Wir machen alles national
Nun ist ja erneut die Liberty in die Schlagzeilen gekommen. Ich will gar nicht über das Konzept in technischer Weise diskutieren, aber eines ist schon auffällig. Es werden immer mehr Konzepte immer mehr Träger. Nehmen wir mal nur das CCDev Programm. Da bewerben sich nun (die Aufzählung ist sicher nicht vollständig, Spezialisten über bemannte Raumfahrt mögen mich da korrigieren) mindestens vier Träger: Die Falcon 9, die Atlas V, die Liberty und die New Shepard. An Raumfahrzeugen gibt es das CST-100, den ream Chaser, die Dragon, ebenfalls die New Shepard und die noch namenlose ATK/Lockheed Kombination.
Nun geht es um Mannschaftstransporte zur ISS. Wenn diese nur die nicht russischen Astronauten transportieren, dann reichen bei vier Personen pro Start zwei Flüge pro Jahr. Reduziert man wieder die Aufenthaltsdauer von derzeit 180 auf 90 Tage, wie es mal vorgesehen war, als noch das Shuttle zur Verfügung stand, dann sind es vier Flüge pro Jahr. Lohnt sich dafür die Entwicklung einer eigenen Trägerrakete? Bei dem Raumschiff ist es etwas anderes, aber auch hier will die NASA ja zwei Systeme haben, also wird auch dieses nicht so oft eingesetzt werden.
Es ist auffällig, dass es in den USA einen Trend gibt mehrere Systeme für ein und denselben Zweck zu haben. Beim EELV gibt es für eine Startrate die ohne Problem eine Linie abdecken könnte, zwei Träger. Bei den kleinen Trägern ist es genauso. Minotaur I und Pegasus haben fast gleiche Nutzlasten, Minotaur IV und Taurus XL ebenso und nun gibt es bei mittelgroßen Nutzlasten Falcon 9 und Antares. Die Frage ist ist es nötig? Meiner Ansicht nach nicht. Natürlich kann ein Träger mal einen Ausfall haben, dann steht er für einige Monate am Boden, aber dass er wirklich für längere Zeit ausfällt, das sollte bei einem eingeführten Träger, der seine Kinderkrankheiten abgelegt hat nicht vorkommen. Europa hat schließlich auch nur eine Ariane 5 – die übrigens genauso oft fliegt wie Delta IV und Atlas V zusammen. Nur eine Frage in den Raum, wie haben die USA im Jahr 1966 insgesamt 83 Starts mit nur sieben Trägern durchgeführt? Warum brauchten sie 2010 für 15 Starts genauso viele Trägertypen? (Die Statistik für 2011 habe ich noch nicht, aber es sind eher noch mehr…)
Was mir an der Liberty gefällt, ist dass man sich zusammentut: Astrium und ATK wollen sie gemeinsam entwickeln. Das wäre doch mal ein Modell für die Zukunft. Anstatt dass jeder für sich zig verschiedene Trägerraketen baut, entwickelt man eine zusammen. Dann ist jeder zufrieden, denn jeder hat Aufträge, es wird für alle billiger (höhere Stückzahl = niedrige Stückkosten). Aber stattdessen nationales Gerangel. Ich habe ja schon die Idee gehabt, die DSCC (zweite Stufe der Delta 4) für die Ariane 5 zu adaptieren – fast gleicher Durchmesser, fast gleiche Treibstoffzuladung, nur wiegt sie 3,5 anstatt 6,25 t. Selbst wenn man das Vinci Triebwerk verwendet, müsste man noch um die 2 t mehr Nutzlast transportieren können. Nicht dass man in Europa leichtgewichtige Stufen nicht bauen könnte – die EPC die in Frankreich entsteht zeigt es ja und sie hält sogar den Ritt auf einem SRB aus. Nur soll ja die ESC-B in Bremen gebaut werden, wo man bisher eben nur massiv gebaut hat. Das Problem ist eben der geographische Rückfluss. Wenn man 20% für Ariane gibt muss man eben auch 20% der Aufträge bekommen, auch wenn die Kompetenz nicht vorhanden ist. Und das Astrium Bremen sie aufbaut, ist unwahrscheinlich, denn wie man Foren entnimmt scheint Astrium Bremen alle Vorschläge doch leichtgewichtigere Legierungen, Druckstabilisierung oder CFK-Werkstoffe einzusetzen abgelehnt zu haben.
