Stratolaunch – das Konzept
Ich habe ja schon was zu Stratolaunch geschrieben, das war der Mittelteil dieses Artikels, denn ich aus Lust und Laune zuerst fertigstellte. Nun kommt noch der Anfang und das Ende. Damit habe ich schon mal zwei der Wünsche für neue Artikel erledigt Für weitere müsst ihr aber noch etwas warten von heute bis zum 13.ten bin ich im Allgäu. Ohne Internet, aber ich kann anders als andere noch gut drauf verzichten Aber keine Angst. Jeden Tag gibt es was neues aus dem Bereich Ernährung und Raumfahrt, denn ich war so fleißig in den letzten Monaten, dass ich Artikel auf Vorrat produziert habe. Also wundert euch nicht wenn es keinen Kommentar gibt und vermeidet mehr als zwei Links in einem Kommentar, damit ihr nicht als SPAM klasssifiziert werdet.
Einleitung
Nach den suborbitalen Flügen mit SpaceShip One und Two haben die Firmen und Investoren, die hinter diesen beiden Projekten stehen, ein neues Projekt vorgestellt: Stratolaunch. Ein Trägerflugzeug soll eine Rakete in 9 km Höhe tragen, dort ausklinken und sie soll einen Orbit erreichen. Hier eine genauere Betrachtung der Raketentechnik die dahinter steckt. Nur bedingt kann ich mich zu dem zweiten Hauptteil, dem Flugzeug äußern, denn Flugzeugbau ist nicht meine Disziplin. Wie schon bei den vorherigen Unternehmungen ist der größte Investor Paul Allen, der reich wurde weil er zusammen mit Bill Gates 1975 Microsoft gründete. Obwohl er schon 1983 aus dem Unternehmen aufgrund einer Krankheit ausschied ist er Multimilliardär aufgrund der ursprünglichen 40% Beteiligung am Gründungskapital. Auch sonst finden sich im Beratergremium bekannte Namen wie Burt Rutan, Konstrukteur von Flugzeugen wie der White Knight, Mike Griffin, ehemaliger und wohl am meisten gehasster NASA Administrator. (Für die einen verantwortlich für das Einmotten der Space Shuttles, für die anderen für den größten Kahlschlag im Wissenschaftsprogramm und für die dritten für ein Mondprogramm das nie richtig in die Gänge kam und entsprechend leicht von Obama eingestellt werden konnte da es nur kostete und nichts brachte. Erstaunlicherweise ist von SpaceX nur Gwen Shotwell, Vizepräsidentin dabei, nicht aber der sonst so öffentlichkeitssuchende Elon Musk.
Vorgeschichte Spaceship One und Two.
Als erstes Gefährt seit 1967 erreichte 2004 SpaceShip One eine suborbitale Bahn mit einer Spitzenhöhe über 100 km, und damit für kurze Zeit die Grenze zum Weltraum, die nach allgemein anerkannter Vereinbarung bei 100 km beginnt. Ein Trägerflugzeug, die White Knight 1, transportierte es in 17 km Höhe. Dort zündete es seinen Hybridantrieb. Bedingt durch die Aussetzung bei knapp Unterschallgeschwindigkeit und die Nutzung der Atmosphäre (Auftrieb) kam SpaceShip One, ein Zwitter aus Flugzeug und Raketenantrieb mit nur einer Beschleunigung auf 962 km/s eine Höhe von 100 km.
SpaceShip One war noch nicht für die Beförderung von Passagieren ausgelegt. Dies soll die größere SpaceShip Two ermöglichen, die von einem noch größeren Carrierflugzeug, der White Knight Two getragen wird. Auch hier wird es eine Gipfelhöhe von 100 km geben, was rund 6 Minuten Schwerelosigkeit erlaubt. Ein Start soll rund 200.000 Dollar pro Person kosten. Neun Passagiere können pro Flug mitreisen.
