Immer das alte Spiel

Da fiel mir diese Nachricht auf. Einerseits ganz positiv, weil nun die Vega besser im Markt positioniert sind, nachdem Wettbewerber sich zurückziehen oder die Preise erhöhen. Es zeigt dann auch wie kurzfristig die deutsche Raumfahrtagentur geplant hat, die sich nicht an der Vega beteiligen wollte. Doch der zweite Teil zeigt dann wie es leider derzeit auch bei der Ariane ist. Kaum ist ein Träger entwickelt, geht es schon darum ihn weiter zu entwickeln. Das hatten wir immer seit Ariane 1. Doch während bei Ariane 2-4 das noch preiswert war (Ariane 1→2 Ausnützung von Reserven die es schon gab, leicht verlängerte dritte Stufe, Ariane 2→3 zusätzliche preiswerte Feststoffbooster, Ariane 4: flexibles System aus Boostern, basierend auf der schon entwickelten Technologie), wurde es seitdem immer teurer.

Bei Ariane 5 musste ein neues Haupttriebwerk her und nun auch noch eine neue Oberstufe die extrem teuer wird (etwa 1,5 Milliarden Euro, 2003 waren es noch 700 Millionen Euro, dabei hat man schon etwa 300 bis 400 Millionen für das Vinci ausgegeben) und im Verhältnis zu den Kosten nur wenig zusätzliche Nutzlast bringt. Und nun dasselbe Spiel bei der Vega. Kaum geflogen plant man schon eine neue Version.

Klar ist natürlich, dass die Industrie Interesse an Entwicklungsaufträgen hat. Sie sind profitabler als Produktionsaufträge. Das ist auch der Antrieb an der Ariane 6. Nun nichts gegen eine Weiterentwicklung. Aber sinnvoll und preiswert. Nicht als Selbstzweck. Stattdessen wird nun nach einem Weg gesucht, wie man Deutschland ins Programm integrieren kann. Das geht nur bei dem AVUM und da ergab eine eigene DLR Studie (VENUS II), dass selbst bei einem gegenüber VENUS I optimierten Entwurf die Nutzlast nur marginal steigert, dafür ist aber ein neues Triebwerk zu entwickeln und eine neue Stufe zu konstruieren. Italien will die ersten beiden Stufen strecken und plädiert für eine völlig neue Stufe mit einem LOX/Methan Antrieb. Auch das ist nicht neu. Entsprechende Pläne gab es schon bei der Vega Entwicklung. Nichts davon ist wirklich preiswert und die deutsche Stufe verteuert die Rakete wahrscheinlich nur.

Dabei ist die Vega schon relativ leistungsfähig. Bezogen auf einen niedrigen Erdobit hat sie eine Nutzlast von 2.400 kg, womit sie nach der Dnepr die zweitleistungsfähigste ist. Und da ihre Nutzlast durch vier Stufen langsamer absinkt liegt ist im Referenzorbit sogar nur noch knapp hinter der Dnepr. Schon jetzt sind die meisten Satelliten eigentlich zu klein. Gerade bekam die Vega einen Auftrag einen 500 kg schweren Satelliten zu transportieren – da hätten es auch zwei sein können.

Also wenn Erweiterungen, dann welche die nicht viel kosten und Flexibilität bringen. Hier einige Optionen die ich mal durchgespielt habe. Einige davon findet man auch bei Vega Ausbauplänen:

Option 1: Zwei Zefiro 9A. Eine Möglichkeit die viele Träger nutzen ist einfach die zweite Stufe nochmals einzuführen. Wenn die Zefiro 9A Stufe zweimal vorkommt (als dritte und vierte Stufe), so erhöht das die Startmasse nur um 12 t, das ist kein Problem bei 220 t Startschub bei dann 149 t Startmasse. Die Spitzenbelastung reduziert sich bei den ersten drei Stufen, und bei der letzten bleibt sie gleich. Die Rakete ist nur um 4,12 m länger.

Diese Option erhöht die Nutzlast auf 1.873 kg, also 373 kg mehr. Nicht viel, aber wenn eine Nutzlast gerade drüber ist, doch eine Option. Weiterhin könnte man, wenn man eine 200 kg schwere Doppelstartstruktur konstruiert dann auch zwei 800 kg schwere Satelliten gleichzeitig transportieren. Vor allem: Braucht man die Nutzlast nicht, so kann man diese Stufe weglassen und hat dann die normale Vega.

