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Bernd Leitenbergers Blog

Macht mehr drauss

Nachdem ich erfahren habe, dass man von EADS aus wieder meine Webseiten besuchen kann (war anscheinend für eine Zeitlang gesperrt) muss ich doch was tun, damit man wieder eine Sperre einrichtet, denn nicht nur SpaceX missfällt mir, auch bei EADS ist einiges im Argen. Da gäbe es auch was zu sagen zu Webseiten die dauernd ihre Adresse ändern, sodass man sie gar nicht erst Bookmarken muss (wie die mit den Ariane 5 Launchkits) über die Verdrängung von Information durch Flash bis hin zu der Einwegkommunikation (man kann ihnen gerne eine Mail oder auch ein Dutzend schreiben, nur Antwort wird man keine bekommen).

Aber das ist ja nicht das Kerngeschäft dieses internationalen Rüstungs- und Weltraumkonzerns, sondern die Produktion von Hardware und da ist nun ja die Ariane 5 ME beschlossen, verbunden mit einer Vorentwicklung der Ariane 6. Das wäre nun die Gelegenheit etwas richtig zu machen.

Die Ariane 6 ist zwar noch nicht endgültig festgelegt, doch was sicher sein dürfte, ist das das Vinci Triebwerk auch in der Ariane 6 zum Einsatz kommen sollte. Zeit für eine gute Konzeption der ESC-B, die es ermöglichst von dieser Stufe möglichst viel auf die Oberstufe der Ariane 6 zu übertragen.

Von der ESC-B ist noch nicht viel bekannt, aber was man weis, ist das sie zwischen 27,5 und 28,4 t Treibstoff fassen soll und trocken zwischen 6 und 6,25 t wiegt, je nach Quelle und das ist kein Ruhmesblatt. Das Trockengewicht ist viel zu hoch. Zum Vergleich die Delta 4 Zweitstufe hat auch eine Treibstoffzuladung von 27,5 t und wiegt 3,5 t trocken. Da die Oberstufe auch einen Orbit erreicht, bedeutet aber jedes Kilo mehr bei der Trockenmasse ein Kilo weniger Nutzlast. Oder anders ausgedrückt – würde die ESC-B wie die Delta 4 Zweitstufe anstatt 6 t nur 3,5 t wiegen, so würde die Ariane 5 nicht 12 sondern 14,5 t Nutzlast transportieren.

Die Ursache ist leicht geschildert: Die ESC-B befindet sich wie die ESC-A direkt oberhalb des Stufenadapters, in dem die Kräfte der Feststoffbooster übertragen werden. Sie wird daher erheblich durchgeschüttelt. Diese Problematik hat man bei der ESC-A durch eine massive Konstruktion gelöst, denn auch die ESC-A hat dieses hohe Gewicht (hier sind es 4,5 t). Vor allem die tragenden Tanks sind sehr massiv. So wiegt bei der ESC-A der Sauerstofftank 220 kg und der dreimal voluminöse Wasserstofftank 1980 kg, also pro Volumen dreimal mehr. Die Ursache: Der Wasserstofftank ist tragend und der Sauerstofftank nicht.

Natürlich ist die Position schlecht. Sie ist schlechter als z.B. bei der Centaur auf der Titan, wo die zweite Stufe einen Teil der Schwingungen abfederte, sodass hier die Trockenmasse nur um 10% höher lag als bei der Atlas Version der Centaur. Sie ist daher auch nicht direkt mit obiger Delta 4 Oberstufe vergleichbar. Doch das Manko haben auch andere Konstruktionen. Beim Space Shuttle Tank übertragen die beiden Feststoffbooster auch direkt die Schwingungen auf den Tank und an der anderen Seite hängt sogar noch ein bis zu 120 t schwerer Orbiter dran. Bei der Ares I wäre die Oberstufe auch direkt auf einen Feststoffbooster montiert geworden. Das ergibt noch stärkere Belastungen als bei der ESC-B, doch beide Tankkonstruktionen sind deutlich leichtgewichtiger.

Das verwundert nicht, denn die Konstruktion von Astrium Bremen ist solide, aber eben nicht gerade effektiv oder elegant. Es gibt drei grundlegende Technologien um die Leermasse zu senken:

Fangen wir mit dem Letzten an: Das idealste ist es die Vibrationen gar nicht erst weiterzugeben. Ariane 5 hat schon immer ein Vibrationsdämpfungssystem, das auch im Laufe der Zeit verbessert wurde. Man könnte hier weiter ansetzen, auch wenn das zuerst anscheinend Nutzlast kostet. Wird die Trockenmasse der EPC um 1000 kg erhöht, so sinkt die Nutzlast um 340 kg. Solange also pro 1000 kg mehr für den Stufenadapter die ESC-B um mehr als 340 kg leichter wird, hat man einen Gewinn. Passive Systeme kommen da allerdings bald an die Grenze und aktive Systeme, die mit verschiebbaren Gewichten arbeiten wie mal für die Ares I angedacht waren, sicher für eine kommerziell genutzte Rakete zu teuer.