Die Trägerflugzeuge stammen von Scaled Composites, ebenso die Raketenflugzeuge. Kunde für den Transport ist Virgin Galactics.
Das Konzept von Stratolaunch
Es gibt nur einen großen Unterschied: Anstatt dem auf 17 t geschätzten SpaceShip Two, das nur einen suborbitalen Hüpfer absolviert, wird eine 220 t schwere Rakete transportiert werden, die 6,1 t in einen niedrigen Erdorbit bringt.
Für eine Nutzlast dieses Gewichtes ist natürlich ein ganz anderes Trägersystem nötig. Wie die bisherigen ist es ein Flugzeug mit Doppelrümpfen, um die Rakete in der Mitte zu transportieren, sonst würde sie einseitig einen Flügel belasten, was bei dieser Größe wahrscheinlich zum Bruch der Struktur führen würde. die Flügel haben nur eine geringe Pfeilung und eine Spannweite von 117 m. Damit wäre es das größte Flugzeug das jemals flog und auch die Startmasse von 540 t liegt nur wenig unter dem eines Airbus 380 bei Vollbeladung. ES hat eine Reichweite von 2.200 km. Das ist ausreichend, schließlich soll es ja nur aufsteigen und dann die Rakete abwerfen.
Im die Kosten zu begrenzen wird man von Boeing 747 die aus dem Dienst gestellt werden verbliebene Triebwerke nutzen. Trotzdem werden 6 dieser benötigt und das Flugzeug braucht eine Startstrecke von 3,7 km um abzuheben. Das ist sehr lange. Nur wenige zivile Flughäfen haben so lange Startbahnen. Geplant ist zuerst ein Start vom Mohave Air and Space Port.
Die Rakete
Die Rakete sollte von SpaceX stammen. Nachdem man auf den Videos fünf Triebwerke sah, kam zuerst bei einigen Berichterstattern die Idee auf, es würde sich um die 2006 von SpaceX eingestellte Falcon 5 handeln. Doch auch wenn diese fünf Triebwerke hatte, so war sie deutlich länger als die abgebildete Idee. Es wäre für SpaceX auch keine gute Idee, ein abgelegtes Konzept neu aufzulegen. Das bedeutet eine neue Qualifikation und damit neue Flüge sowie weitere Entwicklungskosten. Sinnvoller ist es die schon bestehende und erprobte Falcon 9 zu nehmen und einfach zu kürzen: Tanks bestehen sowieso aus Segmenten die verschweißt werden. So kann man leicht Segmente weglassen und hat eine kürzere Rakete. Wegen des geringeren Schubs ist es am sinnvollsten von den neun Triebwerken der Falcon 9 welche wegzulassen. Es werden nicht fünf, sondern nur vier sein, wie SpaceX inzwischen bekannt gab und es sind Merlin 1D. Deren Schub beträgt 653 kN am Boden. In der Höhe werden sie mehr Schub liefern, wahrscheinlich um die 670 kN. Vier Triebwerke haben dann 2.680 kN und damit genügend Schub um die 220 t schwere Rakete mit 12,2 m/s zu beschleunigen.
Mehr gibt es nicht an Details über die Rakete. In den Abbildungen sieht sie verhältnismäßig „kurz“ aus, was ebenfalls für eine verkürzte Falcon 9 spricht. Die Nutzlast ist verglichen damit dass man in der Luft startet gering: 13,23 t soll die 480 t schwere Falcon 9 transportieren, 6,1 t die Stratolaunch Rakete. Das ist genau dasselbe Verhältnis pro Tonne Rakete. Sie ist 120 Fuß lang. Das sind 36,6 m, also fast 30 m weniger als eine Falcon 9 in der „v1.1“ Version. Von dieser Länge entfällt einiges auf die Nutzlastverkleidung die dicker als der Rumpf ist. Die einmal projektierte Falcon 5 sollte mit 181,4 t ebenfalls 6 t transportieren. Das deutet daraufhin, dass der Gewinn durch den Start aus der Luft durch eine höhere Leermasse kompensiert wird. Sie ist schon alleine deswegen höher weil das Schubgerüst unverändert übernommen wurde und die Tanks normalerweise das leichteste an der Rakete sind und gerade diese werden ja verkürzt.
