Macht mehr drauss

Nachdem ich erfahren habe, dass man von EADS aus wieder meine Webseiten besuchen kann (war anscheinend für eine Zeitlang gesperrt) muss ich doch was tun, damit man wieder eine Sperre einrichtet, denn nicht nur SpaceX missfällt mir, auch bei EADS ist einiges im Argen. Da gäbe es auch was zu sagen zu Webseiten die dauernd ihre Adresse ändern, sodass man sie gar nicht erst Bookmarken muss (wie die mit den Ariane 5 Launchkits) über die Verdrängung von Information durch Flash bis hin zu der Einwegkommunikation (man kann ihnen gerne eine Mail oder auch ein Dutzend schreiben, nur Antwort wird man keine bekommen).

Aber das ist ja nicht das Kerngeschäft dieses internationalen Rüstungs- und Weltraumkonzerns, sondern die Produktion von Hardware und da ist nun ja die Ariane 5 ME beschlossen, verbunden mit einer Vorentwicklung der Ariane 6. Das wäre nun die Gelegenheit etwas richtig zu machen.

Die Ariane 6 ist zwar noch nicht endgültig festgelegt, doch was sicher sein dürfte, ist das das Vinci Triebwerk auch in der Ariane 6 zum Einsatz kommen sollte. Zeit für eine gute Konzeption der ESC-B, die es ermöglichst von dieser Stufe möglichst viel auf die Oberstufe der Ariane 6 zu übertragen.

Von der ESC-B ist noch nicht viel bekannt, aber was man weis, ist das sie zwischen 27,5 und 28,4 t Treibstoff fassen soll und trocken zwischen 6 und 6,25 t wiegt, je nach Quelle und das ist kein Ruhmesblatt. Das Trockengewicht ist viel zu hoch. Zum Vergleich die Delta 4 Zweitstufe hat auch eine Treibstoffzuladung von 27,5 t und wiegt 3,5 t trocken. Da die Oberstufe auch einen Orbit erreicht, bedeutet aber jedes Kilo mehr bei der Trockenmasse ein Kilo weniger Nutzlast. Oder anders ausgedrückt – würde die ESC-B wie die Delta 4 Zweitstufe anstatt 6 t nur 3,5 t wiegen, so würde die Ariane 5 nicht 12 sondern 14,5 t Nutzlast transportieren.

Die Ursache ist leicht geschildert: Die ESC-B befindet sich wie die ESC-A direkt oberhalb des Stufenadapters, in dem die Kräfte der Feststoffbooster übertragen werden. Sie wird daher erheblich durchgeschüttelt. Diese Problematik hat man bei der ESC-A durch eine massive Konstruktion gelöst, denn auch die ESC-A hat dieses hohe Gewicht (hier sind es 4,5 t). Vor allem die tragenden Tanks sind sehr massiv. So wiegt bei der ESC-A der Sauerstofftank 220 kg und der dreimal voluminöse Wasserstofftank 1980 kg, also pro Volumen dreimal mehr. Die Ursache: Der Wasserstofftank ist tragend und der Sauerstofftank nicht.

Natürlich ist die Position schlecht. Sie ist schlechter als z.B. bei der Centaur auf der Titan, wo die zweite Stufe einen Teil der Schwingungen abfederte, sodass hier die Trockenmasse nur um 10% höher lag als bei der Atlas Version der Centaur. Sie ist daher auch nicht direkt mit obiger Delta 4 Oberstufe vergleichbar. Doch das Manko haben auch andere Konstruktionen. Beim Space Shuttle Tank übertragen die beiden Feststoffbooster auch direkt die Schwingungen auf den Tank und an der anderen Seite hängt sogar noch ein bis zu 120 t schwerer Orbiter dran. Bei der Ares I wäre die Oberstufe auch direkt auf einen Feststoffbooster montiert geworden. Das ergibt noch stärkere Belastungen als bei der ESC-B, doch beide Tankkonstruktionen sind deutlich leichtgewichtiger.

