Bernd Leitenbergers Blog

In Memoriam: Jesco von Puttkamer

Wie ihr sicher in den Nachrichten gehört habt, ist gestern Jesco von Puttkamer gestorben. Ich nehme an, die meisten kanntn ihn. Wenn immer es um Raumfahrt ging, kam er im Fernsehen, er ging auch in Deutschland auf Vortragsreise, war eine Zeitlang Professor in Aachen, vielen ist er auch bekannt als Buchautor, ich selbst habe acht Bücher von ihm, mehr als von jedem anderen Autor auf dem Gebiet.

In Deutschland war auch daher die Bestürzung groß, weniger in den USA, vielleicht weil auch General Schwarzkopf gestorben ist, vielleicht weil er dort weniger bekannt war. Etwas schwer tun sich die Nachrufe mit der Würdigung. Am einfachsten ist es andere zitieren von Anderen, da fallen dann Worte wie „Visionär“, „Institution“. Na ja, Institution ist man sicher, wenn man dienstältester Mitarbeiter der NASA ist, Mit 79 wäre wohl jeder andere schon längst pensioniert worden, Doch was hat er gemacht?

Nun offensichtlich ist es leichter über von Puttkamer zu schreiben, als seine Bücher zu lesen, dort steht es rudimentär in zweien drin. er wanderte 1962 in die Staaten aus, dann war er wohl an der Saturn V Entwicklung beteiligt (was genau erfährt man nicht) und 1974, als die Entlassungswelle nach Skylab anstand wechselte er ins „Office for Manned Spaceflight“ in die Langzeitplanung, einen Job den er wohl weiter behalten hat. Irgendwie konkretes, was er geleistet hat, ist anscheinend bei der NASA auch nicht ihm zuzuordnen, viel mehr hat er eben geplant und verwaltet, auch das ist ein Job der getan werden muss. Ihn als Chef der ISS zu stilisieren, wie dies manche Nachrufe tun, halte ich aber für falsch. Ich denke, in den den letzten 1-2 Jahrzehnten war er vor allem für die NASA wichtig als Publizist, als medienwirksame Figur, eben als Visionär. Nicht nur für uns Deutsche. Auch den Amis gefällt sicher die Story von dem Deutschen der nach einem Telegramm von Wernher von Braun seine Sachen packt und in die Staaten reist um dann Planungschef zu werden. Das ist doch genau das was sie unter ihrem „American Dream“ verstehen.

Soweit der Teil, was andere über ihn schreiben. Doch was denke ich über von Puttkamer? Ich habe zwar acht Bücher von ihm, habe mir aber nur zwei neu gekauft, der Rest später gebraucht, und das sagt schon etwas aus. Empfehlen würde ich von den acht nur zwei, die er auch immer wieder unter neuen Titeln wiederauflegt. Eines über Apollo 11 und ein zweites über die Marsforschung und bemannte Marsmissionen. Im letzteren kann man viele Informationen über die Marsforschung rausziehen, auch etwas zu den Herausforderungen. Den Rest kann man ignorieren. Bei den anderen Büchern ist das weit weniger so.

In den Achtzigern beeindruckte mich, wie viele technische Daten in den Büchern waren und wie viele Details. Mit dem Aufkommen des Internets wusste ich dann, das das keine Hexerei war, er musste nur die Broschüren oder Press-Kits/Press Releases der NASA durchlesen. Das wertet die Bücher nicht ab, so viel Mühe machen sich ja die wenigsten Autoren und „Insider“ Bücher gibt es eigentlich fast keine mehr. Was mir aber zunehmend aufstieß, ist die in diesen Büchern deutlich werdende Fortschrittsgläubigkeit und die unkritische Nicht-Hinterfragung der bemannten Raumfahrt. Was in Zukunft konkret geplant wird, und was seiner Ansicht nach möglich ist, das wird nur wenig unterschieden. In seinen drei in den Achtzigern erschienen Büchern zur Space Shuttle Zeit („der erste Tag der neuen Welt“, „der zweite Tag der neuen Welt“, „Rückkehr zur Zukunft“ ist das zu sehen. Der erste Buch erschien nach STS-1 und enthält Prognosen was man alles mit dem Shuttle anstellen wird:

Das Buch konstatiert dass man 2010 einen Gewinn aus der Weltraumnutzung in Höhe von 75 Milliarden Dollar (Preisbasis 1977, also heute mindestens dreimal so viel wert) machen wird. Das wäre etwa zehnmal mehr, als heute alle westlichen Raumfahrtagenturen zusammen ausgeben. Ich bin überzeugt, auch das stammt aus NASA Studien, die für die Atommüllentsorgung habe ich, als ich es mal genauer wissen wollte, schon gefunden. Die Frage ist warum er relativ unkritisch diese Studien publiziert, schlussendlich sollte er doch in seiner Position wissen, was das Shuttle kann und wie teuer es ist.