Sie wird auch schwerer sein müssen, weil nun die Tanks und andere Strukturen dafür ausgelegt sein müssen, dass nicht nur Kräfte in der Längsachse, sondern auch in der Querachse angreifen. In der Summe könnte es sogar darauf hinauslaufen, das aufgrund des andere Startprofils und der unterschiedlich angreifenden Belastung so viele Änderungen nötig sind, dass von der Idee „Wir nehmen eine Rakete, kürzen die Tanks und lassen 5 Triebwerke weg“ nicht viel übrig bleibt und massive Änderungen nötig sind. Denkbar wären etwas größere Düsen, da nun der Betrieb nicht bei 1 bar sondern 0,5 bar beginnt. Doch anders als Laien denken macht dies wenig aus. Verglichen mit dem Betrieb im Vakuum ist es trotzdem noch die Hälfte des Ausgangsdrucks. Mehr als eine Verlängerung der Düsen um den Faktor √2 ist da nicht drin. Dagegen hat das Merlin Vakuum ein um den Faktor 8 größeres Expansionsverhältnis als das Merlin für den Bodenbetrieb.
Was nicht geplant ist, ist die Nutzung des Auftriebs. Sowohl Spaceship One und Two wie auch die Pegasus oder X-15 hatten im Verhältnis zum Gewicht große Tragflächen. Sie machen auch bei einer Rakete einen Sinn, denn solange die Stufe noch in der Atmosphäre ist, bringen sie einen Auftrieb. Die erste Stufe verbringt einen guten Teil ihrer Betriebszeit noch in einer Region in der Flügel wirksam sind. Will man weich landen, so tut man sich viel leichter, weil sie ein Manövrieren und einen Gleitflug zurück zum Startplatz erlauben. Es gibt am Heck einen sehr kurzen Delta Flügel., doch ist er zu klein um wirksamen Auftrieb zu erzeugen. Er dürfte vielmehr die Rakete stabilisieren und den Flug des Carrierflugzeugs vereinfachen. Ob eine Landung mit dem eigenen Antrieb wie bei den Falcon 9 geplant ist (dort seit 10 Jahren angekündigt, aber bei der aktuellen Falcon 9 nicht durchgeführt) wurde nicht bekannt.
Wo ist der Markt?
Das ist die eigentliche Frage. Wir haben heute drei Märkte die genügend Flüge versprechen, das eine Raketenlinie eine ausreichende Startrate hat (bei weniger als 4 Starts pro Jahr steigen meist die Startkosten extrem an):
GTO-Transporte in einen 200 x 36000 km Orbit: Hier ist die Nutzlast zu klein. Die Rakete hat zudem nur zwei Stufen, das bedeutet die Leermasse der zweiten Stufe hat einen sehr großen Anteil wenn die Nutzlast stark absinkt. Da man kein neues Triebwerk für die zweite Stufe entwickeln wird, sondern ein schon bestehendes Merlin Vacuum verwenden wird, ist die Leermasse im Verhältnis zur Nutzlast sogar noch größer. Realistisch dürfte sie 1,5 t, maximal 2 t in den GTO transportieren. So leichte Satelliten gibt es heute nicht mehr. Zudem wird bei einem Vakuumschub von 700 kN für das Merlin Vakuum bei einer so gleichen Nutzlast eine sehr hohe Spitzenbeschleunigung von deutlich über 6 g, dem Maximum was heute üblich ist, erreicht.
