Bernd Leitenbergers Blog

Machen wir es uns einfach: Nord Koreas Raketenstart

Diesen Eindruck habe ich erneut beim ersten erfolgreichen Satellitenstart von Nordkorea gewonnen. Seit 1998 unternimmt Nordkorea Versuche einen Satelliten in den Orbit zu befördern und so lange gibt es bei jedem dieser Starts Proteste, es verwundert nicht dass der südliche Nachbar Südkorea protestiert, schließlich trennt beide eine stark bewachte Grenze. Daran haben auch vorsichtige Schritte der Annäherung nichts geändert. Und natürlich protestiert auch Japan, das schon seit Jahrzehnten zu beiden koreanischen Staaten ein gespanntes Verhältnis hat – nur diesmal umgekehrt. Das beruht auf den Gräueltaten im zweiten Weltkrieg. Das die USA protestieren und es trotz eigener NORAD Daten als ICBM Test ansehen ist auch nicht verwunderlich, denn die USA scheinen nicht ohne irgendwelche Gegner existieren zu können, genauer gesagt – fassbare Gegner in Form von Diktatoren und Staaten. Und da ist ja die Auswahl recht klein geworden. Der Ostblock ist Geschichte, die Diktatoren in Ländern die die USA interessieren (wer interessiert sich schon für Diktatoren in Zentralafrika, außer es gäbe dort Rohstoffe) wurden weniger. Gaddafi ist Geschichte, Fidel Castro hat an seinen Bruder abgetreten der mehr auf Annäherung aus ist, Hussein haben sie hingerichtet. Bleiben nur noch Iran und Nordkorea. Die müssen nun herhalten, um das gewaltige Militärbudget (mehr als das gesamte der folgenden 13 Staaten zusammen!) zu rechtfertigen.

Was mich verärgert ist. unsere Bundesregierung wie viele andere Länder und der UN-Sicherheitsrat unisono auf diese Argumentation eingestiegen sind. Natürlich gibt es die UN-Resolution 1718 von 2006 die Nord Korea jegliche Tests einer „ballistic missle“ verbietet. Nur handelt es sich bei einer Trägerrakete um einen „launcher“ und nicht eine „ballistic missle“ (hier ist die englische Sprache mit zwei unterschiedlichen Wörtern definitiv der deutschen überlegen). Unbestritten ist, dass man mit einer ICBM einen Satelliten starten kann. Das haben zahlreiche Nationen beweisen. Manchmal frage ich mich auch wie intelligent die Medien sind, die kritiklos alles wiedergeben, ohne es wenigstens zu kommentieren. So kam am Sonntag die Meldung dass Südkorea anhand eines Treibstofftanks festgestellt hat, dass die Rakete die USA erreichen könnte. Wahnsinn! Welche Erkenntnis! Hallo? Ist da noch jemand im Land der unendlichen Dummköpfe? Das Ding ist in einen Orbit eingetreten. Was einen Orbit erreicht kann jeden Punkt der Erde erreichen. Herr schmeiß Hiirn ra!

Auf der anderen Seite kann Nordkorea damit nur beweisen, das die Rakete prinzipiell funktioniert. Das wichtigste, die Zielgenauigkeit wird bei einem ballistischen Test mit einem konventionellen Sprengkopf getestet und dafür liefert eine Trägerrakete nur bedingt Daten. Mit „normalen“ Stufen erreicht man allenfalls Genauigkeiten vom 1 km, da bei Geschwindigkeiten von 7000 m/s und Distanzen von 8000-13000 km schon Bruchteile einer Geschwindigkeitsabweichung von 1 m/s wie sie heute typischerweise erreicht wird, zu einer Zielabweichung im Bereich von 1 km oder mehr führen. Moderne ICBM haben daher Busse die mit kleinen Hydrazintriebwerken nach dem Brennschluss kleine Bahnkorrekturen durchführen und auch die Sprengköpfe bei MIRV auf getrennte Bahnen senden. Ich würde, wenn ich im US-Verteidigungsministerium sitzen würde, mir nach dem Start eher weniger Sorgen machen: Geplant war ein 500 km hoher kreisförmiger Orbit. Erreicht wurde einer von 494 x 588 km. Gemessen in Geschwindigkeiten sind das 7613 m/s Soll und 7642 m/s Ist, also eine sehr große Abweichung, die dazu führen würde, dass beim Einsatz selbst eine Großstadt verfehlt würde

Wenn man die reale Gefahr betrachtet, so dürfte einem der Konflikt zwischen Indien und Pakistan, beides Atommächte mehr Sorgen machen. Indien hat dieses Jahr auch eine Rakete getestet – eine Feststoff-Mittelstreckenrakete, die anders als die Unha schnell gestartet werden kann. Und Indien und Pakistan bekriegen sich seit Jahrzehnten, während Nordkorea seit dem Koreakrieg keinen Krieg geführt hat. Selbst die Bundeswehr ist seitdem an mehr militärischen Konflikten beteiligt gewesen.

Meiner persönlichen Ansicht nach ist es ein Wettlauf zwischen den beiden koreanischen Staaten, wer als erstes einen Satelliten ins All bringt und der wurde von Nordkorea gewonnen. Signale des Satelliten wurden bei 478 MHz auch empfangen, auch hier lief es suboptimal, er scheint nach optischen und funktechnischer Vermessung zu taumeln.

