Demokratie à la Ostfildern
Heute mal ein Thema das mir wichtig ist, auch wenn es die meisten Blogleser die ja nicht gerade in meiner Nähe wohnen, interessieren wird. Es ist ein kommunales Thema. Ich wohne ja in einer dieser Patchwork-Gemeinden, also Gemeinden die man zu einer Stadt zusammengeschlossen hat, auch wenn die Bürger nicht so begeistert davon sind. Seit einigen Jahren wächst bei mir der Unmut wie es bei uns so zugeht. Da ist zum einen der Zentralismus – immer mehr Einrichtungen finde ich nicht mehr vor Ort sondern vor allem im „neuen“ Stadtteil Scharnhäuser Park. Neu weil das bis vor 20 Jahren ein US-Kasernengelände war. Bei städtischen Einrichtungen die ich nur selten besuchen muss wie das Rathaus kann ich nachvollziehen, dass man diese zentral betreibt und so Kosten spart. Doch bleibt es nicht dabei. Besonders schlimm ist auch das der Einzelhandel bei uns zumacht und dort, weil es noch Platz für große Gebäude gibt die Discounter auf machen. Ein Gegensteuern von der Politik ist aber nicht zu erwarten, denn es erfolgte ja in den vergangenen Jahren nichts um diese Tendenz zu stoppen.
Vor 10 Jahren beschloss dann unsere Stadt, dass ihr drei Hallenbäder zu viele sind und sie zwei zumachen will. Das einzige das blieb ist das an dem Gymnasium/Realschule in Nellingen, das natürlich dann durch Vereine und Unterricht weitgehend belegt ist und an manchen Tagen dann nur stundenweise aufmacht. Die beiden anderen wurden von privaten Vereinigungen weiter betrieben. Das Kemnater weil es klein ist bis jetzt immer noch. Das Ruiter, dass zwar die Verluste um 80% reduzieren konnte, aber immer noch Verluste machte, musste nach 5 Jahren zumachen. Undenkbar dass die Stadt sich dann noch beteiligt, obwohl es dass einzige Bad mit durchgehenden Öffnungszeiten war. 20% mehr als die 390.000 Euro Verlust die das Nellinger nach wie vor jedes Jahr generiert kann sich unsere verarmte Stadt nicht leisten, wohl aber neue Schulen die im Finanzplan mit der hundertfachen Summe stehen.
Bei der letzten OB-Wahl waren wohl darüber und über andere Missstände so viele verärgert, dass sie den Bewerber aus der Verwaltung Finanzbürgermeister Lechner nicht wählten, sondern den bis dahin bei uns völlig unbekannten Bolay. Lechner ist natürlich immer noch Finanzbürgermeister, es wäre ja zu viel verlangt Konsequenzen aus der Wahlniederlage zu ziehen.
Hat sich was geändert? Nein. Bolays Programm ist Familienfreundlichkeit und Bildung. Also wird nun das alte Ruiter Hallenbad abgerissen und dort eine neue Schule gebaut, obwohl wir nicht das Geld dazu haben.- Die 100 m weiter gelegene Justinus Kerner Schule zu sanieren wäre wohl zu einfach gewesen. Nun ich habe nichts gegen Bildung und Familienfreundlichkeit, aber der Rest der Bürger scheint wohl nur noch dafür da zu sein Steuern zu zahlen. Der Zustand der Straßen ist katastrophal. Viele Straßen haben Schlaglöcher die monatelang nicht repariert werden und wenn dann nur geflickt, sodass sie bald wieder aufbrechen oder es Hubbel oder Versenkungen gibt in denen sich dann Wasser sammelt (da freut man sich als Radfahrer, vor allem wenn ein Auto da durchfährt) und als Folge habe ich immer öfters einen Platten am Fahrrad den ich flicken muss. Man sollte meinen für Familien wären auch Fahrradwege wichtig, doch da offensichtlich die Schüler alle mit der Stadtbahn fahren genießen die nur geringe Priorität. Ansonsten kann ich auch nicht feststellen, was sich in den vergangenen 5 Jahren der Amtszeit von Christof Bolay geändert haben sollte, wenn es nicht um Bildung und Familienfreundlichkeit, sondern alle anderen Bürger geht.
Dafür hat kein anderer Politiker ein solches Geltungsbedürfnis – während wir den vorherigen Bürgermeister äußerst selten mal im Bild sahen, vergeht eigentlich keine Woche in der er nicht in unserer Stadtrundschau vorkommt, meistens mehrmals. Inzwischen ist es schon Sport geworden zu zählen wie oft – viermal war das höchste was ich bisher gezählt habe. Wer nun an Praktiken wie in kommunistischen Ländern erinnert wird, wo auch jeden Tag der Staatsratsvorsitzende in der Zeitung oder im Fernsehen auftauchte, der wird sich nicht wundern über unsere Wahl am 25.2.
Wir haben wie es auch in kommunistischen Ländern üblich ist genau eine Wahl: Christof Bolay. Mehr gibt’s nicht zu wählen. Es gibt keinen weiteren Bewerber für das OB-Amt. Damit wird dies die allererste Wahl in meinem Leben sein, (egal ob Kommunale, Landes, Bundes- oder Europawahl) wo ich nicht wählen gehe. Wenn man seinen Unmut nur noch durch Stimmenthaltung Ausdruck verleihen kann, bleibt einem ja praktisch nichts anderes mehr übrig. So funktioniert Demokratie in Ostfildern…..
