade Nischenspiele profitieren durch die modernen Verbreitungs- und Vermarktungswege und bekommen eine enorme Chance sich monetär zu lohnen.

    Beste Grüße

  7. Auch wenn ich nicht so viel spiele, finde ich rundenbasierte Spiele besser und auch (jedenfalls bei Militär, Wirtschafts oder Management-Simulationen) realistischer. Ich denke dass auch bei einer echten Armee der General Informationen bekommt und dann Befehle erteilt (Runde 1), in „Runde 2“ wird dann der Prozess wiederholt. Rundenbasierte Spiele bieten vor allem die Chance zu überlegen, was mir lieber ist.
    Viele Grüße
    Niels

  8. Ich weiß nicht ob man es an einem Kick festmachen kann, ich würde sagen es hat mehr mit persönlichen Vorlieben zu tun. Das gilt ja auch für Genres. So kann ich nichts mit Ego Shootern anfangen, aber die sind der Kassenschlager schlechthin.

    Natürlich ist grafisch es so, dass man in Echtzeit mehr Effekte machen kann und es gefälliger aussieht, das mag auch ein Grund für den erfolg dieser Gattung zu sein. Daneben kann man viele Spielkonzepte wie Arcade, Sport psiele Ego Shooter etc. nur als Echtzeit machen, während andere in beidem gehen. So gibt es rundenbasierte militöärspiele und Echtzeitspiele.

    Ich habe übrigens beim JA Flashback Kickstart Projekt mich beteiligt, das ist nun nach einem Jahr in Alpha Phase eingetreten und ich freue mich schon auf das spiel.

  9. (nun hab ich mir aber einen dummen Nick eingehandelt… Ihr Blog hält einen aber auch am Lesen und kommentieren, danke für diesen unterhaltsamen vielseitigen Blog!)

    Vom“JA Flashback Kickstart Projekt“ hatte ich nichts gewußt.
    Meine Spielesammlung ist bis auf Minecrafting/FTB geschrumpft, Und selbst das wird mir derzeit vom Karpaltunnelengpass mißgönnt 🙁 demnächst vielleicht „Banished“, am Ende JA Flashback? Na danke für den Tip 🙂

  10. Du kannst ja mal probeweise mit derselben Mail Adresse den nick ändern. Das müsste auch die vergangenen Postinhgs ändern. Es gab mal einen Kommentator das hat das gemacht und dann waren auch seine früheren Beiträge unter dem neuen Nick, allerdings hatte der eine statische IP, es könnte also auch daran liegen.

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