Werbung bei Lebensmitteln
Ich möchte mich heute mal einem Thema widmen, das zu den umstrittenen bei den Lebensmitteln zählt: der Werbung, wobei man unter Werbung nicht nur Spots im Fernsehen versteht, sondern primär die Verpackungsangaben (genauer gesagt, interessieren sich Untersuchungsämter, da sie Proben und keine Fernsehspots zum begutachten bekommen, gar nicht für TV und Printwerbung).
Rein rechtlich gibt es nur zwei Paragraphen, die alle Angaben zu Werbung regeln. Es sind §11 Abs. 1 LFGB und §12 LFGB. Der erste betrifft irreführende Angaben und der zweite gesundheitsbezogene Werbung. Diese sind so allgemein gehalten, dass man sie mit Gerichtsurteilen füllen muss. Da fängt schon das erste Problem an, dazu später mehr.
Das zweite ist ein Grundsatz unseres Rechts – es wird ein verständiger Durchschnittsverbraucher zugrunde gelegt. Fangen wir mal mit dem letzten an, weil es da schon Probleme gibt. Ich schreibe mal wie die Praxis bei den Untersuchungsbehörden ist, wenn Proben zu begutachten sind. Nehmen wir mal einen dieser Fälle wo vorne dick und fett drauf steht „ohne den Zusatzstoff Geschmacksverstärker“. der findet sich dann auch nicht im Zutatenverzeichnis, dafür Hefeextrakt, der eine ähnliche technologische Wirkung hat. Zumindest wenn Hefeextrakt bei Lebensmitteln verwendet wird, die nicht irgendein Suppenaroma haben ist offensichtlich dass es als Geschmacksverstärker eingesetzt wurde (z.B. bei Chips).
Was wir hier haben ist eine Situation die Verbraucherverbände kritisieren, aber die eben legal ist. Es ist ja keine Lüge erzählt worden. Die Packung enthält wirklich keinen Zusatzstoff der als Geschmacksverstärker wirkt, aber eben eine natürliche Zutat, die so wirkt. Das gilt auch für andere Aussagen wie „vollmundiger Fruchtgenuß“ bei einem Lebensmittel, dass nur wenig Früchte enthält – auch hier wird die Lebensmittelüberwachung argumentieren, dass der Verbraucher die Chance hat im Zutatenverzeichnis nachzusehen wie viel Fruchtgenuß enthalten sind.
Abhilfe dagegen wäre, dass man entweder eine neue Norm anlegt, also nicht den „verständigen“ Verbraucher, sondern einen „flüchtigen oder oberflächigen“ Verbraucher. Das Problem: praktisch alle bisherigen Urteile wären dann unwirksam, weil sie unter anderen Umständen ergangen sind, eben der Maßgabe, dass der Verbraucher informiert ist und sich die Packung als ganzes ansieht und alles aufmerksam durchliest. Das zweite wäre, dass man den Paragraph zur irreführender Werbung neu formuliert um solche Dinge zu verbieten, nur wüsste ich ehrlich gesagt nicht wie.
Das zweite betrifft kompliziertere Aussagen. Das betrifft die zahlreichen Aussagen in der Werbung mit Lebensmitteln, die sich vor allem auf Wirkungen beziehen. Das geht von unverbindlichen Aussagen bis zu welchen, die mit Rechtsanwälten so formuliert sind, dass sie suggerieren, dass ein Lebensmittel fast wie ein Medikament wirkt, aber das nicht tun. Diese Aussagen waren bisher problematisch. Das grundsätzliche Problem bei der Lebensmittelüberwachung ist die Arbeitsteilung. Wir haben hier die Kontrolleure die Lebensmittelproben ziehen, dann die Untersuchungsbehörden mit Chemikern, Veterinären und Ärzten und dann die Staatsanwälte. Eigentlich sollten alle drei zusammenarbeiten, doch in der Praxis ist alles getrennt. Dabei bräuchten schon die Kontrolleure eine fundierte Ausbildung in Lebensmittelrecht und Proben zu ziehen die auffällige Werbeversprechen haben (bisher haben sie auch eine Ausbildung, doch bezieht die sich vor allem auf die Gesundheitsgefahren, weniger auf die rechtlichen Aspekte). Die meisten Proben landen bei Chemikern, die sich zwar zu chemischen Aussagen äußern können, doch wir haben es ja meist mit gesundheitsbezogenen Aussagen zu tun. Da wären die Ärzte gefragt, doch die sind bei der Lebensmittelüberwachung meistens nur dann involviert wenn es um Gesundheitsgefahren geht, also verkeimte Nahrungsmittel. Und zuletzt die Staatsanwälte die eigentlich auf dem kurzen Dienstweg direkt bei den Untersuchungsbehörden sitzen sollten, aber in der Praxis eben bei Gericht sind. Nur diese verzahnte Struktur kann den großen Konzernen Paroli bieten bei denen eben Lebensmitteltechnologen, Chemiker und Juristen in einem Haus zusammensitzen und gemeinsam an der Produktstrategie arbeiten.
Immerhin. Es gibt Besserung. Die EFSA (europäische Lebensmittelbehörde) hat nun die gesamten gesundheitsbezogenen Werbeaussagen begutachtet und in einer ersten Tranche nur 222 von rund 1000 genehmigt. Darunter waren auch die Aussagen für probiotische Produkte, die nach Stand der Wissenschaft zumindest nicht besser wirken als normale Jogurt.
