Bernd Leitenbergers Blog

Navigation von Raumsonden – Teil 1

So, die Idee für den heutigen Blog habe ich von einem Kommentar den es letzte Woche gab, wo sich der Autor über die Genauigkeit der Navigation erstaunt äußerte. Das hat mich zu einem zweiteilligen Artikel über die Navigation von Raumsonden inspiriert. Der zweite Teil folgt dann morgen.

Laien staunen immer wieder über die Genauigkeit, mit der Raumsonden gesteuert werden. Diese Tatsache wird auch vom JPL gerne dramatisch dargestellt. So wirkt sich eine Abweichung bei Voyager 2 von 1 km bei Uranus eine um 14.000 km verschobene Passagedistanz bei Neptun. Andere gerne benutzte Vergleiche sind der Golfball, der über 300 m geschlagen genau das Loch trifft. Nur dieser Vergleich ist falsch.

Fangen wir zuerst einmal mit einer historischen Betrachtung an. In den Anfangszeiten der Raumfahrt hatten die Raumsonden noch keine Triebwerke zur Änderung der Umlaufbahn. Da die Raketen damals noch größere Fehler im Einschuss auf die Zielbahn aufwiesen, waren sehr große Passagedistanzen normal. Hier eine Liste von Abweichungen:

Name Startdatum Abweichung Bemerkung
Luna 1 2,1,1959 5.955 km Aufschlag auf dem Mond geplant.
Pioneer 4 3.3.1959 26.545 km Passage des Mondes in 32.000 km Entfernung geplant. Zu hohe Startgeschwindigkeit führt zu 3 Stunden früherer Passage.
Ranger 3 26.1.1962 38.000 km Mondaufschlag geplant. Die zu hohe Startgeschwindigkeit überfordert die Korrekturtriebwerke.
Luna 4 2.4.1963 833,5 km Weiche Mondlandung geplant

Bei den ersten Mondsonden gab es noch keine Möglichkeit den Kurs zu korrigieren. Der Mond scheint einfach zu treffen, ist er doch nur 384.400 km von der Erde entfernt und in 2-3 Tagen erreichbar, doch er bewegt sich mit 1 km/s. Was bei allen Betrachtungen wichtig ist, ist, dass eine Geschwindigkeitsveränderung die Bahn beeinflusst. Nehmen wir mal den Fall von Ranger 3. Sie hatte zwar Treibstoff zum Korrigieren des Kurses doch er reicht nicht aus, um die Abweichung von 53 m/s die die Sonde beim Start zu schnell war, ausgleichen. Diese 53 m/s bewirkten, dass die Raumsonde rund 10 Stunden früher den Mond erreichte und er noch 38.000 km von der Zielposition entfernt war. Beginnend mit den ersten Raumsonden zu Venus und Mars, wo diese Abweichung aufgrund der langen Flugzeiten von Monaten noch viel größer ist, zogen Triebwerke ein, mit denen der Kurs korrigiert werden konnte. Doch dazu musste man wissen, wo sich die Sonde befindet. Sehr bald kam man darauf, die Funksignale der Sonde selbst zu verwenden. Die ersten beiden Mondsonden setzte dazu noch eine Wolke aus Salz aus, dass ionisiert wurde, leuchtete und dies wurde von der Erde aus beobachtet.

Der folgende Text ist ein Auszug aus meinem Buch Curiosity und Phobos Grunt und ich will mich auf im Folgenden auf dieses Beispiel beziehen.

Ein Instrument, das auf einer Raumsonde immer vorhanden ist, ist ihr Kommunikationssystem. Es kann neben der Datenübertragung auch für Messungen benutzt werden. Dabei werden verschiedene Phänomene ausgenutzt, etwa der Dopplereffekt. Sendet eine Raumsonde ein Signal aus und bewegt sie sich auf den Empfänger zu, so wird die Frequenz des Signals höher. Entfernt sie sich vom Empfänger, so nimmt die Frequenz ab. Dieses Phänomen ist als Dopplereffekt bekannt. Sie kennen es vielleicht, wenn ein Krankenwagen an Ihnen vorbeifährt: Wenn er auf Sie zukommt, klingt sein Horn heller, als wenn er sich von Ihnen entfernt.

Diese Dopplerverschiebung kann man messen. Sie ist ein Maß für die relative Geschwindigkeit der Raumsonde zum Empfänger. Ergänzt wird es durch Messungen des Abstands. Dafür sendet die Station auf der Erde ein Signal zur Sonde, in das ein Zeitcode eingebettet ist. Diese sendet das Signal auf einer abgeleiteten Frequenz (erreicht durch Multiplizieren der Empfangsfrequenz) zurück. Wenn das Signal dann empfangen wird, wird die Laufzeit bestimmt. Da diese vom Abstand der Raumsonde von der Station abhängt, ist so die Entfernung genau bestimmbar.

