So weiter geht es mit den Ernährungsfragen. Heute zwei aus dem Bereich Mehl und Backwaren.
Was hat es mit den Typenzahlen bei Mehl auf sich?
Die Typenzahl gibt das Gewicht der Asche an, wenn man das Mehl verascht. Sie ist damit ein Maß für den Mineralstoffgehalt. Das Getreidekorn besteht aus mehreren Schichten. Von außen nach innen sind dies die Frucht- und Samenschale, diese ist besonders reich an Ballaststoffen (rund 25%), die Aleuronschicht, die zu 32% aus hochwertigen Eiweiß entsteht, der Mehlkörper, der fast nur aus Stärke besteht und der Keimling, der zu je etwa 30% aus Fett und Eiweiß besteht.
Bei der Müllerei wird das Korn gemahlen und durch Sieben werden die Bestandteile abgetrennt, die zu grob sind. Je feiner man das Korn mahlt, desto weniger Mehl bekommt man und desto feiner ist es. So enthält Mehl mit einer niedrigen Typenzahl (Bsp: 405 für Weißbrot und Brötchen 550 für helles Brot) wenig Mineralstoffe, weil es fast nur aus dem Mehlkörper besteht und dunkles Mehl mehr der äußeren schalen, und damit mehr Eiweiß, Ballaststoffe, Mineralstoffe und Vitamine. Alle diese stecken in den äußeren Mehlschichten. Der Keimling enthält Öl, das reich an mehrfach ungesättigten Fettsäuren und fettlöslichen Vitaminen ist.
Ähnliche Typenzahlen zwischen Weizenmehl und Roggenmehl entsprechen unterschiedlichen Ausmahlungsgraden, Roggenmehl ist mineralstoffreicher. So entspricht bei Weizen der Typ 550 einem Ausmahlungsgrad von 64-71%, aber bei Roggen der Typ 815 einem Ausmahlungsgrad von 69-72%. Vollkornmehle haben keine Typenzahl. Sie entsprechen aber vom Mineralstoffgehalt her dem Typ 1700 bei Weizen und 2200 bei Roggen.
Warum benötigt man für Roggenmehl Sauerteig und kann nur aus Roggen und Weizen Brot backen?
Verantwortlich dafür, dass beim Backen das Brot nicht nur durch die von den Hefen gebildete Kohlensäure aufgeht, sondern auch diese Struktur erhalten bleibt, sind Proteine im Mehl. Nur Weizenmehl enthält Gluten, ein Protein, auch als „Weizenkleber“ bezeichnet. Ähnliche Proteine, kommen auch in anderen Getreidearten vor, wie z.B. Hafer, aber nur bei Weizenmehl ist das Gluten fähig einen elastischen, leicht knetbaren und zusammenhaltenden Teig zu bilden, der beim Backen dann eine stabile Krume bildet, welche nicht zusammenfällt.
Roggen hat diese Eigenschaft nicht von Hause aus. Hier erhält man den gleichen Effekt zum einen durch Pentosane, bestimmte Kohlenhydrate aus der Gruppe der Schleimstoffe, aber auch Eiweiße. Diese quellen aber beim normalen pH-Wert des Mehles nicht auf, sondern nur im sauren Milieu, etwa bei pH 4,2. Dazu setzt man Sauerteig an. Wenn man Hefeteig lange stehen lässt, so siedelt sich neben den Hefen eine Bakterienflora an, die unter anderem Milchsäure aber auch charakterliche Aromastoffe bildet. Der Teig muss zur Bildung von Sauerteig bis zu 15-20 Stunden ruhen.
