Bernd Leitenbergers Blog

Die Falcon Heavy als ISS-Deorbitierungsgefährt

Tja man soll mir nicht vorwerfen können, ich suchte nicht nach Ideen für SpaceX. Nun genauso wie ich Ideen für Erweiterung der Vega und Ariane 5 habe, so fallen mir natürlich auch welche für SpaceX ein. Ich hatte ja mal die Idee einer Mondmission mit der Dragon und Falcon Heavy. Das wäre nach der damaligen Nutzlastangabe auch möglich gewesen. Doch wie bei SpaceX üblich sinkt die Nutzlast, sobald die Realisierung näher rückt. Bei der letzten Mission wurde ja die Masse der Dragoin schon nicht mehr angegeben. Nun wird für die Falcon Heavy nur noch 12 t GTO Nutzlast angegeben (beim Abschluss der Option mit Intelsat). Vorher waren es noch 13,5 t zum Mars, obnwohl man dafür 1 km/s schneller sein muss. Kurzum: Für eine Mondmission wirds knapp. Vielleicht noch eine Umrundung wie bei Apollo 13, doch dafür wird niemand so viel Geld locker machen.

Doch es gibt tatsächlich einen Einsatzzwecke wofür man die Falcon Heavy brauchen kann – die ISS Deorbitierung. Damit wir wissen wovon wir reden hier ein kleines Briefing.

Irgendwann (derzeit für 2020 geplant, eventuell wird 2028 draus) wird man die ISS aufgeben. Dann muss sie sicher deorbitiert werden. Schließlich will man nicht riskieren, dass sie wie Skylab ohne große Kontrolle verglüht. Damals glücklicherweise weitgehend über dem Ozean. Wie deorbitiert man eine Raumstation? Nun im Prinzip genauso wie einen Raumtransporter. Man zündet 180 Grad vor dem Wiedereintrittspunkt die Triebwerke und bremst das Raumfahrzeug gegen die Bewegungsrichtung leicht ab. Es sollte eine neue Bahn resultieren, deren niedrigerster Punkt beim Wiedereintrittspunkt liegt und in einer Höhe die dazu führt, dass dir Raumstation dort so weit abgebremst wird, dass sie auseinander bricht. Dazu wird ein erdnächster Punkt in <100 km Höhe ausreichen.

So weit so klar. Es gibt nur einige Wenns und Abers. Der erste Punkt: Man hat dafür nicht unendlich viel Zeit. Das liegt an dem Manöver. Der Wiedereintritt beginnt spätestens 45 Minuten nach der Zündung, nämlich maximal einen halben Umlauf später. Dauert die Zündung länger, so resultiert eine Bahn, bei der sich Apogäum und Perigäum annähern, das Raumfahrzeug spiralt sich ab, erreicht nicht in einem Umlauf das Zielperigäum und taucht langsam in immer tiefere Schichten herein. Es wird dann leicht durch die aerodynamischen Kräfte unkontrollierbar, vor allem wenn es so verwinkelt aufgebaut ist wie die ISS mit ihren großen Solarzellenauslegern. Sie könnte in eine Rotation geraten und die Abbremsung wäre unkontrollierbar.

Ich habe mal bei der Recherche zum ATV Buch gelesen, dass die NASA erwäge, ATV von der ESA für die Deorbitierung zu kaufen, und schon damals Zweifel dran gehabt. Mit den kleinen Triebwerken des ATV müsste man diese Stunden lang laufen lassen, mit den oben beschriebenen Problemen. Darüber hinaus reicht der Triebstoffvorrat eines ATV nicht aus.

Was man braucht ist also ein Raumtransporter mit viel Treibstoff und einem schubstarken Triebwerk. Bei der MIR reichte noch eine Progress mit ihrem 3 kN Triebwerk. Doch die ISS ist viermal so schwer. Mit einer Progress, aber auch den internen Treibstoffvorräten ist es nicht getan. Man kann den Treibstoffbedarf absenken, wenn man die ISS selber sinken lässt. Doch tiefer als 250 km sollte man sie nicht sinken lassen, sonst löst sich das Problem in wenigen Wochen von selbst (im operationellen Betrieb darf sie nicht unter 340 km Bahnhöhe sinken, sonst kann sie kein Transporter mehr nach einer Zeitspanne von 90 Tagen anheben).

