Bernd Leitenbergers Blog

Navigation von Raumsonden – Teil 2

So, die Idee für den heutigen Blog habe ich von einem Kommentar den es letzte Woche gab, wo sich der Autor über die Genauigkeit der Navigation erstaunt äußerte. Das hat mich zu einem zweiteilligen Artikel über die Navigation von Raumsonden inspiriert. Der erste Teil kam schon gestern raus.

Alleine durch die Vermessung des Funksignals kann man also feststellen, wo sich die Raumsonde befindet. Innerhalb der sechziger Jahre machte die Technik enorme Fortschritte. Lag die Unsicherheit der Raumsondenposition bei einem Mars oder Venusvorbeiflug 1960 noch bei rund über 10.000 km, so war es ein Jahrzehnt später rund 1000 km. Dadurch sank die Vorbeiflugdistanz auch ab. Bei Mariner 2 waren es noch 35.000 km und bei Mariner 6+7 nur noch 3.500 km. Da man nicht riskieren will, dass die Raumsonde auf den Planet aufschlägt, musste man einen Sicherheitsabstand der mindestens so hoch, wie die Unsicherheit in der Position war, einhalten. Weitere Verbesserungen waren abzusehen, was erst das flapsig als planetarisches Billard bezeichnete Swing-By ermöglichte.

Denn dies ist der Schlüssel für den Erfolg. Man kann nach dem Start die Position bestimmen und durch einige Messungen von Position und Geschwindigkeit, die genaue Umlaufbahn. Dadurch ist berechenbar, wo die Raumsonde den Planet passiert und man kann ermitteln, wie man den Kurs korrigieren muss, um den Zielpunkt für den Flug zum nächsten Planet zu treffen. Der erste Einsatz war bei Mariner 10. Bei Mariner 10 bewirkte eine Abweichung der Bahn um 3 km vom errechneten Zielpunkt bei der Venus, dass die Sonde 1 m/s an Geschwindigkeit selbst nachkorrigieren musste. Gleichzeitig bedeutete dies eine Abweichung von 30.000 km bei Merkur. Vor dem Venusvorbeiflug hatte die Sonde noch für eine Geschwindigkeitsänderung über 100 m/s Treibstoff. Die Sonde verfehlte den idealen Punkt um 20 km. Diese Leistung nach 215 Millionen km Flugstrecke verglich das JPL mit den Missionskosten: Wäre diese genauso präzise eingehalten worden, so wäre das Budget bis auf 10 Dollar genau eingehalten worden. Heute kann man durch Bahnvermessung und kleinere Korrekturen eine noch höhere Genauigkeit erreichen. Beim zweiten Galileo Vorbeiflug an der Erde lag die Abweichung bei unter 1 km.

Beide Maßnahmen zusammen machen den Erfolg des planetaren Billards aus. Ohne präzise Ortskenntnis kann man den Kurs nicht korrigieren und ohne diese Möglichkeit ist die Abweichung auch bei der heute höheren Genauigkeit beim Einschuss in die initiale Flugbahn nicht ausreichend genug. Als Beispiel für das erste sollen die Kurskorrekturen von Curiosity dienen, auch hier ein Auszug aus obigem Buch:

Bei Curiosity beförderte die Atlas die Raumsonde so genau in die geplante Umlaufbahn, dass das erste Kurskorrekturmanöver verschoben werden konnte. Curiosity sollte eine Bahn erreichen, die den Mars um 56.400 km verfehlt, damit die Centaur nicht auf der Marsoberfläche aufschlägt. Der reale Kurs führte das Gespann auf 61.200 km an den Mars heran. Die Centaur wird diesen Kurs auch weiterhin behalten und in dieser Entfernung den Mars passieren. Erst am 12.01.2012 fand die Kurskorrektur statt. Sie gestaltete sich wegen der Rotation der Sonde mit 2 U/min sehr komplex. So wurden die Triebwerke nur 5 Sekunden lang gezündet, weil sie danach durch die Rotation in die falsche Richtung zeigen. 200 kleine Schubimpulse mit 19 Minuten Gesamtzeit wurden über drei Stunden abgegeben. Dabei wurde zuerst die Raumsonde in ihre Flugrichtung beschleunigt. Danach zündeten die Triebwerke auf der Seite, um die Raumsonde quer zum Flugpfad zu verschieben.

Curiosity wird nun 14 Stunden früher den Mars erreichen und 40.000 km näher an den Mars herankommen. Dies war das Korrekturmanöver mit der größten Geschwindigkeitsänderung. Sie betrug 7,5 m/s.

Am 26.3.2012 fand TCM-2 statt. Hier waren nur noch 60 Impulse in einem Abstand von 10 s nötig. TCM-2 verschob den Flugpfad um weitere 5000 km und verkürzte die Ankunftszeit um 20 Minuten. TCM-2 beschleunigte die Sonde um 1 m/s. Nun erreicht MSL in jedem Falle den Mars, allerdings noch nicht das geplante Landegebiet.

TCM-3 fand am 27.6.2012 statt. Es gab es nur noch 4 Zündungen mit insgesamt 40 s Gesamtdauer. Der Eintrittspunkt wurde um 200 km in Richtung Gal-Krater verschoben und die Ankunft verkürzte sich um 70 Sekunden. Die Raumsonde wurde bei diesem Manöver nur noch 0,05 m/s schneller. Die restlichen TCM werden den Kurs nur noch marginal verändern, oder können ganz entfallen. Nach TCM-3 wurde erwogen, die Landeellipse um weitere 7 km zu den Bergen hin zu verschieben.