Das nächste, 1985 erschienen, widmet sich dann der Raumstation (heute ISS, damals noch „Freedom“), die damals gerade beschlossen war und ihrem anspruchsvollen Plan. (Fertigstellung 1995, also nur 15 Jahre verhauen). Auch hier finden wir wieder den riesigen Kommunikationssatelliten (nun je nach Wellenlänge zwischen 60 und 1000 m groß), nur etwas weiter in die Zukunft projiziert und ach ja ich hätte es fast vergessen, seit 20098 haben wir die erste Mondbasis.

Beim letzten Buch der Achtziger hat er dann hinzugelernt und „nur“ noch Projekte beschrieben, die geplant wurden, aber zu diesem Zeitpunkt eben noch nicht bewilligt. So flog eben nicht 1997 die 14 t schwere EOS Plattform zur Erdbeobachtung in den Orbit. Im Gegenteil. Die NASA wird wenn a 11.2. der Start von Landsat 8 klappt, endlich Landsat 5 aus dem Jahre 1984 außer Dienst stellen – In den 20 Jahren danach konnte sie nur zwei Nachfolgemodelle starten. Landsat 6 ging 1993 bei einem Fehlstart verloren, Landsat 7 liefert seit 2003 deutlich schlechtere Bildqualität.

Mit dem Beginn der ISS folgt dann wieder der alte Optimismus, samt Seitenhieben auf Deutschland (wie wenig sich doch Deutschland/ESA mit Columbus an der ISS beteiligt, mit 10% der Soligelder hätte Deutschland ein eigenes Mondprogramm absolvieren können, zumindest letzteres wäre mir auch lieber, anstatt generalsanierte ostdeutsche Kommunen).

Für viele ist von Puttkamer visionär, weil er zeitlebens von bemannter Raumfahrt geredet hat, immer mit Zielen wie dem Mond oder noch mehr dem Mars im Kopf. Obwohl sich der Zeitpunkt der Missionen seit Jahrzehnten konstant in die Zukunft verschoben hat und die bewilligten Programme (sowohl bei der ISS, wie auch Constellation) in einem ziemlichen Gegensatz zu realistischen Kostenschätzungen standen. eigentlich hätte ich von einem Insider mehr Realismus erwartet, das ist das was in seinen Büchern fehlt. Das er dies wahrnahm, zeigt er selber, denn außer Visionen besteht jedes seiner Bücher aus einem Überblick der Raumfahrtaktivitäten dieser Zeit und das meiste da war eben unbemannte Raumfahrt.

Jesco von Puttkamer war in der Tat Visionär. Es gibt da zwei Sorten, die eine vom Typ Elon Musk oder Robert Zubrin, abgehoben von der Realität, jeden logischen Gedanken ausblendend oder nur das wahrnehmend was ins Konzept passt. Die zweite Sorte ist der mehr pragmatische Typ, wie Wernher von Braun, die Sorte die erkennt, dass die technologische Entwicklung bestimmte Dinge in nächster Zukunft möglich macht und sie auch noch finanzierbar sind. Natürlich ist es einfacher den ersten Typ als Visionär zu bezeichnen, doch sehe ich darin nur eine Leistung, wenn die Vorhersage präzise ist und sich mit der späteren Wirklichkeit einigermaßen deckt. Also nur, weil Jules Verne eine Mondfahrt beschrieb, würde ich ihn nicht als Visionär bezeichnen, weil fast nichts von dem beschriebenen so umsetzbar war (Start in einer Kanonenkugel, Hühner als Lebendproviant etc.). Jesco von Puttkamer ist kein Träumer gewesen wie Musk oder Zubrin, auch kein Pragmatiker wie Braun, sondern er lag dazwischen. Was ihn auszeichnete, war zwar ein Realismus, gebunden an die laufenden Projekte, aber verbunden mit einem Optimismus, dass man dabei nicht stehen bleiben müsste, sondern zum Mars aufbrechen müsste. Er blendete leider, wie viele andere die Kosten und die Sinnhaftigkeit aus. Doch gerade diese Gründe sind dafür verantwortlich, dass die bemannte Marslandung immer konstant 20 Jahre in der Zukunft liegt.

Er wird mir fehlen, schon alleine deswegen, weil es langweilig wird, wenn alle meiner Meinung sind. Ohne Vielfalt, ohne gegensätzliche Standpunkte wird es öde.

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