Das verwundert nicht, denn die Konstruktion von Astrium Bremen ist solide, aber eben nicht gerade effektiv oder elegant. Es gibt drei grundlegende Technologien um die Leermasse zu senken:

  • Gewicht einsparen
  • Stabilität erhöhen
  • Belastungen senken

Fangen wir mit dem Letzten an: Das idealste ist es die Vibrationen gar nicht erst weiterzugeben. Ariane 5 hat schon immer ein Vibrationsdämpfungssystem, das auch im Laufe der Zeit verbessert wurde. Man könnte hier weiter ansetzen, auch wenn das zuerst anscheinend Nutzlast kostet. Wird die Trockenmasse der EPC um 1000 kg erhöht, so sinkt die Nutzlast um 340 kg. Solange also pro 1000 kg mehr für den Stufenadapter die ESC-B um mehr als 340 kg leichter wird, hat man einen Gewinn. Passive Systeme kommen da allerdings bald an die Grenze und aktive Systeme, die mit verschiebbaren Gewichten arbeiten wie mal für die Ares I angedacht waren, sicher für eine kommerziell genutzte Rakete zu teuer.

Das zweite ist es die Stabilität zu erhöhen. Das geht durch Innendruckstabilisierung. Sie setzt die Centaur ein, aber auch die EPC, die dadurch erheblich leichtgewichtiger als die ESC-B sind. Nur wird die EPC eben nicht von Astrium Bremen gefertigt…. Der Effekt ist der wie bei einem Luftballon.  Der Innendruck macht ihn steif und lässt ihn viel größere Belastungen aushalten. Das kann soweit gehen, dass die Hülle ohne Innendruck kollabieren würde. Die Technik ist nun nicht gerade neu, sondern wurde schon mit der Atlas Mitte der Fünfziger eingeführt.

Das dritte ist es Gewicht zu sparen. Beim Triebwerk geht es nicht, dass ist relativ schwer. Aber bei allen anderen Strukturen. Die Planungen sehen für die Ariane 5 ESC-B die Aluminiumlegierung 2219 vor, aus der auch die EPC besteht. Diese Legierung wurde schon bei der Saturn V eingesetzt und ist „Standard“. Standard heißt aber auch: es gibt was besseres. Seit Ende der siebziger Jahre wurde an der Legierung 2195 bestehend aus Aluminium und Lithium mit kleinen Spuren anderer Metall entwickelt. Sie wiegt 5,5% weniger als die 2219 und ist trotzdem höher beanspruchbar. Das ist temperaturabhängig. Ein Mittel für die Triebstoffmischung die die ESC-B einsetzt ist 26%. Die Tanks sind also um 26% leichter.

Rechnet man nur die Tanks und rechnet man deren Gewicht von den bekannten Tankmassen der ESC-A aus, so müssten diese bei der ESC-B bei 28,4 t Treibstoffzuladung rund 4460 kg wiegen. 26% weniger sind also schon 1160 kg. Die Legierung ist übrigens nicht neu: der Space Shuttle Tank besteht aus ihr, zumindest in der Version die für die ISS genutzt wird (die Konstruktion war 1988 fertig wurde aber erst eingesetzt, als man die mehr Performance brauchte). Sie war für die Ares I EDS vorgesehen und wenn man SpaceX glauben kann bestehen ihre Tanks auch daraus (die Legierungsnummer wird nicht explizit genannt, aber es gibt nicht viele „Lithium-Alumnium-Alloys“.

Bei den anderen Teilen wie Schubgerüst kann man Composite Verbundwerkstoffe einsetzen. Hier ist die Gewichtseinsparung noch höher. Das geht bei allen Teilen, die nicht tiefe Temperaturen aushalten müssen, z.B. Schubgerüst, Abschlussring.

Der dritte Punkt ist es die VEB einzusparen. Die VEB ist der Geräteteil der Ariane 5, der bei Ariane traditionell ein eigener Baustein ist. Er sitzt auf der Oberstufe, bedingt durch die gewölbten Tankböden würde aber der Platz oben auf der Stufe ausreichen dort die Elektronik, Batterien und den Lagereglungstreibstoff unterzubringen. Eventuell verlängert man diesen Teil leicht. Die Folge ist dass man die Trockenmasse der VEB stark verringern kann. Beim Übergang Ariane 5 G → ESC-A wurde die VEB schon um 450 kg leichter, weil man sie verkürzen konnte, sie nicht die Last der EPS mittragen musste. Realistisch kann man, wenn man die Elektronik in die Stufe verlagert, so sicher 350 der 950 kg der VEB einsparen. Zusammen wären das dann schon rund 1500 kg. Das würde die Nutzlast der ESC-B auf 13,5 t steigern, anstatt nur 12 t.

