Angewandte Chemie

So heute die Auflösung auf die Frage beim letzten Blog. Walther Nernst bekanntester Beitrag zur Chemie war die Entdeckung des dritten Hauptsatzes der Thermodynamik für den er 1920 den Nobelpreis erhielt. Was erwartet man von einem Chemiker der sich mit Thermodynamik beschäftigt, wenn er sich auf ein Landgut zurückzieht und dann Viehzucht betreibt? Er wurde gefragt was er denn züchten wollte, lehnte aber die gängigen Vorschläge wie Pferde, Rinder ohne Schweine ab: „Ich verschwende doch nicht mein Futter zur Heizung der Umgebung! Ich züchte isotherm“ sagte er und zog Karpfen auf.

Eine kluge Wahl. Es zeigt wie Chemiker ihr Wissen nutzbringend anwenden. Fische benötigen als wechselwarme Tiere viel weniger Futter als Vögel oder Säugetiere. Bei uns Menschen ist es so, dass bei wenig Bewegung ungefähr drei Viertel der Nahrung nur benötigt wird um unseren Körper auf 37 Grad Celsius zu heizen. So kann man viel Futter einsparen. Es geht noch weiter Karpfen sind Pflanzenfresser und kommen wenn die Dichte nicht zu hoch ist in Teichen ohne Zufütterung zurecht (damals gab es noch keine Massentierhaltung wie heute, vor allem nicht in Ostpreußen wo es genügend Land gab). Also wenig Futtereinsatz – viel Fleisch.

Es wäre ein Vorbild für heute. Ernährungswissenschaftler fordern ja mehr Fisch zu essen. Doch kollidiert dies damit dass schon heute unsere Meere überfischt sind. Es gibt zwar Aquafarmen und manche bekommen auch das Bio-Siegel, doch halte ich diese nicht für ökologisch. Was wir nämlich konsumieren, sind vor allem Raubfische wie Lachs, Thunfisch etc. Diese brauchen aber dann auch Fische zum fressen und selbst wenn diese als Pellets verfüttert werden, so müssen sie doch erst gefangen werden – das verlagert nur den Raubbau auf andere Arten.

Karpfen sind dagegen Pflanzenfresser, können also mit pflanzlichen Futtermitteln aufgezogen werden. Bei niedriger Besatzdichte reicht sogar das was natürlich in einem Teich wächst. Leider genügen sie nicht den Forderungen der Ernährungswissenschaftler. Das ernährungsphysiologisch wertvolle an den meisten Fischen ist der Gehalt an mehrfach ungesättigten Fettsäuren der Omega-3 Reihe (weil die erste Doppelbindung beim dritten Kohlenstoffatom vom Ende her liegt, in fast allen pflanzlichen Fetten kommen dagegen die Omega-6 Serie vor, die keinen positiven Effekt zur Senkung des KHK-Risikos (koronale Herzgefäßkrankheiten) haben.

Der zweite positive Effekt ist der Gehalt an Jod. Fisch ist der einzige gute Jodlieferant in der Nahrung. Allerdings gilt dies nur für Seefisch, da im Meer Jod gelöst ist. Für Karpfen als Süßwasserfisch gilt auch dies nicht. Das ist auch ein grund warum bei uns das Speisesalz seit Jahrzehnten jodiert wird.

Aber es ist ein gutes Beispiel, wie man seine Kenntnisse als Chemiker praxisgerecht einsetzt. Ein zweites Beispiel will ich liefern. Ich liebe Gerichte mit Milchreis, wie Reisauflauf oder eben Milchreis. Das Problem: Man muss diesen 40 Minuten lang kochen, und aufpassen, sonst brennt er leicht an. Nun ja, wenn man eben von Chemie keine Ahnung hat und nur Koch ist, dann muss man das so tun. Hat man aber Ahnung, dann kann man eine Alternative entwickeln und das habe ich vor einigen Jahren getan. Sie ist sehr einfach: Man erhitzt den Reis mit der Milch zuerst kurz, bis er kocht. Dann kommt der Deckel drauf und der Topf von der Herdplatte weg. Nun kann man was anderes tun,. ohne Bodenhitze brennt nichts an. Wenn er in 2-3 Stunden abgekühlt ist, wiederholt man das nochmals: also erhitzen bis zum Kochen und dann sofort weg von der Platte. Die Zubereitung dauert zwar so viel länger, aber man muss nur 10 Minuten lang dabei sein und zwar jeweils 5 Minuten, bis die Mischung kocht. Der Lohn: perfekter Milchreis, der sogar noch mehr Flüssigkeit bindet als bei der herkömmlichen Methode.

Das dahinter liegende Prinzip: Stärke verkleistert bei Reis zwischen 61 und 78 Grad Celsius. Es ist also nicht nötig den Reis zu kochen. Eine viel niedrigere Temperatur reicht vollkommen aus. Beim ersten Kochen, verkleistern die Randschichten bis eine Temperatur von 61 Grad unterschritten ist, danach dringt das Wasser aber weiter nach Innen vor und die Stärke quillt auf. Beim zweiten Erhitzen wird dann die innere Stärke ebenfalls verkleistert und man bekommt einen Reis, der sehr sämig ist, ohne feste Kerne und dies bei einer sehr energiesparenden Zubereitung. Von Vorteil sind sehr dickwandige Töpfe, die gut die Wärme halten.

Ein weiterer Vorteil: es ist energieärmer. Auf der Milchreispackung wird als Rezept angegeben, 250 g Reis mit 1 l Milch aufzukochen (1:4), während bei meinem Rezept man 125 g Reis (eine halbe Tasse) auf 750 ml Milch (drei Tassen) nimmt – also 1:6. Auch wird es energieärmer. Hier mal die Nährwerte meines Rezeptes:

  • 2 Päckchen Vanillinzucker (16 g)
  • 125 g Milchreis
  • 750 ml Milch, 3,5 % Fettgehalt
  • 10-12 Süßstoff
pro 100 g pro Portion (5 aus obiger Menge)
Brennwert: 464 kJ 826,9 kJ
Kohlenhydrate 16,9 g 30,2 g
davon Zucker 1,8 g 3,2 g
Fett 3,0 g 5,4 g
Eiweiß 3,8 g 6,7 g

Arbeitet man dagegen nach den Vorgaben der Verpackung, so hat eine Portion (150 g, ich habe oben sogar 178 g große Portionen) 671 kJ – durch den weggelassenen Zucker und höheren Milchgehalt ist meine Zubereitung um 42% energieärmer pro 100 g.

Da wir ja im PISA-Land leben, die Berechnung für alle die Dreisatz verlernt haben: Hier am Beispiel des Fetts:

Reis enthält 0,5% Fett, Milch 3,5 % Vanillinzucker 0 %

Gesamtfettmenge: 750 g Milch * 3,5 % + 125 g Reis * 0,5 % + 16 g Vanillinzucker * 0 % = 26.875 g Fett

Gesamtgewicht Nahrungsmittel: 750 g Milch + 125 g Reis + 16 g Vanillinzucker = 891 g

Fettgehalt pro 100 g: 26,875 g / 891 g *100 = 3,0 %

Fettgehalt pro Portion (1/5 der Gesamtmenge): 26,875 g / 5 = 5,375 g

Man sieht also: es lohnt sich chemische Kenntnisse im Alltag einzusetzen….

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