Bernd Leitenbergers Blog

X und das Shuttle

Es heißt ja immer, man soll sich kein X für ein U vormachen lassen, aber diesmal geht es um ein SpaceX das man sich für ein Space Shuttle vormachen lässt. Nun rückt ja der COTS 2/3 Start näher (derzeit geplant für den 19 oder 22.sten Mai, klappt er an diesen Tagen nicht so führen einige ungünstige Umstände (Abschattung der Solarzellen beim Anflug, Progress und HTV Transporter welche Vorrang haben) dazu, dass er sich bis mindestens Mitte Juli verschiebt. Weil SpaceX mal wieder so in dem Meldungen kommt habe ich diese verfolgt und plötzlich machte es klick – die ganzen Aussagen hatte ich doch schon mal gehört.

Und richtig. Es gab schon mal ein Trägersystem, dass angetreten war:

Das war das Space Shuttle. Pläne in den siebziger Jahren sahen bis zu 572 Flüge über einen Zeitraum von 13-14 Jahren mit 5 Orbitern vor. Jeder Orbiter sollte zwölfmal pro Jahr starten und preiswerter als eine Delta Trägerrakete sein. Die USA stellten daraufhin Mitte der achtziger Jahre ihre Trägerraketenproduktion ein.

Und was verspricht SpaceX?

Das sind die Versprechungen. Was war die Realität beim Space Shuttle?

Das Space Shuttle startete wirklich in den ersten Jahren enorm oft. Die Startrate stieg rasant an um 1985 13 Starts pro Jahr zu erreichen (so viele sollten später nie mehr erfolgen und dies obwohl der letzte Orbiter erst im Herbst 1985 seinen Erstflug hatte). Sie beförderten zahlreiche Kommunikationssatelliten und dies preiswerter als die US-Konkurrenz.

Aber:  Bei jedem dieser Flüge gab es kleinere oder größere Probleme. Der einzige „Abort to Orbit“ im STS Programm war STS-51F. Bei STS-2 wurde die Mission nach Ausfall einer Brennstoffzelle um mehr als die Hälfte verkürzt. Bei STS-4 war trotz Verbrauch der Reserven im ET die Umlaufbahn um 2,5 km zu niedrig, bei STS-9 explodierten bei der Landung die APU und gerieten in Brand – wäre das wenige Minuten früher passiert, so wäre das Shuttle während des Wiedereintritts nicht mehr steuerbar gewesen und verglüht wie die Columbia 20 Jahre später.

Erinnert das nicht an die Probleme der Firma mit dem großen „X“? Die Ähnlichkeiten gehen ja bis ins Detail, so wurde der erste Start der Columbia um zwei Tage verzögert weil die vier Bordrechner beim gegenseitigen Synchronisieren eine kleine Zeitabweichung hatten, ein Softwareproblem, das bei den Tests nicht entdeckt wurde. Wundert es einen nicht, dass SpaceX seit Monaten die Dragon nicht zum Start bekommt, obwohl doch ihre Software „fehlerfrei“ sein soll. (Orginalzitat des Chefentwicklers!, der übrigens vorher für Spielkonsolen entwickelt hatte)

Beim Space Shuttle endete dies mit dem großen Bang. Bei dem nicht nur herauskam, dass die Booster ein Designproblem hatten. Sondern es wurde deutlich dass das ganze Shuttleprogramm in den letzten Jahren getrimmt wurde, eine möglichst hohe Startrate zu erreichen. Auf Kosten der Sicherheit und Wartung. Das erklärte auch die vielen Probleme vorher. Es gab Praktiken, über die man nur den Kopf schütteln konnte, so das (wörtlicher Fachjargon) „kanibalisieren“ – stellte sich bei der Überholung eines Orbiters heraus dass es ein defektes oder zu wartendes Teil gab, so wurde aus einem anderen Orbiter das entsprechende Teil ausgebaut, was diesen dann lahmlegte….

Trotzdem: die Shuttles transportierten vor allem US-Nutzlasten, nicht so viele kommerzielle Nutzlasten wie erwartet. Sie konnten nicht alle Träger ersetzen und sie mussten subventioniert werden um Aufträge zu erhalten, die sonst an Arianespace gefallen wären. Die offiziell angekündigten Preise waren nicht kostendeckend.

Als man alle Mankos nach STS-51L beseitigte, verteuerten die Shuttles sich soweit, dass selbst wenn es nicht das Verbot des kommerziellen Einsatzes gegeben hätte, sie nicht mehr konkurrenzfähig gewesen wären.

