Vermischtes aus den Weltraumnachrichten ….
… möchte ich heute kommentieren. Fangen wir an mit dieser Schlagzeile:“Envisat Puts ESA in Unenviable Position„. wo eine Frau bemängelt, dass die ESA Envidat nach 10 Jahren nicht außer Dienst nahm und seinen Orbit absenkte. Demnach müsste die ESA haften für Schäden wenn der Satellit zu Weltraummüll wird und andere Satelliten beschädigt. Diese Position ist mir neu. Haftet China für die vielen Trümmer die sie in dieser Orbithöhe erzeugt haben, als sie einen Satelliten mit einer Rakete zerstörten? Wie sieht das bei anderen Ländern aus. Kurz vor dem Ablegen von ATV-03 sollte dieser noch ein Ausweichmanöver durchführen, weil der ISS ein Stück einer PSLV Oberstufe gefährlich nahe kam. Es erweis sich als nicht nötig, aber müsste dann nicht Indien für den verbrauchten Treibstoff zahlen? Bei den Kosten eines ATV kommt da leicht ein Millionenbetrag zusammen.
Noch mehr wunderte mich die Feststellung, dass Envisat in 30 km weniger in 25 Jahren verglühen würde, und nun in 780 km Höhe eine tickende Zeitbombe ist. Es ist nicht leicht die Abbremsung durch die Atmosphäre zu berechnen. Sie ist nicht linear. So führte das Anheben der ISS durch ATV-02 (Johannes Kepler) zu einer Ersparnis von 11.0000 Pfund Treibstoff pro Jahr (von 19.000 auf 8.000 gesunken) und das obwohl es nur von 350 auf 400 km hoch ging. Aber in größerer Höhe nehmen die Unterschiede rasch ab. De faktor erscheint es mir unwahrscheinlich, dass ein Satellit 25 Jahre braucht um von 750 km Höhe ausgehend zu verglühen. Skylab brauchte 6 Jahre um von 435 km Höhe zu verglühen Rosat 24 Jahre um aus 580 km Höhe zu verglühen. Und 750 km Höhe ist dann in einem Jahr mehr möglich? Das erscheint unwahrscheinlich. Spot-2 wurde 1990 gestartet, und 2009 in einen Graveyard Orbit gebracht mit einem Apogäum von 800 km und einem Perigäum von 600 km gebracht. Vorher war er in 813,7 x 830,8 km Höhe. Nun durch die niedrige Perigäumshöhe ist das dann auch glaubhaft, dass er in 25 Jahren verglüht, denn so erreicht er tiefere Schichten, die zuerst das Apogäum abbauen (Resultat immer längere Zeit in tieferen Schichten – der Satellit sinkt schneller ab). Aber ein kreisförmiger Orbit in 750 km Höhe bringt nichts. Wenn man so schlecht informiert ist wie die Dame verliert auch der Rest der Argumentation an Glaubwürdigkeit.
Dann war diese Schlagzeile zu lesen: „Astrium Satellite Would Take 3-Meter Video from Geo Orbit„. Ich hatte das Thema ja schon mal im Blog. Da ging es um ein ähnliches Projekt des US-Militärs mit einer aufblasbaren Linse. Astriums Satellit ist konventioneller, eher vergleichbar mit einem Weltraumteleskop (Tipp an die NASA: Die Spiegelfläche ist mehr als dreimal so groß wie die von Hubble….). Fangen wir mal an mit der technischen Umsetzung:
Der GEO Orbit ist rund 40-60 mal weiter entfernt als die normalen Beobachtungsorbits von Satelliten für die Erdbeobachtung, die in 600 bis 800 km Höhe ihre Kreise ziehen. So muss die Auflösung sinken. Worldview mit 45 cm Auflösung hat ein 60 cm Teleskop und befindet sich in 770 km Höhe. Aus 35.887 km Höhe würde die Auflösung auf 21 m absinken. Dadurch ist klar, dass Teleskop größer sein muss. Astrium gibt 4,1 x 5,1 m an. Doch das erscheint mir zu wenig. Die maximale beugungsbegrenzte Auflösung eines Teleskops errechnet sich nach dem Dawes Kriterium. Demnach bräuchte der Satellit eine Optik von mindestens 6,6 m Durchmesser. Wenn im Strahlengang ein Fremdkörper ist, wie dies bei vielen Spiegelteleskopen der Fall ist, müsste sie sogar noch größer sein, nach empirischen Erfahrungen rund 8,6 m. Doch bei einer gefalteten Bauweise, wie sie heute öfters eingesetzt wird, (auch bei der hochauflösenden Kamera des MRO) ist dies nicht der Fall.
Wie kommt Astrium nun zu den 3 m? Nun zum einen kann man den Begriff locker auslegen: 3,99 m sind ja auch noch „3 m“. Dann würde mit 5,1 m eine Auflösung von 3,95 m möglich sein. Das zweite ist es, die Beobachtungswellenlänge abzusenken. Das Dawes Kriterium gilt für eine Wellenlänge von 550 nm im gelben Spektralbereich – hier sind unsere Augen am empfindlichsten, weil zufälligerweise auch die Sonne das Strahlungsmaximum da hat, Geht man auf eine Wellenlänge von 427 nm runter, das ist zwischen blau und grün, dann sind auch 3 m möglich.
Technisch ist es also möglich, wenn auch zu einem hohen Preis: Der Satellit wiegt beim Start über 8800 kg, dürfte also derzeit nur von einer Ariane 5 startbar sein und ist sicher nicht billig. Umgekehrt hat die nur 13,5 Millionen Dollar teure Proba-1 schon 5 m Auflösung und inzwischen wurden schon von Drittländern Kleinsatelliten im niedrigen Meterbereich gestartet. Das leistet heute schon ein Satellit von 100-200 kg Gewicht.