Der Dopplereffekt informiert zuerst einmal nur über die relative Geschwindigkeit der Sonde zur Empfangsstation. Doch diese hängt nicht nur von der Geschwindigkeit der Raumsonde ab. So bewegt sich der Mars relativ zur Erde, und die Erde (und damit die Empfangsstation), dreht sich um ihre eigene Achse. Zieht man diese bekannten Geschwindigkeiten ab, so hat man die Geschwindigkeit der Sonde um den Planet, bzw. auf ihrem Flug zum Planet. Um die Fehler zu reduzieren und die Bahn genauer zu bestimmen, kombiniert man mehrere Bestimmungen über einige Tage. Dadurch kann auch die Bahn genauer bestimmt werden, da aufgrund der Bahngesetze sich die Geschwindigkeit auf einer elliptischen Umlaufbahn laufend ändert. Die Abnahme korrespondiert mit den Bahnparametern. So weiß man auf dem Flug zum Mars nicht nur, wo die Raumsonde gerade ist. Man kann auch berechnen, wann und wo sie den Mars erreicht. Wenn sie den Mars umkreist, so kann man Veränderungen ihrer Bahn bestimmen. Diese können durch Störeinflüsse wie die Atmosphäre oder lokal unterschiedlich starke Gravitationsfelder entstehen und liefern so weitere Erkenntnisse über das Himmelsobjekt.

Wenn eine Raumsonde an einem Himmelskörper vorbeifliegt, so beeinflusst dieser durch seine Gravitation ihre Bahn. Auch hier ist die Geschwindigkeitsänderung als Dopplerverschiebung messbar. Auf dieser Grundlage kann die Masse des Himmelskörpers bestimmt werden. Wenn dies mehrmals erfolgt, kann sogar auf seinen inneren Aufbau geschlossen werden, d.h. wie ist die Masse verteilt gibt es einen dichten Kern oder ist die Dichte überall gleich?

Steigerbar ist die Genauigkeit über das delta-DOR (delta Differential One-way Range) Verfahren. Dafür wird die Raumsonde mit zwei Antennen verfolgt, die idealerweise eine möglichst große Entfernung zueinander aufweisen. Wird nun das Signal von beiden Stationen empfangen, so kann man die Zeitdifferenz bilden. Dies ähnelt der Art, wie wir mit unseren Augen sehen. Dadurch, dass wir zwei Augen haben, können wir Entfernungen wahrnehmen, weil wir ein Objekt aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln sehen. Hier ersetzt die Zeitdifferenz den Blickwinkel. Was einfach klingt, ist allerdings sehr aufwendig. Denn damit es wirklich genau wird, muss die Bewegung beider Bodenstationen relativ zur Raumsonde herausgerechnet werden. Die Erde dreht sich aber in 24 Stunden und bewegt sich innerhalb eines Jahres um die Sonne. Da die Erdachse noch dazu zur Bahnebene geneigt ist, ist die relative Bewegung der Erdoberfläche durchaus eine komplexe Größe. Weiterhin müssen beide Stationen auch eine gemeinsame, sehr präzise Zeitreferenz haben, schließlich verändert sich die Distanz zur Sonde laufend. Dazu nimmt man Quasare als punktförmige Signalquelle als Referenz ihr Signal wird durch dieselben Einflüsse verändert und so können diese bestimmt werden.

Delta-DOR liefert den genauen Winkel der Raumsonde zur Bodenstation und damit mehr Informationen über die Position der Sonde. Die Genauigkeit liegt bei 5-10 x 10-9 der Distanz, also bei 1-2 km bei 200 Millionen km Entfernung.

Die Raumsonde selbst benötigt für alle Verfahren nur eine kleine Erweiterung des Senders, einen ultrastabilen Oszillator (USO). Dies ist ein Gerät, das eine Frequenz erzeugt. Da die Abweichung der Empfangsfrequenz von der Sendefrequenz bestimmt wird, ist es wichtig, dass diese sehr stabil ist und es an ihr keine oder nur sehr geringe Veränderungen durch Umgebungseinflüsse wie Temperaturschwankungen gibt. Verwendet werden zu diesem Zweck Quarzkristalle, die eine charakteristische Resonanzfrequenz haben, welche weitgehend unabhängig von äußeren Einflüssen ist. Eine derartige Erweiterung des Sendesystems ist bei US-Raumsonden seit Voyager Standard. Ein USO wiegt typischerweise nur 1-2 kg und verbraucht wenige Watt Leistung.

Beim Mars wurde durch die Vermessung der Radiosignale der Viking Orbiter beim Vorbeiflug die Masse und Dichte von Phobos und Deimos bestimmt. Die Werte des Mars waren schon vorher aufgrund der Umlaufbahnen der Monde bekannt.

Eine weitere Nutzung der Funkverbindung liegt im Durchleuchten der Atmosphäre. Passiert eine Raumsonde (von der Erde aus gesehen) diese, so durchquert das Signal ihre Luftschichten und wird dabei abhängig vom Atmosphärendruck, ihrer Temperatur und Zusammensetzung sowie der verwendeten Funkfrequenz abgeschwächt. So absorbieren im K-Band, das heute mehr und mehr genutzt wird, zahlreiche Gase Radiowellen. Das ist auch ein Grund, warum der Einsatz dieses neuen Frequenzbandes bei Raumsonden so zögerlich voranschreitet. So absorbieren schon geringe Spuren von Wasserdampf effektiv die Signale, sodass die Verfügbarkeit des Bandes viel geringer als beim X-Band ist.

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