Bernd Leitenbergers Blog

Nicht bemannte, nicht unbemannte Raumfahrt, sondern die Raumfahrt der Vernunft

In den letzten beiden Tagen kamen zwei bemerkenswerte Dokumentationen zum Thema bemannte Raumfahrt: „Wissen aktuell: Mission Weltraum“ auf 3sat und „Kein Mensch mehr im All“. Die erste drehte sich um die Zukunft der bemannten Raumfahrt nach dem Ausmustern des Shuttles und die zweite um den Sinn der bemannten Raumfahrt selbst. Die letztere ist recht gut gemacht und es kommen Astronauten wie Kritiker zu Wort. Dabei gefielt mir als bestes, wie ein Astronaut stolz erzählte, er habe bei einem Proteinzüchtungsexperiment 99,8% Reinheit erreicht, als ihn ein Wissenschaftler daraufhin wies „Auf der Erde erreichen wir derzeit 99,99% Reinheit“….

Zeit also das Thema doch mal wieder aufzugreifen. Bei den Befürwortern der Bemannten Raumfahrt werde ich ja gerne als „Gegner der bemannten Raumfahrt“ bezeichnet. wer den Blog aufmerksam liest, dem dürfte klar sein, dass es mir nicht um bemannte oder unbemannte Raumfahrt geht, sondern darum wenn Raumfahrt schon teuer ist, die Mittel sinnvoll einzusetzen. So habe ich schon etliche Vorschläge für Alternativen zu Ariane 6 / Sojus STK oder für die Kostenbegrenzung bei Satelliten / Raumsonden (Stichpunkt: Serienbauweise, anstatt jedes Gefährt neu zu entwickeln) machte und ich bin auch gegen manches unbemannte Projekt wie das JWST oder die ESC-B – zumindest bei dem Preisschild das da draufklebt. Schlussendlich gibt es ja nur einen Topf für die Forschung und wenn ich an die Universitäten denke und mit welchen Budgets dort geforscht wird, dann ist schon unbemannte Raumfahrt um ein vielfaches teurer als was wir pro Forscher so auf der Erde ausgeben.

Was relativ unstrittig ist, ist das für die Forschung man keine bemannte Raumfahrt betrieben muss. Sicher wird man immer das eine oder andere Experiment finden, dass an Bord der ISS durchgeführt wird. Doch muss man dann den Erkenntnisgewinn gegen die Kosten aufwiegen, oder um ein Beispiel eines Astronauten zu nehmen: Wenn ein Forschungsergebnis der ISS-Forschung von Flammen es ist Brennkammern effizienter zu konstruieren, dann könnte man für die rund 3-4 Milliarden Euro die die Station nur ESA und NASA jedes Jahr nur an Unterhaltskosten kostet jede Menge alternative Energien auf der Erde erforschen, die sicher uns mehr nützen würden.

Bleibt noch der „sportliche Nutzen“, wie Nobelpreisträger Steven Weinberg es beschreibt: Es ist dasselbe wie wenn man einen Berg besteigt, eine sicher beeindruckende Leistung aber weder eine die uns inspiriert, noch der Forschung nützt. Ja und da hat er recht. Astronauten beim Schweben zuzuschauen oder die Bilder von Weltraumspaziergängen anzuschauen hat schon so was wie wenn man die Wiederholung eines Tors ansieht, da ist man schon beeindruckt von der Leistung, aber inspiriert, zum Träumen angeregt werde ich eher von Aufnahmen der Raumsonden und Satelliten. Wie es wohl auf dem Titan aussehen wird, wie mag es sein durch die Saturnringe zu schweben – das alles sind Dinge auf die ich bei den Bildern komme. Das hebt bei mir aber nicht die Begeisterung für bemannte Raumfahrt – das Menschen nun dorthin müssen, sondern das ich mehr dieser Bilder sehen möchte und dazu einen Roboter hinschicken will.

Warum wirklich bemannte Raumfahrt betrieben wird ist doch eigentlich jedem klar: Es ist Großmachtgehabe. Die USA und Russland weil sie sich als Weltraummächte positionieren müssen. Das es nicht um bemannte Raumfahrt selbst geht, sondern nur darum die eigenen Astronauten im All zu haben, dass sieht man ja auch daran, dass ein Antriebspunkt für CCDev der ist, dass man nun auf die Sojus angewiesen ist und das am nationalen Ehrgefühl zehrt. Genauso gut hätte man ja auch die Versorgung mit ATV und HTV gewährleisten können anstatt zwei neue Systeme zu entwickeln. Aber dann wäre man ja auch noch von ESA und JAXA abhängig. Dasselbe findet man in grün bei den Raketenstarts. Ja da jammert man dass ELV und OSC so teuer geworden sind, aber dass man US-Satelliten auf europäischen oder russischen Trägern startet ,kommt ja nicht in die Tüte.

Das nun China, obwohl es bisher kaum ein wissenschaftliches Weltraumprogramm hat gleich an ein bemanntes Weltraumprogramm geht ist genauso nachvollziehbar. Damit kann man die eigenen Landsleute beeindrucken.

