Bernd Leitenbergers Blog

Das HST und die Servicemissionen

Für die NASA gilt das Hubble Weltraumteleskop als Paradebeispiel für die Nützlichkeit des Space Shuttles. Er ermöglichte die Reparatur der Krümmung des Spiegels. Später kamen dann noch weitere Servicemissionen, bei denen man die Instrumente jeweils durch neue, die dem Stand der Technik entsprechen austauschte. Kritiker sehen das anders. Das ganze ist teurer als wenn man das Weltraumteleskop nachbaut. Zeit das nachzuprüfen und nachzurechnen. Das ganze ist nicht ganz einfach, weil die NASA nicht mehr die Missionskosten der Shuttle Starts publiziert.
Hier das Szenario: Anstatt Servicemissionen zu starten baut man das HST nach und setzt dort die aktuellen Instrumente ein. Die Kosten für die Instrumente muss man daher nicht berücksichtigen, sie würden auch in einem Nachbau unterkommen. Gestartet wird es jeweils mit einer aktuellen Trägerrakete. Fangen wir mal an diese zu beleuchten

Hubble war startbereit 1986, es musste bis 1990 auf den Start warten. Eine Trägerrakete hätte es aber schon 1986 hochliften können. Der Zeitverzug hat Folgen: man kann bei einem Großprojekt wie Hubble nicht einfach alle Wissenschaftler entlassen und nach 4 Jahren wieder zusammentrommeln. Die Teams müssen vier Jahre alng zusammengehalten werden. Gaia als ein neues nur mittelgroßes Projekt beschäftigt rund 400 Wissenschaftler. Bei Hubble dürften es sicher über 1000 sein. Bei einem Gehalt von 50.000 Dollar pro Jahr ist man dann leicht bei 50 Millionen Dollar Fixkosten. Wie sehr Verzögerungen ein Projekt verteuern sieht man an Galileo – die Lagerung und längere Reise verlängerten die Mission um 6 Jahre und die Kosten steigen von 960 auf 1364 Millionen Dollar. Also auch hier pro Jahr Mehrkosten von 70 Millionen Dollar. Hubble dürfte eher noch höher liegen. Immerhin wurden 1986 noch 1,3 Milliarden Dollar Kosten genannt, 1990 waren es dann über 2 Milliarden Dollar (mit Start).

Das sind schon mal 700 Millionen Dollar die das Shuttle kostete. Als Trägerraketen (um es zu starten) gab es ab 1982 die Titan 34D mit Startkosten von 154 Millionen Dollar und einer maximalen Nutzlast von 14.515 kg. 1989 folgte die Titan 4A mit Startkosten von 250 Millionen Dollar und einer maximalen Nutzlast von 18.140 kg. 1997 folgte die Titan 4B mit Startkosten von 325 Millionen Dollar und 21.680 kg Nutzlast. 2002 steht dann die Atlas 551 zur Verfügung mit 20.520 kg Nutzlast und 243 Millionen Dollar Startkosten.

Das HST wog beim Start 11.100 kg. Die zusätzliche Nutzlast erlaubt zweierlei: Zum einen bei den Nachbauten schwerere Instrumente, sowie geringere Anforderungen an die Leichtbauweise, wodurch es potenziell billiger werden kann. Eine zweite Möglichkeit ist es einen höheren Orbit anzustreben. Das hat mehrere Vorteile. Zum einen bedeckt die Erde einen Teil des Himmels, er ist nicht beobachtbar. Dieser Teil ist um so kleiner je höher der Orbit ist. Zum anderen sinkt das Teleskop laufend ab, es hat keinen eigenen Antrieb. Gestartet wurde es in einen 611 km hohen Orbit, derzeit umkreist es die Erde in 556 km Höhe. Das war nur möglich weil jede Servicemission es noch leicht anhob. Rosat, etwa zur gleichen Zeit in einen 596 km hohen Orbit ist letztes Jahr verglüht. Mit einer Trägerrakete könnte man es in wesentlich höhere Orbits befördern. Schon die Titan 34D kann es in einen 1100 km hohen Orbit bringen. Bei der Titan 3B mit der höchsten Nutzlast wäre es ein über 3000 km hoher Orbit. Als Nebeneffekt belastet dies die Batterien weniger, die pro Orbit einmal geladen und entladen werden. Alternativ wäre ein Start in einen Sonnensynchronen Orbit möglich, bei dem die Batterien nur zweimal im Jahr benötigt werden.

Würde man die Ersatzexemplare zeitgleich wie die Servicemissionen starten. So wären es folgende:

Dem müssen die Space Shuttle Kosten gegengerechnet werden. Der Start von Hubble kostete 300 Millionen Dollar, danach gibt es nur noch die Zahlen für die Servicemission 2 und bei der letzten Mission wurden 1,1 bis 1,5 Billionen genannt – vor allem wegen der Sicherheit weil eine zweite Raumfähre für den Start vorbereitet wurde. Die NASA rechnet die Zahlen gerne schön, so wird für die Servicemission 3A nur 110 Millionen genannt, doch wie immer bei der NASA sind das nur die variablen Kosten. Im selben Jahr gab die NASA aber 2426,7 Millionen Dollar für nur drei Starts aus, so macht dies über 800 Millionen Dollar pro Flug. Berechnet man außer der letzten so die Kosten so kommt auf folgende Daten:

Start: 439 Millionen Dollar

Servicemission 1: 408 Millionen Dollar

Servicemission 2: 308 Millionen Dollar

Servicemission 3: 809 Millionen Dollar

Servicemission 4: 1100 Millionen Dollar

Für die letzte habe ich die niedrigste Summe die ich fand – 1100 Millionen genommen, sie wurde auch wegen der Kosten sehr kontrovers diskutiert. Das sind 3064 Millionen Dollar für die Servicemissionen ohne Instrumente.