Am 29.7.2012 fand dann TCM-4 statt. Der Landepunkt hatte sich nach Vermessungen der Bahn um etwa 21 km vom Zielpunkt verschoben und man fand die Abweichung zu groß und verschob mit diesem kurzen Manöver den Zielpunkt um diese 21 km. Dazu mussten die Triebwerke nur 7 s lang gezündet werden, was die Geschwindigkeit nur um 0,01 m/s veränderte. Es war das letzte geplante TCM. Nur wenn eine gravierende Abweichung festgestellt wird, würde man in den letzten 48 s den Kurs nochmals ändern. Doch dem war nicht so und so wurde am 3.8 das letzte, optionale, TCM abgesagt.

Manöver Datum Geschwindigkeitsänderung Kursänderung
TCM-1 12.1.2012 7,5 m/s 40.000 km
TCM-2 26.3.2012 1 m/s 5.000 km
TCM-3 27.6.2012 0,05 m/s 200 km
TCM-4 29.7.2012 0,01 m/s 21 km

Sehr deutlich wird, dass die Kurskorrekturen immer kleiner werden und die entsprechende Kursänderung auch. Bei Curiosity war ein Missionsziel eine Punktlandung in einer Ellipse von 20 x 10 km. Schlussendlich landete die Raumsonde auch nur 2,2 km vom Zielpunkt entfernt. Dies war genauer als bei jeder Mission zuvor.

Als zweites Beispiel soll die Mission on New Horizons dienen. Ohne Korrekturen wäre diese nicht möglich. Auch hier gelangte die letzte Stufe, hier ein Star-48B Feststoffantrieb auf dieselbe Bahn wie die Sonde. Diese wurde nach dem Start bei der ersten Kurskorrektur um 18 m/s beschleunigt, dies bewirkte eine Abweichung von 400.000 km bei Jupiter. Bei Pluto sind dies dann schon 200 Millionen km.

Während New Horizons, Voyager 1+2 und Mariner 10 nur Swing-By Manöver durchführten, sind heute eher komplexere Manöver üblich. Galileo, Cassini, Messenger und Rosetta müssen mehrere Vorbeiflüge an Venus, Erde und Merkur durchführen, um ihre Ziele zu erreichen. Das die Planeten genau so stehen, dass dies ohne größere Korrekturen möglich ist, ist nur der selten oder nie der Fall. Daher haben sie große Treibstoffvorräte an Bord, um Mitkurskorrekturen durchzuführen, das heißt die Bahn so zu verschieben, dass man den Zielkorridor erreicht, auch wenn ohne diese Korrekturen man den Planet nur in einigen Millionen km Entfernung passieren würde. Bei Galileo wurden dafür 321 kg Treibstoff verbraucht, fast genauso viel, wie benötigt wurde, um in den Orbit einzuschwenken (338 kg).

In der Summe ist der Vergleich mit dem Golfabschlag falsch. Nicht nur, weil anders als bei Golf, alle einwirkenden Kräfte berechenbar sind, während Wind, Luftwiderstand und andere Einflüsse beim Golfball nicht vollständig simulierbar sind. Vor allem aber wäre die Präzision ohne Kurskorrekturen nicht möglich. Bei New Horizons sind es 400.000 km Abweichung ohne Korrekturen über eine Strecke von rund 630 Millionen km. Übertragen auf eine 300-m-Strecke beim Golf würde man ohne die Korrekturen auch das Loch nicht genau treffen, sondern 20 cm daneben landen. Ich denke, wenn man Golf im Vakuum spielen würde, ein Roboter den Schlag genau dosieren würde, dann wäre dies auch bei Golf möglich, denn das ist der Unterschied. Eine Raketenstufe kann heute die Zielgeschwindigkeit auf wenige Meter pro Sekunde erreichen und auch den Zielkurs mit hoher Präzision. Doch dies alleine reicht eben nicht aus, reduziert aber den für Kurskorrekturen benötigten Treibstoffvorrat.

Die Navigation ist heute so genau, das bei Vorbeiflügen an Kometen und Planetoiden oder kleineren Monden ein anderes Problem die Genauigkeit limitiert: Die Kenntnis der genauen Position. Diese wird dann beim Anflug von der Raumsonde selbst festgestellt indem sie schon Wochen vorher aufnahmen macht, die Aufnahmen und erdgebundene Aufnahmen sofern möglich vermessen werden und dann kur vor dem Vorbeiflug noch letzte Kurskorrekturen durchgeführt wurden. Erstmals wurde diese Technik bei der Mission von Giotto eingesetzt. Hier assistierten die sowjetischen VeGa Sonden die Halley vorher passierten. Ohne diese Hilfe wäre die Bahn nur auf 100 x 370 km genau bekannt und die Position des Kerns, durch die ihn umgebende Staub und Gaswolke sogar nur auf 1.000 km. Bei einer Passage in maximal 500 km Entfernung ist diese Unsicherheit natürlich nicht akzeptabel. Vor allem für die Kamera musste man wissen wohin man schauen musste. Vega 1+2 passierten den Kometen vier bzw. sieben Tage vor Giotto und machten Aufnahmen des Kerns. Die Auswertung reduzierte den Fehler in der Position auf 150 km nach dem Vorbeiflug von Vega 1 und 80 km nach dem Vorbeiflug von Vega 2. Das war ausreichend genau für die Planung der Mission. Auch hier gab ermöglichten zusätzliche Empfangsantennen der NASA eine VLBI Messung. Damit waren die Positionen von Vega 1+2 auf 30-50 km genau bekannt und die Genauigkeit der Positionsbestimmung konnte gesteigert werden. Ohne diese Schützenhilfe, wären nur 200 km Abweichung möglich gewesen.

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