Option 2: Zusätzliche Booster. Adaptiert man das Ariane 4 System auf die Vega und bringt einfach zwei oder vier Zefiro 23 Booster neben der Hauptstufe an, so hat man eine zweite Möglichkeit zur Nutzlaststeigerung. Zwei Booster erhöhen die Nutzlast auf 2.210 kg. Vier auf 2.850 kg. Da die Brenndauer kürzer als bei der Hauptstufe ist, beeinflussen sie auch nicht das Beschleunigungsmaximum, dieser.

Option 3: Kombiniert man dies nun mit der zusätzlichen Zefiro 9A Stufe, so kommt man auf 2.660 kg und 3.380 kg.

Die Vorteile sind meiner Meinung nach offensichtlich:

  • Kaum Entwicklungskosten
  • Nutzung bestehender Stufen – geringes Risiko
  • Höhere Produktionszahlen – erniedrigt auch die normalen Vega Kosten
  • Flexibles Konzept: Stufen werden nur montiert, wenn die Nutzlast benötigt wird.
  • Eventuell wäre eine Doppelstartstruktur sinnvoll, allerdings nur, wenn es auch genügend Starts gäbe.
Typ  Nutzlast Nutzlaststeigerung
Vega 1.500 kg
Vega + Zefiro 9A 1.870 kg +370 kg
Vega + 2 x Zefiro 23 2.210 kg +340 kg
Vega + 2 x Zefiro 23 + Zefiro 9A 2.660 kg +450 kg
Vega + 4 x Zefiro 23 2.850 kg +190 kg
Vega + 4 x Zefiro 23 + Zefiro 9A 3.360 kg +510 kg

Deutlich ist: man hat nun ein flexibles System bis zu mehr als der doppelten Vega Nutzlast mit sinnvollen Abstufungen, und das alles auf der Basis der Nutzung von schon extierenden Stufen!

Man kann es sogar noch weiter treiben und die P80FW Booster an die Ariane 5 montieren. Auch hier beeinflussen sie durch ihre kürzere Brennzeit nicht die Spitzenbeschleunigung, zum Ende der Brennzeit der EAP. Es resultiert folgende Nutzlast:

Träger Nutzlast GTO Einzelstart
Ariane 5 ECA + 2 P80 FW 12.200 kg
Ariane 5 ECB + 2 P80 FW 13.450 kg
Ariane 5 ECA + 4 P80 FW 14.200 kg
Ariane 5 ECB + 4 P80 FW 15.600 kg

Wie man leicht sieht, kommt nun die ESC-A schon mit zwei P80FW Boostern auf die Nutzlast der ESC-B Version. Also dies macht diese 1,5 Milliarden Euro teure Entwicklung überflüssig. Noch bedeutungsvoller: Man gewinnt wieder Flexibilität bei der Ariane 5: Hat man zwei schwere Satelliten, welche die Booster erforderlich machen, so montiert man sie dran, wenn nicht lässt man sie weg. Auch hier sinken die Produktionskosten durch höhere Produktion. Bei zwei Boostern gibt es zudem die Möglichkeit sie erst in der Luft zu zünden, etwa 2-3 s nach dem Abheben, so wie dies auch bei den Ariane 3 Boostern der Fall ist – man braucht keine neue Startrampe.

One thought on “Immer das alte Spiel

  1. Vielen Dank Bernd, für diese aus Sicht des Steuerzahlers sehr sinnvollen Vorschläge. Bei der Ariane-V Standardversion würde sich die Nutzlast allerdings etwas reduzieren, wenn man an der Hauptstufe die Möglichkeit zur Montage der zusätzlichen Booster vorsieht. Die zusätzliche Struktur muss ja auch dann mitgeschleppt werden, wenn keine Booster dran sind. Da reden wir aber wahrscheinlich über höchstens 500 kg Masse für die Hauptstufe, die die Nutzlast für GTO um weniger als 100 kg senken sollten.

    Aus der Sicht der Hersteller, die teure Aufträge wollen, ist das natürlich nicht sinnvoll. Und den Ingenieuren macht es garantiert mehr Spaß, neue Triebwerke zu entwickeln, als einfach nur Booster anzuflanschen.

    Bei den Kosten übrigens auch an die jeweiligen Launcher Integration Buildings denken: Wenn da kein Platz für die zusätzlichen Booster ist, dann wird es natürlich wieder teuer, weil neue Gebäude errichtet werden müssen, oder die bestehenden aufwändig umgebaut werden müssen.

    Kai

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