Es steht zu befruchten das es noch teuer ist, denn zum zwanzigjährigen Jubiläum von Hubble, 2010 wurden die Gesamtkosten von Hubble mit 9,6 Milliarden Dollar angegeben. Das ist dann nochmals 5 Milliarden Dollar mehr als die Kosten von Hubble, Startkosten und Instrumente und es fällt schwer zu glauben, dass dies alles Missionskosten sind. Das STSI das es managend hat fest 450 Personen angestellt, dazu kommen noch Mitarbeiter der ESA und vieler beteiligter Institute. Trotzdem gab das STSI an, 80% der Kosten würden in Instrumenten landen, die etwa 100-400 Millionen Dollar pro Service Mission ausmachen. So kommt man nicht auf 5 Milliarden Dollar. Es ist zu erwarten, das sie Shuttlestarts noch teurer sind, vor allem weil sie Außeneinsätze erfordern, die aufwendig in der Durchführung und Vorbereitung sind.

Aber nehmen wir nur die 3.064 Millionen Dollar, addieren dazu die obigen 700 Millionen Dollar für die Differenz der Angaben von 1986 und 1990, so ist man bei 3.764 Millionen für die Space Shuttles und Verzögerungen. Davon müssen wir die 1.222 Millionen Dollar für Startkosten mit Trägerraketen abziehen. Bleiben 2.542 Millionen Dollar für vier Teleskope. Ist das machbar? Nun das sind 635 Millionen Dollar pro Exemplar. Das wird nicht leicht. Aber die Instrumente sind nicht dabei und die machen einen ziemlichen Batzen aus. Rechnet man sie hinzu so kommt man auf über 800 Millionen Dollar pro exemplar.

Im Normalfall ist es so, dass Raumsonden und Satelliten beim Nachbau billiger werden. Um wie viel ist recht unterschiedlich. Bei völligen Neuentwicklungen ist das zweite Exemplar recht preiswert, beim Einsatz schon existierende Busse kann man kaum was sparen. Die NASA rechnete als sie noch Raumsonden im Doppelpack startete mit 30-40% der Kosten für das zweite Exemplar. In der Höhe lag auch der Nachbau von Cluster, als diese 1996 verloren gingen. Setzt man dies bei Hubble an, so sollte der Nachbau 390-520 Millionen Dollar kosten (mit Instrumenten), so sollte es möglich sein, zumal wir ja eine dauerhafte Fertigung über 15 Jahre haben, mit einem Exemplar alle 4 Jahre. Das sollte die Kosten drücken.

Mehr noch, man kann auf Erfahrungen des Militärs bauen. 2012 bekam die NASA zwei Teleskope geschenkt – mit demselben Durchmesser wie Hubble, aber für den KH-11 Spionagesatelliten entworfen. Diese wurden für 275 Millionen Dollar gebaut, also nur 138 Millionen pro Exemplar. Natürlich braucht man dann noch einen Satelliten drumherum, doch dafür hat man nun fast 500 Millionen Dollar übrig und da sollte das zu machen sein. Die Übernahme dieser Optiken hätte auch den Vorteil, dass es Weitwinkeloptiken sind, die anders als Hubble ein hundertmal größeres Gebiet abdecken. Das bedeutet dass man sie für Durchmusterungen nutzen kann – mit dem Preis, dass die Auflösung geringer ist.

Mehr noch, man könnte sogar neue Technologien einsetzen. Die nur 3402 kg schwere und 369 Millionen Euro teure Herschel hat z.B. einen Siliziumkarbidspiegel von 3,5 m Durchmesser – leichter als das Glas das HST einsetzt und daher größer, obwohl der Satellit nur ein Drittel von Hubble wiegt. EADS Astrium offeriert einen Spionagesatelliten mit derselben Technologie und 4,1 x 5,2 m Spiegel (elliptische Form) der sogar so leicht ist, dass er in einen GEO-Orbit gebracht werden kann.

Natürlich wären heute nicht mehr alle Teleskope aktiv. Astronauten haben bei Hubble zuerst das Solarpanel, dann den Bordcomputer und zuletzt die Lageregelungskreisel und die Batterien ausgetauscht. Mehr Observatorien bedeuten auch mehr Kosten. Realistisch wird man wahrscheinlich zwei, maximal drei gleichzeitig betrieben. Auch nach einem neuen Exemplar sind die alten ja nicht schrottreif. Neue Instrumente ersetzten alte um neue Beobachtungsqualitäten einzubringen, wie NICOMS für Infrarotbeobachtungen. An der Sensitivität oder Auflösung ändern sie nichts, die ist von den CCD bestimmt, die schon in der ersten Generation eingesetzt wurden, aber die Chips wurden immer größer. So hatte Hubble ursprünglich eine Wide Field und eine Faint Objekt Camera an Bord. Beide mit 800 x 800 Pixeln, nur die eine mit dem 2,5 fachen Feld. Die dritte Generation ersetzte beide Instrumente durch eine Kamera mit 4096 x 4096 Pixeln. Diese hat nun das Gesichtsfeld der großen Kamera und die Auflösung der kleinen. Verbindet also die Vorteile beider Instrumente. Mit einem CCD-Array wie sie heute mit bis zu Gigapixelgröße möglich sind, könnte man auch die Vorteil der Weitwinkeloptiken ausnützen.

In der Summe sind die Servicemissionen von Hubble also nur eine teurer Alternative für die man auch mehrere Teleskope hätte bauen können. So was gab es ja früher einmal – die OAO und OSO Satelliten wurden in Serie gebaut und erhielten jeweils neue Instrumente.

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