Wie sich vielleicht der eine oder andere erinnert, klappte bei Galileo nicht das Entfalten der Hauptantenne. Galileo setzte wie die erste TDRS-Generation eine Antenne bestehend aus CFK-Streben und einem Drahtgeflecht ein. Die Technologie dafür war damals ganz neu, vom Satelliten ATS-6 erprobt worden (dort sogar mit einer 9,14 m großen Antenne, einem Rekord, der bis heute nicht überboten wurde) und sie sparte Platz beim Transport und Gewicht. Die Antennen von TDRS wogen nur 24 kg.
Doch da Galileo wegen des verschobenen Starts mehrmals mit dem Truck zum JPL und Kennedy Space Center transportiert wurde muss bei einer der streben Schmieröl ausgetreten sein, denn sie lies sich nicht entfalten und die Antenne blieb halb geöffnet und war so nutzlos. Der Rest ist bekannt – Galileo konnte über die Niedriggewinnantenne nur mit 10-40 Bit/s kommunizieren und trotz Einführung der JPEG Komprimierung gab es nur wenige Bilder. Andere Experimente mussten komplette entfallen, wie die Plasmauntersuchungen die genauso viel Daten lieferten, die man aber nicht JPEG-Komprimieren konnte.
Die entfaltbaren Antennen wurden nie wieder eingesetzt. Offen ist ob dies an diesem Vorfall lag (er hat ja mit der Konstruktion an sich nichts zu tun) oder eher daran, das es heute mit CFK-Werkstpoffen möglich ist ähnlich große Antennen ohne Streben genauso leicht zu fertigen. Damit entfällt das Entfalten als riskanter Vorgang und die Oberflächengenauigkeit (wichtig beim Übergang in höhere Frequenzbänder) ist höher. Auch die aktuellen TDRS Satelliten haben Antennen mit 4,8 m Durchmesser, aber sie sind aus einem Stück.
Damals gab es auch das Angebot Russlands, einen Telekommunikationsorbiter nach zu starten, also einen Satelliten der die Signale Galileos empfängt und zur Erde sendet. Ich will heute mal untersuchen wie praktikabel dies ist.
Fangen wir mit einer Zeitabschätzung an. Entdeckt wurde das Problem mit der Antenne am 11.4.1991. Galileo sollte am 5.12.1995 in den Orbit einschwenken. Das lässt also viereinhalb Jahre Zeit. Allerdings geht davon die Reisezeit eines Orbiters ab. Sie beträgt maximal 27 Monate, es geht auch schneller, aber auf Kosten der Nutzlast – man braucht eine höhere Startgeschwindigkeit und mehr Treibstoff zum Erreichen des Orbits. Eine Verkürzung auf 19 bis 21 Monate wie bei Pioneer und Voyager wäre bei Einbußen auf der Nutzlast noch praktikabel.
Das lässt gerade mal zwei Jahre für die Durchführung. Das ist verdammt knapp.
Fangen wir zuerst mal an die Optionen hinsichtlich der Nutzlast abzuklappern. Ein Start mit dem Shuttle scheidet aus. Ohne geeignete Oberstufe hätte man einen Kurs wie Galileo einschlagen müssen, also viel zu spät ankommen. Ein direkter Flug erfordert eine Startgeschwindigkeit von mindestens 14150 m/s.
Die neue Titan 4 hätte in der 401 Konfiguration (mit Centaur Oberstufe) 1.450 kg zum Jupiter befördern können. Hätte man wie bei Voyager und Pioneer 10+11 sie mit einer weiteren Oberstufe ausgerüstet (hier: PAM-D mit dem Star 48B Antrieb) dann steigt sie auf 1.870 kg.
Russland bot auch eine Proton an. Die damalige Proton DM-2 wäre aber ohne Oberstufe nicht fähig gewesen eine Nutzlast zum Jupiter zu befördern. Mit einer PAM-D wären es 1.250 kg gewesen, mit einer Kombination von PAM-D und Star 37 steigt sie auf 1.440 kg. Sie wäre zumindest schneller verfügbar gewesen. Eine Titan hatte eine Bauzeit von 30 Monaten.
Damit haben wir eine Abschätzung wie schwer die Raumsonde sein darf: irgend etwas zwischen 1.250 und 1.870 kg. Galileo wog beim Start ohne Atmosphärensonde 1.884 kg und davon waren 962 kg Treibstoff. Davon gehen dann noch 118 kg Experimente ab. Auch der Treibstoffvorrat kann kleiner sein, denn es entfallen zahlreiche Kurskorrekturen während des Flugs zum Jupiter und das Orbit Deflektion Manöver. Für diese Manöver wurden alleine 360 kg verbraucht. Ursprünglich, vor der Änderung der Missionsplanung, sollte Galileo 850 kg Treibstoff mitführen. Schon wenn man nur dies berücksichtigt sinkt die Startmasse auf 1.772 kg. Damit wäre ein Nachbau von Galileo mit einer Titan 401 / PAM-D direkt zum Jupiter entsendbar gewesen.
Das wäre wohl die beste Lösung gewesen, würde man über ein entsprechendes Reserveexemplar verfügen. Das ist normalerweise gegeben, es wird neben dem Flugexemplar immer ein Ingenieursexemplar gebaut. Manchmal fliegen diese auch in den Orbit (wie Meteosat P2 oder teilweise bei Cluster). In diesem Fall hätte die original Galileo nur die Atmosphärensonde abgesetzt und „Galileo 2“ hätte, da sie ja komplett instrumentiert ist die Orbitmission durchgeführt.