Hallo Bernd,
zum Zustand der Gemeidestrassen kann ich Dir sagen, dass es in unserem Ort genau so aussieht. Zweimal im Jahr wird geflickt: im November nach den ersten Frösten und im März bevor die Frostsaison herum ist. Und neben dem Flicken sieht man schon die Risse, wo die nächsten Schlaglöcher entstehen werden.
Mich wundert, daß diese Methode preiswerter sein kann als einmal Belag erneuern und dann fünfundzwanzig Jahre nichts tun müssen.
Zur Schule: Ein Neubau ist leider nur „etwas“ teurer als eine Sanierung. Das war bei unserer Sporthalle der Fall. Sanierung ca. 4 Mio gegenüber Abriss und Neubau für 5,5 Mio. Der Neubau ist um die Hälfte größer und endlich können alle Vereine in die Halle. Dazu kommt, daß ein energetisch saniertes Gebäude trotzdem mehr Heizenergie benötigt, als ein Neubau. Daß dafür ein Schwimmbad dran glauben muß, ist besonders für die Schüler denen Sport gut täte, schlecht. Auch hier im Hohenlohekreis haben schon einige Schwimmbäder zu machen müssen.
Gruß
Wie Blog klar geworden geht es mir um das Gleichgewicht: Diesem Ziel „Bildung und Familie“ wird alles andere untergeordnet. Die Schule ist nicht dringend nötig sonst gäbe es sie schon. Geplant wird seit mindestens 5 Jahren, auch jetzt kann man sie sich nicht leisten und baut sie auf Kredit. Dafür hat man Geld, für andere Dinge nicht. Vor zwei Jahren wollte man sogar das Streugut für die Bürger streichen um 100.000 Euro im Jahr einzusparen. Dabei räumt unsere Stadt eigentlich nur einige Hauptstraßen und sonst nichts.
Weiss nicht wie es in Deutschland ist, aber in der Schweiz ist grundsätzlich für Exekutivämter jeder Bürger wählbar, der innerhalb des Wahlkreis wohnt, in der die Wahl statt findet.
Bei der letzten Kantonwahl bei uns gingen 10% der Stimmen an irgendwelche Leute, weil die Leute mit der Auswahl nicht zu frieden waren.
Fall ihr nicht irgendjemand wählen könnt, dann leer einlegen. Falls genügend das tun, wird er nicht gewählt.
@Thierry Gschwind: Das funktioniert in Deutschland so nicht, denn das wäre ja zu einfach. (Achtung, Sarkasmus!)
Da stecken meisst noch die Parteien dahinter, oder Leute, die viel Geld und/oder einflussreiche Freunde in selbigen haben. Dazu kommt dann ein Netzwerk von Kumpanei um bestimmte Sachverhalte (Leichen im Keller des Kandidaten) zu vertuschen und andere hervor zu heben.
Sieh dir doch mal das Theater um den Bahnhofsneubau „Stuttgart21“ an, das hier seit rund 2 Jahren läuft. So ähnliche Geschichten laufen auf kommunaler Ebene, also im viel kleineren Massstab auch anderswo.
Für Schweizer Verhältnisse ist das keine Demokratie, sondern Parteidiktatur.
Das Ergebnis der Wahl: 97,8% haben Bolay wiedergewählt, was er alks „grandiose Bestätigung seiner Arbeit“ ansieht. Ja, wenns auch so viel Auswahl gibt …. Die DDR wäre damit nicht zufrieden gewesen. Was er wohl verdrängt: Die Wahlbeteilligung lag bei 29,1%, er wurde also in Wirklichkeit von weniger als 29% der Leute gewählt.
http://ostfildern.de/OB_Wahl Ergebnis-p-9910.html
Ich habe mir euren Rat zu Herzen genommen und bin zur Wahl gegangen – und hab für mich selbst gestimmt, anders kann man seinen Unmut ja hier nicht mehr ausdrücken…
Moin,
evtl solltest du mal Kontakt zum Verein „Mehr Demokratie wagen“ knüpfen. Was Dein Dorf braucht ist ein Scherbengericht, d.h. die Möglichkeit euren OB abzuwählen.
ciao,Michael
PS: Euer Dorf hat gerade mal 36k Einwohner.
Bei einer Wahlbeteiligung von 20% sind das keine 7200 Wähler, weil die Kinder ja nicht wählen dürfen. Aus meiner Zeit im MSB/DKP sag ich mal, dass es recht einfach ist ca 3000-5000 Stimmen einfach nur durch Klinkenputzen zu bekommen, und Nichtwähler zu überreden zur Wahl zu gehen. Gerade aufm Dorf, selbst als Marxist!
Also nicht jammern, sondern jetzt schon mit Wahlkampfvorbereitungen anfangen, z.b. in Arbeitslosenselbsthilfeinitiativen, Sportvereinen, und was es sonst so aufm Dorf gibt. Ok, Baden-Würtenberg ist nicht Bremen oder Ostfriesland – hier wuerde bei einer Wahlbeteilung von 20% es ausreichen jeden zweiten Arbeitslosen zum Wählen zu überreden um über 50% zu kommen. Und Du bist nicht ich, d.h. Du hast evtl ein anderes Klientel. Aber so ein kleines Dorf sollte zu knacken sein.
ciao,Michael
Ich muss mich hier Michael K. anschließen: Wenn sich keiner der ca. 30.000 erwachsenen Bürger des Dorfes aufrafft, als Gegenkandidat anzutreten, dann ist das Ergebnis natürlich so, wie es ist. Die Hürden, als Kandidat für eine solche Gemeindewahl registriert zu werden, sind ja nicht so wahnsinnig hoch.
Kai