Die Parallelen zu SpaceX sind deutlich. Auch hier: Versprechungen über Startraten und Preise, die bisher noch nicht umgesetzt wurden. Letztes Jahr erfolgte überhaupt kein Start obwohl es nach dem Manifest vom Dezember 2010 (also nur einen Monat vor Jahresbeginn! 8 hätten sein sollen (hier Beweislink über Web.archive.org). Die vielen Starts gibt es nur auf der Website. Früher hieß es ja „Papier ist geduldig“, heute muss man wohl sagen „Webseiten sind noch viel geduldiger“. Kommerzielle Kunden gibt es bislang ebenfalls nur dort. noch keine kommerzielle Nutzlast wurde gestartet und kein Kunde konnte daher nachprüfen, ob die Versprechungen auch eingehalten wurden. Es scheinen auch alle zu warten – denn die Verzögerung scheint ja nur die Dragon zu betreffen. Die Falcon 9 wäre ja nach zwei Flügen eigentlich einsatzbereit und Triebwerke werden ja auch in Unmengen gefertigt,  so fragt man sich, warum dann nicht SpaceX die ganzen kommerziellen Starts die sie angeblich haben, stattdessen abwickelt ….

Dann die unzähligen Probleme bei den bisherigen Flügen. Was jeder sehen konnte, wie die taumelnde Stufe im falschen Orbit beim ersten Flug wurde verharmlost. Was man nicht sofort sehen konnte wurde verschwiegen (Triebwerksausfall beim letzten Flug – als ein Experte davon Wind bekam, verklagte ihn SpaceX, musste aber vor einem Beratungspanel der NASA dann den Zwischenfall einräumen). Auch hier ist übrigens eine vorzeitige Abschaltung eines Triebwerks nur „eine Anomalie“. Jau wie sagte doch der Presseoffizier als die Challenger explodierte „We have an anomaly“….

Nun steht COTS 2/3 an, ein Flug der Elon Musk schlecht schlafen lässt und dessen Erfolgsaussichten er gleich mal auf 40 bis 50 % herunterschraubt. Wie bitte? Ist das nicht dieselbe Dragon von der er bei der COTS 1 Pressekonferenz sagte, sie könnte in sechs Monaten bemannt fliegen? Ja vielleicht bemannt, aber nicht automatisch, was wohl zeigt wo SpaceX steht…

Traurig ist auch, dass die NASA als Kunde nichts dazu sagt. Wobei mich schon eines wundert: SpaceX besteht darauf, die beiden COTS Flüge zusammenzulegen um Kosten zu sparen, und setzte dann die Erfolgsquote auf 40 bis 50 % an. Wäre es dann nicht besser zwei Flüge durchzuführen, wie geplant und diese vielleicht mit höherer Erfolgsaussichten? Warum stimmt die NASA einem Unternehmen zu, dass nur zu 40-50% erfolgreich eingestuft wird? Sie muss schließlich Abweichungen vom Missionsplan der zwei Flüge vorsieht genehmigen. Das wirkt sich doch auch auf die NASA aus, wenn sie dies zulässt und dann eine Schlappe einstecken muss, wenn die kommerziellen Unternehmen es dann nicht hin bekommen. Beim Konkurrenten OSC wurde extra ein zusätzlicher Flug genehmigt um das Risiko zu senken. Irgendwie seltsam.

Vor allem ist es seltsam, wenn man seine Hoffnungen auf ein Unternehmen setzt, dass erst beim zweiten Flug ihrer Dragon die ISS anfliegt und das dann zu 40-50% klappen soll. Erst der nächste Flug, also der dritte Einsatz, soll dann die ISS versorgen. Nur mal als Erinnerung. ATV und HTV machten keine Erprobungsflüge und transportierten schon beim ersten Start Versorgungsgüter. Das ATV kann anders als die Dragon sogar autonom ankoppeln und muss nicht manuell eingefangen werden.

Wie es beim Space Shuttle ausging ist bekannt – es konnte weder die kommerziellen Flüge ersetzen noch die bestehenden Trägerraketen ersetzen. Es wurde zu einem Spezialtransporter für bemannte Weltraumlabors zuerst mit Rückführung zur Erde, später blieben diese im All. Ich prognostiziere, dass es SpaceX genauso gehen könnte, wenn sich nicht sehr bald sehr viel ändert: mehr Termintreue, weniger Ankündigungen, dafür mehr Flüge und vor allem: wenn ich kommerzielle Kunden gewinnen will, sollte ich vielleicht mal die Aufträge, die ich habe auch mal durchführen. Aber vielleicht sind es auch keine echten Aufträge sondern nur Optionen. Sprich: Wenn SpaceX beweisen kann das sie zügig starten können und die Nutzlast auch heil den vorgesehenen Orbit erreicht, dann werden erst Aufträge draus.

Da man davon nichts sieht, könnte es sehr wohl sein, dass SpaceX so endet wie das Shuttle – sie machen eben die schon fest gebuchten CRS Flüge. Viel mehr wird nicht dazukommen.

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