Einfach macht man es sich auch wenn es darum geht, woher die Technologie kommt. Selbst in der Wikipedia steht der Unsinn drin, weil ja jeder von jedem abschreibt: Die Rakete wäre eine Weiterentwicklung der SCUD. Die von Nordkorea mit Sicherheit bezogene Version SCUD-C hat einen maximalen Durchmesser von 0,89 m und wiegt 6,4 t. Daraus eine Trägerrakete zu entwickeln die zehnmal schwerer und den dreifachen Durchmesser hat, ist nahezu unmöglich. Man kann Raketentriebwerke nicht einfach hochskalieren. Wenn dem so wäre, dann wäre das toll. Wir entwickeln einfach ein Triebwerk im kleinen Maßstab und skalieren einfach hoch. Stattdessen entwickelt man aber neue, weil das nicht geht. Das zeigt schon die Physik. Wenn man den Durchmesser eines Triebwerks verdoppelt, dann steigt die Oberfläche um das vierfache an, aber das Volumen der Brennkammer um das achtfache. Bei ebenfalls vierfachem Treibstoffdurchsatz (verdoppelter Leitungsdurchmesser) müsste der Brennkammerdruck absinken.

Wahrscheinlicher ist, das Nordkorea chinesische Raketen adaptierte, wenn man diese Idee der „Nicht-Selbst“ Entwicklung weiterverfolgt. Gemessen am benötigten Schub, aber auch Abmessungen der ersten Stufe gibt es Ähnlichkeiten zur Langer Marsch 1. Dafür spricht auch, das China der letzte Staat war, der Nord-Korea noch wohlgesonnen war.

Andere Spekulationen gehen davon aus, dass die erste Stufe vier Triebwerke der zweiten Stufe einsetzt. Diese scheint (zumindest das ist glaubhaft) aus der Taepodong-1 entwickelt worden sein, mit der 1998 ein Startversuch gemacht wurde. Obwohl es durch Reporter die im April zum Start zugelassen waren inzwischen gute Bilder von der Rakete gibt, ist vieles noch offen. Die Startmasse wird zwischen 80 und 91 t angegeben, der Durchmesser zwischen 2,25 und 2,5 n. Die Höhe zwischen 27 und 32 m. Da nun Südkorea einen Tank aus dem Wasser fischte, kann man einiges präzisieren. Ich hatte mich schon im April versucht anhand der Größen von Arbeitern neben der Rakete deren Abmessungen einzuschätzen, da nun der Durchmesser der ersten Stufe von 2,40 m bekannt ist kann man deren Länge zu 14 m angeben. Die Rakete selbst ist so deutlich kürzer als bei den Prognosen. Wenn die Düse der ersten Stufe nicht noch in der Startplattform hineinragt, was man auf den Fotos nicht genau erkennen kann, dann sind es nur etwas mehr als 26 m. Auch die Startmasse erscheint hoch. Klar ist nur, dass eine Komponente des Treibstoffs Salpetersäure oder Stickstofftetroxid sein muss, das zeigen braune Wolken bei der Zündung. Da der aus dem Meer gefischte Tank mit 7,6 m Länge mehr als die Hälfte der Länge ausmacht, durfte eine Kombination von Stickstofftetroxid mit Hydrazinen ausscheiden, da wären beide Tanks fast gleich groß. Dann bleibt aber kein Platz mehr für ein Triebwerk. Geht man von einer maximalen Länge von 4 m für den zweiten Tank aus, so wären die Kombinationen Salpetersäure/UDMH und Salpetersäure oder Stickstofftetroxid/Kerosin möglich. Üblicherweise wird Salpetersäure/Kerosin angegeben, das ist der bei der Scud B eingesetzte Treibstoff.

Hinsichtlich Leistung sind alle Kombinationen vergleichbar. Ich würde vermuten dass aus wirtschaftlichen Gründen Kerosin eingesetzt wird. Hinsichtlich Masse vermute ich, dass die Rakete wesentlich leichter als angenommen ist. Die Kosmos 11K65 hat denselben Durchmesser und setzt denselben Treibstoff ein. Eine 23,50 m lange Erststufe wiegt da 86,5 t. Bei 14-17 m Länge kommt man dann bei der ersten Stufe der Unha-3 auf 51,5 bis 62,5 t. Die oberen Stufen haben deutlich kleinere Durchmesser (1,48 und 1,25 m). Versuche von mir, den Schub und den aus dem Tank rekonstruierten Salpetersäurevorrat sowie die Brennzeit mit anderen Angaben für chinesische Triebwerke oder modifizierte SCUD Triebwerke in Einklang zu bringen scheiterten. Mit Sicherheit ist die Rakete eher im unteren Teil der Schätzungen anzusiedeln. Bei den beobachteten 1,28 G Startbeschleunigung und 77,6 t Startmasse muss der Schub unterhalb von 1.000 kN liegen, nimmt man noch die bekannte Brennzeit der ersten Stufe beim letzten Start hinzu (104 s), so kommt man bei realistischen Werten für den spezifischen Impuls auf Treibstoffzuladungen von unter 50 t. (Startmasse dann unter 70 t). Ich habe ein paar Stunden versucht die Werte mit anderen Daten in Einklang zu bekommen um den Artikel zu verbessern, doch das klappte nicht. Vielleicht kann man aber auch den Umkehrschluss ziehen, dass die Nordkoreaner selbst ein Triebwerk entwickelt haben, dass eben von dem der Scud oder Langer Marsch 1, die auch gerne als Vorlage genannt wird, abweicht.

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