Das zweite ist es die Stabilität zu erhöhen. Das geht durch Innendruckstabilisierung. Sie setzt die Centaur ein, aber auch die EPC, die dadurch erheblich leichtgewichtiger als die ESC-B sind. Nur wird die EPC eben nicht von Astrium Bremen gefertigt…. Der Effekt ist der wie bei einem Luftballon.  Der Innendruck macht ihn steif und lässt ihn viel größere Belastungen aushalten. Das kann soweit gehen, dass die Hülle ohne Innendruck kollabieren würde. Die Technik ist nun nicht gerade neu, sondern wurde schon mit der Atlas Mitte der Fünfziger eingeführt.

Das dritte ist es Gewicht zu sparen. Beim Triebwerk geht es nicht, dass ist relativ schwer. Aber bei allen anderen Strukturen. Die Planungen sehen für die Ariane 5 ESC-B die Aluminiumlegierung 2219 vor, aus der auch die EPC besteht. Diese Legierung wurde schon bei der Saturn V eingesetzt und ist „Standard“. Standard heißt aber auch: es gibt was besseres. Seit Ende der siebziger Jahre wurde an der Legierung 2195 bestehend aus Aluminium und Lithium mit kleinen Spuren anderer Metall entwickelt. Sie wiegt 5,5% weniger als die 2219 und ist trotzdem höher beanspruchbar. Das ist temperaturabhängig. Ein Mittel für die Triebstoffmischung die die ESC-B einsetzt ist 26%. Die Tanks sind also um 26% leichter.

Rechnet man nur die Tanks und rechnet man deren Gewicht von den bekannten Tankmassen der ESC-A aus, so müssten diese bei der ESC-B bei 28,4 t Treibstoffzuladung rund 4460 kg wiegen. 26% weniger sind also schon 1160 kg. Die Legierung ist übrigens nicht neu: der Space Shuttle Tank besteht aus ihr, zumindest in der Version die für die ISS genutzt wird (die Konstruktion war 1988 fertig wurde aber erst eingesetzt, als man die mehr Performance brauchte). Sie war für die Ares I EDS vorgesehen und wenn man SpaceX glauben kann bestehen ihre Tanks auch daraus (die Legierungsnummer wird nicht explizit genannt, aber es gibt nicht viele „Lithium-Alumnium-Alloys“.

Bei den anderen Teilen wie Schubgerüst kann man Composite Verbundwerkstoffe einsetzen. Hier ist die Gewichtseinsparung noch höher. Das geht bei allen Teilen, die nicht tiefe Temperaturen aushalten müssen, z.B. Schubgerüst, Abschlussring.

Der dritte Punkt ist es die VEB einzusparen. Die VEB ist der Geräteteil der Ariane 5, der bei Ariane traditionell ein eigener Baustein ist. Er sitzt auf der Oberstufe, bedingt durch die gewölbten Tankböden würde aber der Platz oben auf der Stufe ausreichen dort die Elektronik, Batterien und den Lagereglungstreibstoff unterzubringen. Eventuell verlängert man diesen Teil leicht. Die Folge ist dass man die Trockenmasse der VEB stark verringern kann. Beim Übergang Ariane 5 G → ESC-A wurde die VEB schon um 450 kg leichter, weil man sie verkürzen konnte, sie nicht die Last der EPS mittragen musste. Realistisch kann man, wenn man die Elektronik in die Stufe verlagert, so sicher 350 der 950 kg der VEB einsparen. Zusammen wären das dann schon rund 1500 kg. Das würde die Nutzlast der ESC-B auf 13,5 t steigern, anstatt nur 12 t.

Eventuell kann man ja auch Innendruckstabilisierung und leichte Legierung kombinieren, dann wirds vielleicht noch etwas mehr, vielleicht in Richtung 2 t? Immerhin: die Delta 4 Zweistufe ist immer noch leichter, verwendet aber beide Techniken nicht, die Centaur ist nochmals 10% leichter mit Innendruckstabiliiserung und die Ares EDS sollte sogar ein Voll/Leergewicht von 16,6 erreichen – für die ESC-B werden von Astrium Bremen nur 5,5 anvisiert. Das ist zwar nicht direkt vergleichbar, zeigt aber dass noch einiges an Luft offen ist.

Es gäbe aber auch noch zwei wichtige Gründe sich reinzuhängen und sich nicht mit dem derzeitigen Design zu begnügen. Der erste: Wenn mal die Ariane 6 kommt. Wer bekommt dann den Auftrag für eine neue Oberstufe? Eine Firma die nur schwere und massive Stufen bauen kann, weil sie bisher nur eben kleine Oberstufen mit lagerfähigen Treibstoffen selbst entwickelt hat, oder eine Firma die den Anschluss an die derzeit aktuelle Technologie hat? Schließlich bedeutet eine leichte Stufe auch bei der Ariane 6 mehr Nutzlast.

Und der zweite ist der Grund, der der mich antreiben würde, wenn ich bei Astrium Bremen arbeiten würde: Ich will stolz auf meine Arbeit sein, dass klappt aber nicht wenn man einen Eintrag im Guinessbuch der Rekorde hat für die Stufe mit dem niedrigsten Start/Leergewichtsverhältnis ….Ich würde mich schämen so was als Arbeit abzuliefern.

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