Eventuell kann man ja auch Innendruckstabilisierung und leichte Legierung kombinieren, dann wirds vielleicht noch etwas mehr, vielleicht in Richtung 2 t? Immerhin: die Delta 4 Zweistufe ist immer noch leichter, verwendet aber beide Techniken nicht, die Centaur ist nochmals 10% leichter mit Innendruckstabiliiserung und die Ares EDS sollte sogar ein Voll/Leergewicht von 16,6 erreichen – für die ESC-B werden von Astrium Bremen nur 5,5 anvisiert. Das ist zwar nicht direkt vergleichbar, zeigt aber dass noch einiges an Luft offen ist.

Es gäbe aber auch noch zwei wichtige Gründe sich reinzuhängen und sich nicht mit dem derzeitigen Design zu begnügen. Der erste: Wenn mal die Ariane 6 kommt. Wer bekommt dann den Auftrag für eine neue Oberstufe? Eine Firma die nur schwere und massive Stufen bauen kann, weil sie bisher nur eben kleine Oberstufen mit lagerfähigen Treibstoffen selbst entwickelt hat, oder eine Firma die den Anschluss an die derzeit aktuelle Technologie hat? Schließlich bedeutet eine leichte Stufe auch bei der Ariane 6 mehr Nutzlast.

Und der zweite ist der Grund, der der mich antreiben würde, wenn ich bei Astrium Bremen arbeiten würde: Ich will stolz auf meine Arbeit sein, dass klappt aber nicht wenn man einen Eintrag im Guinessbuch der Rekorde hat für die Stufe mit dem niedrigsten Start/Leergewichtsverhältnis ….Ich würde mich schämen so was als Arbeit abzuliefern.

6 thoughts on “Macht mehr drauss

  1. Wenn die Außenverkleidung und die Booster auch noch aus Kohlefaser-Verbundstoffen gefertigt würden, wären da vielleicht auch noch ein paar Tonnen an Nutzlast mehr drin. Ich glaube, in Deinem Artikel zur „Super-Ariane“, Bernd, bist Du auf 15,5 Tonnen für den GTO gekommen. Wenn die ESA das erreichen könnte, bräuchte sie wohl kaum eine Ariane 6, die bedeutend weniger leistet.
    Deren Entwicklung ist mir sowieso ein kleines Rätsel. Ein für unterschiedlich große Nutzlasten ausgelegtes und dementsprechend flexibles Trägersystem finde ich ja prinzipiell gut, aber wieso schneidet man sich finanziell ins eigene Fleisch, um ein teures, neues Trägersystem zu entwickeln, das durch die Einzelstartvorrichtung die Satellitenbeförderung wieder verteuert? Diese Logik verstehe ich nicht ganz.

  2. Die ESA ist mit den CFK-Boostern und der schweren ESC-B ja schon auf 14 t gekommen (Ariane 2010 initiative).

    Die Argumentation ist, dass Ariane 5 nur preiswert ist wenn sie zwei Satelliten transportieren kann. Wenn man nicht die Satelliten termingerecht bekommt, nutzt man den Träger nur teilweise aus und macht Verluste. Darüber hinaus bedeutet ein Träger für Einzelstarts dann auch eine höhere Produktionsrate, die Sojus würde entfallen und für die ESA die meist dezidierte Einzelstarts hat wird es billiger.

    Es gäbe noch andere Möglichkeiten die Nutzlast zu steigern und zu Variieren. Wenn man z.B. zusätzlich/anstatt der EAP-Booster die erste Stufe der Vega nimmt, kann man sowohl weniger wie auch mehr Nutzlast erreichen.

  3. Die Entwicklung der Ariane 6 muß nicht unbedingt teuer werden. Die Rede war von zwei Stufen mit festen Treibstoff und einer Oberstufe mit dem Vinci-Triebwerk. Es bietet sich geradezu an, als erste Stufe einen Ariane-Booster zu verwenden, und darauf die erste Stufe der Vega zu setzen. Bei der Oberstufe müßten nur Tanks und tragende Struktur neu entwickelt werden, alles andere könnte von der dann schon existierenden ESC-B übernommen werden. Für größere Nutzlasten könnten seitlich zusätzliche Ariane-Booster angebaut werden. Die größte Version mit 6 zusätzlichen Boostern würde dann sogar mehr schaffen als die Ariane 5.