Unverständlich ist dann, warum es dann noch Befürworter der bemannten Raumfahrt wie Messerschmidt, der auch in der ersten Doku kam, dann plädieren, das Europa da auch einsteigen sollte, einem ATV mit einer Rückkehrkapsel auszustatten – die Technologie braucht man, wenn man bemannt Raumfahrt betreiben will. Das leitet mich zu einem weiteren Punkt über. Bemannte Raumfahrt ist dafür bekannt neue Kosten zu verursachen. Nehmen wir das aus dem ATV entwickelte Crew Vehikle. Es kostet dann natürlich zusätzlich zum ATV. Da nach wie vor Russen und Amis ihre Astronauten selbst befördern wollen, braucht man um es überhaupt auszunutzen (für den nach den Vereinbarungen alle 2 Jahre für 6 Monate zustehenden ESA Astronauten braucht man ja kein eigenes Vehikel) kann braucht man dann eine eigene Raumstation und die verursacht dann weitere Kosten.

Genauso wird man spätestens wenn CCDev ansteht feststellen, dass man die ISS für die nun 10 Astronauten zu klein ist und wahrscheinlich auch einiges ausgewechselt werden muss. Kurzum – eine Investition macht eine neue notwendig.

Da – und das scheint eine bemannte Spezialität der bemannten Raumfahrt zu sein, Wissen verloren geht, wenn man sie nicht betreibt ist der Einstieg dann also praktisch gleichbedeutend, dass man dauerhaft Milliarden dafür aufwenden muss. So kann ich nur die Aussagen von Messerschmidt und dem Leiter des Johnson Space Centers interpretieren. Beide sagen man muss die Leute weiter beschäftigen um das Wissen zu erhalten. Denn wie Messerschmidt ja weiß, hat Europa schon eine Kapsel entwickelt – den ARD und wenn man nun nach 14 Jahren das nicht mehr weis, und sich das ganze neu aneignen muss, dann ist das traurig. Und der Leiter des Johnson Space Centers sprach von dem Wissensverlust, wenn begabte Techniker nichts mehr zu tun haben weil kein anderes Programm läuft und dann in andere Industrien abwandern.

Bei der unbemannten Raumfahrt ist es anders. 1986 startete Halley und 2004 Rosetta. Trotz den 18 Jahren dazwischen hat die ESA es nicht verlernt Raumsonden zu Kometen zu bauen.

Nun wird man sicher nicht Russland, China und die USA von ihrem Großmachtstreben abbringen. Doch müssen wir Europäer alles nachmachen? Sollte es nicht unsere Aufgabe sein, die besten Raumsonden und Satelliten zu bauen, mit sauber konstruierten Raketen die Position von Ariane zu halten? Das ist so vergleichbar wie mit dem Ruf Deutschlands als Exportweltmeister. Wir brauen zwar nicht die größten Autos aber wir exportieren mehr als die USA. Deutschland ist bekannt durch ausgeklügelte Maschinen und gute Produkte. Dasselbe könnte die ESA auf dem Gebiet der Raumfahrt sein. Bei den Raketen ist es ja schon so, dass die USA bei den Trägerraketen kommerziell keine role mehr spielen, genauso wie sie in anderen Gebieten den Anschluss verloren haben.

Ich glaube sogar dass unbemannte Missionen viel mehr Menschen inspirieren sich für Technik zu interessieren und vielleicht einen Berufsweg in dieser Richtung einzuschlagen. Welche Chance habe ich Astronaut zu werden? Es gibt vielleicht ein Dutzend Esa Astronauten aus rund 450 Millionen Einwohnern. Die Chancen sind gering, und wenn sie nicht 100% körperlich fit sind, dann scheitert es ja schon am Anfang. Dagegen dürften über 100.000 Personen in der europäischen Raumfahrtindustrie arbeiten, viele Tausende an Experimenten für die Raumsonden und Satelliten. Jeder hat hier eine reelle Chance wirklich seinen Traum an einem Raumfahrtprojekt mitzuarbeiten umsetzen. Um also mehr Leute für technische Studienfächer zu interessieren (und es werden ja auch viele nicht in der L&R Industrie landen sondern in nahegelegenen Feldern wie Maschinenbau, Computertechnik etc.). So gesehen wäre die Förderung der unbemannten Raumfahrt also viel sinnvoller als die der bemannten, zumal diese ja nicht permanent in der Existenz hinterfragt wird.

Ich bin mir sicher, das Curiosity, eine relativ teure Raumsonde, die weniger kostet als ein Jahr ISS Betrieb viel mehr Personen für Raumfahrt interessiert als der Betrieb der ISS und ihre Medienpräsenz.

Man könnte den Spieß ja umdrehen: bemannte Raumfahrt ist ein Relikt des kalten Krieges, wer sie heute noch betreibt beweist eher dass er nicht den Anschluss an die Zeit gehalten hat. Es ist Angeberei, dem keine Substanz dahinter steht. Das sind die Klassenclowns, die immer auffallen müssen, aber die letzten in der Klasse sind, während die echten Spitzen ruhig und stil sind, damit sie nichts verpassen.

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