Die natürliche Herstellung von Sauerteig verläuft folgendermaßen: Dem Sauerteig der heute zum Backen verwendet wird, wird ein Teil entnommen (Anstellsauer) und dieser mit der vielfachen Menge an Mehl und Wasser vermischt und bei 25 Grad ruhen gelassen. (Anfrischsauer). Nach einiger Zeit wird dieser Teig erneut mit dem mehrfachen an Mehl und Wasser vermischt und nun längere Zeit bei 35 Grad stehen gelassen. Es entsteht der Grundsauer. Wenn man ihn dann nochmals mit Mehl und Wasser vermischt und erneut bei 26 Grad ruhen lässt entsteht der Vollsauer, der nun am nächsten Tag für die Brotproduktion zur Verfügung steht. Er beinhaltet eine gemischte Flora aus Hefen, Essigsäure- und Milchsäurebakterien. Die Menge hat sich dabei rund verzweihundertfacht. Aus einem halben Kilo Anstellsauer erhält man 100 kg Vollsauer, der für die Produktion von mrh als 200 kg Roggenbrot ausreicht. Dann kommen Mehl, Bäckerhefe und Wasser hinzu und der endgültige Teig entsteht. Viele Bäcker scheuen diesen Prozess der 15-20 Stunden dauern kann. Sie verwenden den Anfrischsauer direkt, dieser senkt den pH-Wert soweit ab, dass die Pentosane aufquellen, die Teiglockerung wird dann durch die zugesetzten Hefen bewirkt. Bei dem Einsatz von Vollsauer, bei dem sich nicht nur Bakterien, sondern auch Hefen stark vermehrt haben, benötigt man weniger als die Hälfte der Hefemenge für Weizenmehl. Die dreistufige Führung trägt dem Rechnung dass sich Hefen, milchsäurebildende und essigsäurebildende Bakterien bei unterschiedlichen Temperaturen vermehren. Die niedrige Temperatur anfangs (20-25°C) begünstigt die Essigsäurebakterien, die mittlere Temperatur die Hefen (25-30°C), die hohe Temperatur (30-35°C) die Milchsäurebakterien. Daher ist der Teig anfangs reich an Essigsäure und der Anfrischsauer kann so den pH-Wert einer großen Teigmenge absenken.
Diese traditionelle Vorgehensweise wird heute oft durch Kurzsauer abgelöst, wo sauer wirkende Backhilfsmittel den pH-Wert absenken. Zuggeben wird dann nur noch Anfrischsauer, wenn überhaupt. Dann fehlen aber die Aromastoffe des Natursauerteigs. Auch bei Weizenmehl sind heute Backhilfsstoffe, vor allem Enzyme üblich. Sie sind nötig wegen der kurzen Ruhezeiten von Teigen in Industriebetrieben und der Tatsache, dass Weizen auf hohen Ertrag gezüchtet wurde und Enzyme, die Stärke abbauen, Proteine vernetzen etc. kaum noch vorhanden sind. Sie sind aber für den Teig wichtig. Ohne sie gibt es Backfehler: Der Teig geht nicht gut auf, die Kruste wird weich, es gibt große Luftlöcher im Teig oder er reißt innen auf. Diese Enzyme werden genauso wie andere Substanzen die die Backeigenschaften verbessern sollen oder den Teig in Backstraßen bearbeitbar machen sollen zugesetzt (ohne Diacetylweinsäureester würde er z.B. an den Metallblechen kleben bleiben. Emulgatoren stabilisieren die Luft im Teig. Sie sorgen für viele kleine Luftlöcher, sonst ist die Neigung zur Bildung weniger großer Löcher gegeben. Reduktionsmittel wie L-Ascorbinsäure oder Cystein reduzieren intermolekulare Brücken des Kleberproteins, wodurch der Teig leichter knetbar wird.
Aber Weizen- und Roggenmehl kann man, wenn man genügend Zeit hat, auch ohne Zusatzstoffe zu Brot verarbeiten. Mit allen anderen Getreidemehlen (populär: Gerste, Mais, Hafer, Dinkel aber auch Kartoffelmehl) geht dies nicht. Aus ihnen kann man nur Fladen herstellen. So ist auch der Zusatz solcher Mehle zu Broten begrenzt, wenn die Backeigenschaften nicht zu sehr leiden sollen. Schon Roggenbrot ist dichter und geht nicht so sehr auf wie Weizenbrot. Sogenannte „Mehrkornbrote“ sind zwar populär, aber ernährungsphysiologisch nicht wertvoller als normales Brot. Die gerne aufgestreuten und dann an der Kruste gerösteten Samen sehen zwar schön aus, sind durch die Hitzebehandlung und unzerkleinert aber nahezu unverdaulich. Wichtiger wäre es vielmehr, anstatt diesen Körnerbroten mehr Vollkornprodukte zu essen. Roggenbrot gibt es übrigens nur in Mittel, Ost- und Nordeuropa, weil Roggen noch unter klimatischen Bedingungen wächst, bei denen der Wizen nur wenig Ertrag liefert. Daher wurde er bei uns als Brotgetreide genutzt. Woanders kann man mit dem säuerlichen Geschmack des Brotes nichts anfangen und hält es für verdorben. Die Sendung Quarks & Co lies einmal Pumpernickel von ARD-Korrespondenten in der ganzen Welt verkosten und erhielt dabei Urteile wie „ungenießbar“ und „das ist doch Hundefutter“….
So vorteilhaft das Gluten für die Backeigenschaften ist, so ist es auch Auslöser für eine Autoimmunkrankheit, die Zöliakie. (siehe S.190). Personen die diese haben müssen Produkte aus Weizenmehl (Stärke ist kein Problem) meiden.