  4. Ich glaube nicht so recht daran, dass die Ariane 6 von der Entwicklung her billig werden wird. Die beiden Feststoffstufen werden jede Menge Vibrationen erzeugen, die neutralisiert bzw. gedämpft werden müssen. War auch das Problem bei der Ares 1, das jedoch (aber um welchen Preis!) gelöst werden konnte. Diese Rakete ist übrigens ein gutes Beispiel, wie ein aus bereits bestehenden (weiterentwickelten) Komponenten neu zusammengesetztes System trotzdem sehr teuer werden kann.
    Das nächste ist die Startplattform, die entsprechend umgebaut wird werden müssen. Im Moment ist sie ja eines der kostenträchtigsten Argumente, warum die Ariane 5 nicht mehr Booster bekommen kann. Dabei könnte sie im Grunde genauso flexibel eingesetzt werden, wie die geplante Ariane 6. Statt der bestehenden Booster die der Vega nehmen, eine verkleinerte Oberstufe, eventuell auch eine verkleinerte Hauptstufe mit dem Vulcain Triebwerk und fertig.
    Ein neues System, kombiniert aus mehreren bisher auch in verschiedenen Systemen eingesetzten Komponenten zusammenzubauen ist immer kostenintensiver, als das bereits bestehende System zu modifizieren. Die Entwicklung der Ariane 5 ging bisher dahin, sie auf immer höhere Nutzlast hin zu trimmen. Genauso müsste es auch möglich sein, sie für leichtere Nutzlasten zu modifizieren.
    Die Entwicklung der Ariane 5 begann 1987, der Erstflug fand 1996 statt und den Endausbau wird sie voraussichtlich erst 2017/18 erreichen. Rein logisch fände ich es, die Flexibilität dieses Trägersystems noch weiter auszureizen (nämlich auch nach unten). Wenn eine Neuentwicklung, dann wäre es besser, weiter in bisher noch wenig erforschtes Terrain vorzustoßen, z.B. in wiederverwendbare Systeme (Stichwort Skylon!), „richtige“ Schwerlastträger oder weltraumtaugliche Kernreaktortechnologie zur besseren Stromversorgung von Tiefraumsonden/Ionen/Plasmtriebwerken.

  5. Der normale kapitalistische Gang der Dinge wäre, die Weiterentwicklung der Ariane-5-Oberstufe auszuschreiben. Man gibt bestimmte Parameter vor, etwa minimale Nutzlast (12 Tonnen in GTO), maximales Startgewicht und die Kompatibilität zu den anderen Komponenten der Ariane V. Und dann dürfen alle Raumfahrtkonzerne ihre Designs einreichen und Angebote abgeben. Dann wird nach sinnvollen Kriterien entschieden, die nicht unbedingt nur „günstigster“ Preis lauten müssen, sondern natürlich ist am Ende die Matrix aus Preis, Leistung und Zuverlässigkeit insgesamt zu betrachten.

    Bezahlt wird die Entwicklung nach dem ersten erfolgreichen Testflug. Und wenn der Auftragnehmer zwei Jahre länger braucht, ist das auch nicht wahnsinig schlimm. Man hat ja die funktionierende Ariane 5.

    Aber hier geht es darum, das Maximum herauszuholen, hier geht es um Politik. Also darf es ruhig auch etwas weniger Leistung fürs gleiche Geld sein. Vielleicht steigt so ja die Gegenleistungen für den Auftraggeber.

    Kai

  6. Der Ansatz scheitert schon daran, dass wir nicht mehr so viele Raumfahrtfirmen haben die mitbieten können. wenn man das Triebwerk ausnimmt, dann kommen allerdings auch einige in frage. Zur Politik gehört aber auch, dass die Stufe in Deutschland gebaut werden soll, was den Kreis wieder einengt. Das die Franzosen leichte Strukturen bauen können sieht man an der EPC, die mit der sechsfachen Treibstoffmenge nur doppelt so viel wiegt.

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