So glaube ich nicht, dass mein Vorschlag Anklang findet. Im Gegenteil: die nächste Subvention ist schon ausgemacht. Nachdem ich sicher schon seit 20 Jahren die Vorteile von Ionentriebwerken herausgestellt habe, sie sich inzwischen auch im Weltraum bewährt haben (DS-1, Smart-1, Dawn….) baut man nun Kommunikationssatelliten die sie einsetzen. Nur eiben bei Boeing. Und schon wird diskutiert dass man die Industrie in Europa subventionieren muss, weil sie keine solchen Satelliten im Programm hat. Das hat man ja schon früher so gemacht mit Olympus, Artemis, bald kommt Alphasat dazu. Leute: ihr seid nicht dazu da, die Scharten der Industrie auszuwetzen. Wenn Astrium sieht, dass sie Aufträge verlieren, dann werden sie schon selbst was entwickeln. Wenn sie das nicht können, dann sollen sie auch keine Satelliten bauen.
Das interessante dabei ist natürlich, dass man zur gleichen Zeit über die Ariane 5 ME und Ariane 6 nachdenkt. Also wenn ich dem Artikel folge und dann die Startmasse halbieren kann, dann brauche ich weder eine Erweiterung der Ariane 5 noch eine Ariane 6, weil ich ja mit den derzeit 10 t Nutzlast wenn ich wieder die Speltra einführe, drei Satelliten mit 8,6 t Startmasse gleichzeitig starten könnte, die rund 17 t bei einem chemischen Antrieb entsprechen, und selbst wenn ich nur eine Mischbestückung habe, so finde ich nun immer einen leichten Satelliten. Dieses Problem wurde ja als Triebkraft für die neue Oberstufe angegeben – es gäbe zu wenig leichte Satelliten, sodass man mehr Einzelstarts durchführen müsste.
Übrigens, kleines Jubiläum: Dies ist der 1.750 ste Blogartikel.
Selbst wenn die USA nur einen Träger von einer Größe hätten: Wäre da ein Ausfall wirklich so ein Problem? Bei allen anderen Ländern sind Starts auf ausländischen Trägern seit Jahren üblich. Ohne daß gleich die Welt untergeht. Und bei bemannten Starts gibt es nun für Jahre weltweit nur ein System, das die ISS versorgen kann. Was bei bemannten Flügen akzeptabel ist, sollte es bei unbemannten erst recht sein. Wenn man kein Geld hat, muß man eben auf unnötigen Luxus verzichten. Sonst „spart“ man sich selbst in die Steinzeit zurück.
Moin,
für alle die nicht auf der Expo in LA waren, gibt es YouTube:
http://www.youtube.com/watch?v=1asG5MbGI4w
Ich denke das die Liberty Rocket von Astrium/ATK eher eine (selbstladende) Fracht in den ISS-Orbit bringt als SpaceX, weil zum einen beide Firmen schon Erfahrung haben, die Komponenten weiterverwendet werden, und weil vor allem ATK auch ohne NASA Zuschüsse darauf spekuliert, dass SpaceX keinen hoch kriegt, und ein vitales Interesse hat seine alten Shuttle-Booster weiter zu produzieren. Fuer Astrium ist das Risiko erheblich geringer, weil die Ariane Hauptstufe auch weiterhin gebraucht wird. Interessant fand ich, dass Astrium anbietet diese Hauptstufe in der USA zu fertigen, wenn es ausreichend NASA Aufträge gibt.
ciao,Michael