Das zweite was möglich wäre, wäre der Verzicht auch auf die Instrumente. Da Galileo nun noch leichter ist, braucht sie auch weniger Treibstoff und käme mit 1546 kg Startmasse aus, allerdings ist dies immer noch zu hoch für die anderen Optionen und der Nutzen ist fraglich, denn nun müsste man beide Sonden parallel betreiben.
Bleibt noch ein dezidierter Kommunikationsorbiter. Die Konstruktion von Galileo ist ja sehr aufwendig gewesen. So verfügte die Sonde über einen spinnstabilsierten Teil und einen dreiachsenstabilsierten Teil, als letzte ihrer Art über einen schwenkbaren Instrumentenausleger etc. Ein Kommunikationsorbiter muss einfach nur eine Hauptantenne haben und zweimal am Tag sie drehen – einmal zur Erde hin und einmal zu Galileo.
Nimmt man als Basis einen der Kommunikationssatelliten der vorletzten Generation, wie sie damals noch in der Delta Klasse gestartet wurden, so wiegen diese rund 600 kg trocken und rund 1.200 kg beim Start. Der Geschwindigkeitsbedarf von Galileo ist mit 1612 m/s sogar kleiner als diese Satelliten vom Cape aus benötigen um in den GEO Orbit zu erreichen (1800 m/s) und dann kommen ja noch Treibstoffreserven für den Betrieb dazu. Umgekehrt braucht man mindestens einen, wenn nicht zwei GPHS Module (je 57 kg) als Stromversorgung und die HGA (24 kg). Geht man von einem Startgewicht von 738 kg trocken aus (600 kg + 2 x 57 kg + 24 kg), so kommt man bei der für die Mission nötigen Treibstoffzuladung auf eine Startmasse von 1.271 kg. Damit wäre dieser Telekommunikationsorbiter kompatibel zu jeder Startoption.
Wie würde die Mission aussehen? Nun die Raumsonde müsste Galileo wirklich nachfliegen um eine hohe Datenrate zu erreichen. Der Grund liegt in der Signalabschwächung. Zwischen Erde und Jupiter liegen je nach Stellung zwischen 630 und 780 Millionen km. Wir haben für den Empfang 70 m Antennen und selbst diese können nur 40 Bit/s empfangen wenn Galileo über die Rundstrahlantenne sendet. Will man die ursprüngliche Datenrate von 134.400 Bit/s erreichen, so muss die Telekommunikationssonde näher ran, auch weil sie keine 70 m sondern nur eine 4,7 m große Antenne hat. Eine Dreisatzberechnung ergibt rund 730.000 bis 900.000 km maximaler Abstand zu Galileo, wenn dieser Orbiter die 134.4 kbit/s erreichen soll.
Nun hat Galileo aber eine sehr langgestreckte und varibale Bahn um den Jupiter. Er entfernt sich beim ersten Orbit bis zu 20 Millionen km vom Riesenplaneten. bei den folgenden sind es dann bis zu 7 Millionen km. Für einen Kommunikationsorbiter, der nun nicht wie Galileo strahlengehärtete Elektronik hat, wird dies problematisch. Für ihn wäre es besser nach dem Einschwenken einen sicheren Orbit anzustreben, durch Vorbeiflüge an Ganymed und Kallisto einen dessen jupiternächster Punkt relativ hoch ist mindestens zwischen Europa und Ganymed, besser noch höher. Dann wäre aber Galileo bis zu mehrere Millionen km von diesem Orbiter entfernt. Bei 4 Millionen km mittlerem Abstand könnte man dann auch nur 6,8 bis 10 Kbit/s übertragen.
Das Nachfliegen der Route ist kein sehr großes Problem, denn sowohl Galileo wie auch der Kommunikationsorbiter haben Treibstoff um kleine Abweichungen zu korrigieren, sonst würde schon bei Galileo das orbitale Ballett nicht funktionieren. Doch dann müsste der Telekommunkationsorbiter genauso strahlenresistent wie Galileo sein, und das war durchaus eine große Herausforderung. Schwer denkbar, dass man dies in zwei Jahren mit einem anderen Raumfahrzeug stemmt.
Was bleibt? Meiner Ansicht nach wäre die technisch optimale Lösung gewesen, wenn man ein Reserveexemplar von Galileo gehabt hätte, dass man es mit einer PAM-D zum Jupiter schickt. Galileo 1 hätte dann die Atmosphärensonde abgeworfen und deren Daten übertragen. Mehr hätte diese Sonde nicht leisten müssen. Sofern ein zweites Exemplar verfügbar gewesen wäre, wäre dies ein praktikabler und finanzierbarer Weg gewesen. Alles andere wäre wohl extrem aufwendig oder im Zeitrahmen unmöglich gewesen. Dann wäre man auch zeitlich entkoppelt gewesen von Galileo 1. Man hätte es starten können, wenn man fertig wäre, denn es hätte „Galileo 1“ ersetzt und wäre nicht ihm hinterher geflogen.
So ist es nicht verwunderlich, dass die NASA keinen Telekommunikationsorbiter Galileo nachschickte. Unverständlich ist allerdings, warum sie nicht die Optionen des Nachbaus untersuchte.