Aber wird es nun besser? Wer sich die aktuellen Aussagen z.B. von Actinel anschaut merkt dass man sich auf Sachen konzentriert hat die unverfänglicher sind, oder man setzt einen Stoff zu für den noch Werbung gemacht werden darf wie z.B. Vitamin C.
In der Summe haben wir daher immer noch ein Problem: Wir haben ein Lebensmittelrecht, das auf Staatsseite ein Förderales System mit verteilten Aufgaben vorsieht und das für alle Erzeuger zuständig ist, vom Bäcker um die Ecke bis zu Großkonzernen wie Nestle und wir haben eben Großkonzerne mit einem Apparat, der eng verzahnt ist. Dazu kommt noch, das wesentliche Teile unseres Rechts inzwischen von Europa diktiert werden, wir wollen ja nicht die anderen EU-Staaten benachteiligen oder?
Dieses Problem könnte man nur lösen indem man praktisch jede werbende Maßnahme die irreführend sein könnte durch Gesetz verbietet, sodass die Sachlage viel klarer als heute ist. Das ist auch das was sich viele Verbraucherverbände wünschen, aber es wird ein Wunschtraum bleiben. So etwas haben wir ja heute nicht mal bei pharmazeutischen Produkten. Man muss sich nur mal im Fernsehen die Werbung für frei verkäufliche Mittelchen von Ginseng-Extrakt bis hin zu Vitasprint (nichts anderes als Vitamin B12) ansehen. Dabei sollte man bei solchen Mitteln, die ja zumindest drogeriepflichtig sind noch strengere Kriterien als wie bei Nahrungsmitteln anlegen.
Was sich geändert hat, das ist dass unser Lebensmittelrecht im wesentlichen noch das gleiche wie vor 30 Jahren ist. Es gibt weitere Verordnungen für Kennzeichnungen, aber die Paragraphen für Täuschung und Irreführung sind immer noch die gleichen. Relevant sind daher meistens Gerichtsurteile. Wenn es um Rechtsfragen ging, dann war die Aufgabe in Kommentaren zum Gesetz nach Urteilen zu suchen, die auf den eigenen Fall anwendbar sind oder ähnliche Sachverhalte betreffen. Dabei entscheiden Richter oft nach eigenem Ermessen und manchmal gegen den Trend, so ist beispielsweise das MHD nach ellgemeinem Rechtsverständnis kein Datum, das bedeutet, dass ein Supermarkt Waren über dem MHD verkaufen kann. Das OLG Hamburg entschied anders und nahm einmal nicht den verständigen Verbraucher sondern einen der sich drauf verlässt, das nur Waren unter dem MHD im Supermarkt sind als Maßstab.
Was wir vielleicht brauchen ist das wie zumindest bei national gehandelten Marken eine Abkehr haben vom regionalen Prinzip. Bisher läuft es so: Ein Untersuchungsamt untersucht eine Probe. Ein Chemiker macht ein Gutachten, das meistens schon sehr weit in der rechtlichen Beurteilung geht (einfach weil es keine für das recht spezialisierte Staatsanwälte gibt) und dann kommt es zu einem Prozess vor dem lokalen Landesgericht. Kein Lebensmittelchemiker hat Lust auf den Krieg über Zig Instanzen mit einem Großkonzern, anders kann ich mir nicht erklären dass bestimmte Werbung oder Missstände (wie seit ich denken kann den Verstoß dagegen die Lebensmittelkennzeichnungsverordnung bei Schokoriegeln – unleserlich klein in schlimmen Farbkombinationen auf den Falz geschrieben) nicht beanstandet werden.
Was wir bräuchten wäre ein Amt, dass mit Profis besetzt ist – auch juristisch. Das ist zuständig für die Verfolgung von Dingen, für die ich keine Untersuchung brauche wie irreführende Angaben und es bekommt die Fälle von den Untersuchungsbehörden übertragen, wenn die Firma eine bestimmte Größe erreicht hat, sodass der Gegner auch einen juristischen Apparat ins Felde führen kann.
Dazu kommt noch eins: Welcher „verständige Durchschnittsverbraucher“ hat die Zeit, die Inhaltsangabe zu studieren, bevor er die Waren kauft?
Was mich auch total stört: Beim Eis ist der Trend zu sehen, daß nur noch groß ein Fantasiename drauf steht, aber nicht welche Geschmacksrichtung das eigentlich ist.
Steht hinten beim Zutatnverzeichnis. Ich lese mir bei Produkten die ich nicht kenne immer die Angaben durch. Was zugenommen hat ist die eigenwerbung der Hersteller auf den Verpackungen und freiwillige Angaben, die eher verwirren.
Der verständige Verbraucher ist aber Maßgabe bei allen Vorschriften, das ist nicht nur auf das Lebensmittelrecht beschränkt. Das gilt auch bei Käufen anderer Sachen. Auch hier kann man sich nicht beschweren. Nehmen wir mal einen USB Stick wo drauf steht „up to …. Hours of Music“ und das ist mit indiskutablen 64 kbit/s kodiert berechnet. Wenn da die echte Kapazität drauf steht kann man deswegen nicht umtauschen.
Das gilt übrigens auch für die Strafgesetzordnung. Auch hier kann man sich nicht rausreden, dass man von einem Gesetzesbestand nichts wusste und da gibt es viele die der „durchschnittsverbraucher“ nicht kennt, z.B. denn dass man immer einen gültigen Personalausweis oder Reisepass besitzen muss, sonst gibts Bußgeld,