Versorgungsflüge zur ISS: Hier reichen durchaus 6 t aus. Die Antares wird 5,3 t in den ISS Orbit bringen und Orbital rechnet mit genügend Flügen, dass sich die Entwicklung der Rakete rentiert: Nur braucht die Antares kein eigenes Trägerflugzeug dafür.
Forschungssatelliten / Raumsonden: Mit dem Ausscheiden der Delta II fehlt hier im NADA Arsenal ein Träger. Die NASA wird nur Sonden mit US-Trägern starten. Mit vielen anderen Kunden braucht man nicht rechnen. Europa wird auf die Sojus STK zurückgreifen und Russland, Indien und China haben eigene Träger. Für mittelgroße Forschungssatelliten ist sie leistungsfähig genug. Zusammen mit den ISS Versorgungsflügen kann man dann auf 4 Starts pro Jahr kommen. Für Fluchtbahnen benötigt sie eine weitere Stufe. Hier gibt es aber die Konkurrenz von Orbital und pikanterweise SpaceX mit der Falcon 9.
Nur: Stratolaunch plant anders als SpaceX mit der Falcon 9 keine Kombination von Raumfähre und Trägerrakete, also keinen ISS-Versorgungstransporter (und hätte auch keine Chancen da es schon zwei Unternehmen dafür gibt) und ist auch nicht am CCDev, also der Ausschreibung für ein bemanntes Raumgefährt beteiligt. In den Bildern sieht man dagegen eine Dragon, nur wiegt eine Dragon mit 6,19 t Startmasse ohne Inneneinrichtung und Nutzlast schon mehr als diese Rakete transportieren kann.
2015 soll der erste Testflug des Trägerflugzeugs erfolgen, 2016 der erste Start. Das wäre schon in vier Jahren. Zeit sich um Kunden zu kümmern, die meist Raketen mit einer Vorlaufszeit von 2-3 Jahren bestellen.
Es ist meiner Meinung nach zweifelhaft, das sich genügend Kunden finden. Schon die Falcon 9 erscheint nun in der „v1.1“ Version, da die um 40% kleinere „v1.0“ eine zu kleine Nutzlast sowohl für ISS wie auch kommerzielle Transporte hatte. Dabei ist die Nutzlast dieser „v1.0“ noch um einiges höher als die der Stratolaunch. Wenn es einen Markt gäbe, so wäre es für SpaceX recht einfach die Trägerrakete einfach von ihren Falcon 9 Startplätzen aus zu starten. So muss aber noch dazu ein Trägerflugzeug entwickelt werden. Sicher kann man nicht diesen Träger mit einem Airbus transportierten. Es ist schließlich „nur“ ein Frachtflugzeug, soll nicht von Verkehrsflughäfen starten. Aber man wird die Entwicklungskosten auf die Flugkosten umlegen müssen und das setzte viele Starts voraus, die es in diesem Marktsegment nicht gibt. Die NASA hat ja gerade deswegen die Delta II eingestellt.
Wenn es inen Markt gäbe, so könnte ihn SpaceX auch mit den Falcon 9 bedienen indem sie Doppelstarts durchführt. Durch die Fähigkeit der Mehrfachzündung wäre das durchaus denkbar und preiswert wird diese Rakete ja auch angeboten. Paradoxerweise ist gerade SpaceX die ja an diesem Projekt beteiligt sind die Hauptkonkurrenten und es fälklt schwer zu glauben, dass SpaceX für Stratolaunch eine Rakete baut die preislich ihre eigenen Falcons unterbietet.
Moin Bernd,
Seit einigen Jahren bin ich ein großer Fan deiner Raumfahrtaufsätze und habe kürzlich auch deinen Blog entdeckt.
Mein Fachgebiet liegt auf der anderen – der flugzeugtechnischen – Seite des Stratolaunch Konzepts. Falls du deine Analysen um diesen Teil erweitern möchtest, schreib mir doch ne Mail. Ich würde mich freuen, wenn ich dir weiterhelfen kann. Näheres dann per eMail.
-flugzeugkarle