Lässt man die ISS auf 250 km Bahnhöhe sinken und soll eine neue Zielbahn von 100 x 250 km resultieren, so muss man sie um 45 m/s abbremsen. Klingt nach wenig, sind aber bei 440 t Gewicht rund 20 Millionen Newton oder bei einem spezifischen Impuls von 3100 rund 6.400 kg Treibstoff. Sicherer wäre eine Bahn von 340 x 80 km ausgehend von einer 340 km Kreisbahn. Dafür braucht man dann rund 77 m/s oder 11 t Treibstoff.

Damit ist klar, dass alle derzeit verfügbaren Transporter mit dieser Aufgabe überfordert sind. Wenn man zudem nicht mehr als 30 Minuten Zeit für die Abbremsung hat, dann braucht man ein Triebwerk, das rund 20 kN Schub aufweist.

So und nun schlägt die Stunde der Falcon Heavy, denn mit der wiederzündbaren Raketenstufe kann man z.B. folgendes machen:

Eine Falcon Heavy startet eine Dragon zur ISS. Die Dragon ist fest mit der Oberstufe verbunden. Die Solarpanels liefern den Strom zur Raketensteuerung. Die Dragon koppelt mit ihren eigenen Treibstoffvorräten an die ISS an. Bei den vergrößerten Tanks die man für die Super-Draco Triebwerke braucht, sollte das kein Problem sein, auch wenn die teilweise leere Oberstufe mit transportiert wird. Diese hat dann noch über 28 t Treibstoff an Bord, denn die Dragon ist mit 7 Gewicht viel kleiner als die nominellen 45 t Maximalnutzlast. Dort wartet die letzte Dreierbesatzung auf sie, sie koppelt sie an, verlässt die Station und schaut sich das letzte Schauspiel von ihrer Sojus aus an. Die Falcon Heavy Oberstufe zündet ein zweites mal – ihr 400 kN Triebwerk ist schubkräftig genug dazu. Das bringt die Station auf einen Kollisionskurs.

Technisch gesehen ist es nicht sehr kompliziert. Man müsste die Tanks der Oberstufe isolieren, doch selbst mit einem Überdruckventil, das Sauerstoff entlässt, hat man noch mehr Treibstoff als benötigt. Selbst wenn man nicht riskieren will das Menschen anwesend sind, (die heute die Dragon einfangen und ankoppeln müssen), dann könnte man sie mit einem russischen Kopplungsadapter ausstatten und an Swesda ankoppeln.

Es gäbe natürlich auch eine zweite Möglichkeit, sofern die Falcon Oberstufe dreimal zündbar ist. Geht man von 28 t nutzbarem Treibstoff aus, so kann man die ISS um 200 m/s beschleunigen, oder in eine Bahn in 750 km Höhe (ausgehend von einem 380 km hohen Orbit). Diese wäre über Jahrzehnte stabil (es gibt keine Werte für so große Raumstationen, aber Envisat, der gerade seine Tätigkeit einstellte, soll in 783  km Höhe noch mindestens 100 Jahre seine Kreise ziehen, Rosat verglühte 22 Jahre nach dem Start – er war in nur 580 km Bahnhöhe ausgesetzt worden).

Allerdings könnte man das auch auf anderem Wege bewerkstelligen. So verfügt das ATV über die Möglichkeit viel Treibstoff zur ISS zu befördern, das wird nun da das Shuttle nicht mehr als Mannschaftstransporter vorgesehen wird, gar nicht mehr gebraucht (die ISS hätte man in diesem Falle nicht so weit anheben dürfen). Würde man die ISS dagegen weiter anheben, dann wäre sie am Schluss auch in 540 bis 580 km Höhe (siehe hier) und auch diese Bahn ist schon über mindestens ein Jahrzehnt stabil. Genug Zeit um sich Gedanken zu machen wie man weiter verfährt.

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