Das zweite ist welchen Nutzen hat es? Schon normale Satelliten haben das Problem, dass manche Nutzer zwar Bilder schnell haben wollen (vor allem militärische Nutzer), aber sie verzerrungsfrei sein sollen. Ein Gebiet wird aber nur im Tagesabstand senkrecht überflogen. Einmal pro Tag sind Schrägaufnahmen aus maximal einem Orbit neben dem senkrechten Überflug möglich. (Am Äquator rund 2.500-3000 km) Astrium baut gerade aus den beiden Plejades und SPOT-6/7 eine vierer-Konstellation aus, die alle 6 Stunden Aufnahmen machen kann. Theoretisch kann man vom geostationären Orbit aus die halbe Erde beobachten – nur eben nicht verzerrungsfrei. Deutlich wird das an diesem Meteosat Bild links. Man achte mal auf die Verzerrung zum Rand hin, also zur arabischen Halbinsel, Europa und Madagaskar.
Das Bild unten ist ein Ausschnitt von Europa. wo es noch deutlicher wird. Als Lösung für verzerrungsfreie Bilder könnte der Satellit nicht in einer „normalen“ geostationären Umlaufbahn (Inklination 0 Grad) verbleiben, sondern einer geneigten. Bei 52 Grad Neigung (erreichbar von Baikonur aus) wäre dann die gesamte Landmasse in Nord/Südrichtung Halbkugel verzerrungsfrei ab bildbar. (Ost-West nur bedingt, der Satellit hat einen Groundtrack in Form einer „8“). Doch jedes Gebiet wird nur einmal am Tag überflogen. Das bedeutet, dass der Hauptvorteil der dauernden Verfügbarkeit aufgegeben werden muss. Einmal am Tag wird auch mit niedrigen Erdumlaufbahnen erreicht, nur eben nicht verzerrungsfrei sondern mit schrägen Aufnahmen.
Zudem braucht man mehr als einen Satelliten. Auch hier hilft ein Blick auf die Meteosat-Aufnahme. Amerika und Asien sind nicht drauf. Für Wettervorhersage platziert man alle 60-72 Grad einen Satelliten also 5-6 auf der Umlaufbahn. Derzeit sind sechs in Betrieb, Zwei der ESA, zwei der NASA und je einer von Russland und Japan. Für die Detailaufklärung müsste man ähnliches anstreben. Das hat den Vorteil, dass man zumindest bis zum 40 Breitengrad einigermaßen verzerrungsfreie Bilder bekommt, wenn man die Inklination von 0 Grad beibehält. Da liegen immerhin die meisten Schurkenstaaten. Wenn man sich auf Afghanistan, Nord-Korea und einige arabische Staaten beschränkt, würde auch ein Satellit bei 100 Grad Ost ausreichen.
In der Summe denke ich ist es aber ein hoher Aufwand für wenig zusätzlichen Nutzen, der zusätzliche Nutzen ist eigentlich nur militärisch relevant und heißt „Realzeitaufnahmen“. zivile Nutzer können durchaus einen tag warten. Nur dürfte für militärische Nutzer dann die Auflösung zu gering sein. Und wenn wir von militärischen Nutzern reden, dann ist es das NRO. Europa hat nicht die Kapazitäten überall auf der Welt innerhalb von Stunden Einsätze durchführen zu können und daher auch keinen Bedarf. Ob aber das US-Militär einen europäischen Satelliten in Auftrag geben würde? Sie kaufen zwar Bilder von allen Betreibern von Satelliten, doch einen Bauauftrag vergaben sie bisher nur an US-Anbieter.
Mein Vorschlag: Baut zwei der Satelliten, startet sie zusammen mit einer Ariane 5 in einen sonnensynchronen Orbit und nutzt sie als Weltraumteleskope. Da hat man mehr davon. (Ohne den Apogäumsantrieb würde die Masse unter 5,5 t sinken, das sind dann 11,5 t in den sonnensynchronen Orbit, durchaus eine Nutzlast welche schon die Ariane 5 ES packen könnte). Der erwähnte Sonnenschild scheint sowieso darauf hinweisen, dass der Satellit für IR-Aufnahmen gedacht ist, denn Erderkundungssatelliten die in der Regel im nahen Infrarot operieren brauchen diesen nicht., Die Detektoren sind bei diesem Spektralbereich mit normalen Kühlmethoden genügend rauschfrei. Nur beim fernen IR muss man die ganze Optik abkühlen, weil sie sonst jede empfangene IR-Strahlung durch die Eigenemmission überdecken würde.
Zur rechtlichen Situation von Satelliten gibt es doch völkerrechtliche Abkommen. Ob die Verschmutzung durch Trümmer geregelt ist weiß ich aber auch nicht. Die Trümmer im Orbit sind natürlich auch ein Kostenproblem. Noch ist das Problem beherrschbar. Schlimm würde es, wenn einer der sogenannnten „Schurkenstaaten“ auf die Idee käme gezielt den Orbit zu vermüllen um Überflüge von Spionagesatelliten zu verhindern oder um die militärische und ziviele Kommunikation zu behindern.
Nun ja, zu den Aussagen dieser Dame bezüglich Envisat gibt es hier:
http://www.scilogs.de/kosmo/blog/go-for-launch/allgemein/2012-10-10/war-der-weiterbetrieb-von-envisat-fahrl-ssig
eine gute Erklärung zur Sache.