Die Weltraumpartei
Vielleicht geht es euch wie mir, es ist völlig egal, was man wählt, am Ende machen die Politiker doch was sie wollen und programmatisch unterscheiden sie sich kaum. Wenn man von den Parteien weggeht zu den Splittergruppen, sei es die neue „Alternative für Deutschland“ oder die schon bekannten Kleinparteien, wie die Partei bibeltreuer Christen, NPD oder mein absoluter Liebling Büso, dann sind alle gegen irgendwas. Die Büso ist die Partei, wo in den Spots mit beliebig hohen Zahlen um sich geworfen wird, und im Wahlwerbespott Rechtschreibefehler en masse sind. Das hat schon Oliver Kalkofe karikiert. Alle Kleinparteien sind gegen etwas. Gegen Homosexualität (PBC), gegen Ausländer (NPD), gegen den Euro (Büso). Nun gibt es endlich eine Partei, die für etwas ist: die Weltraumpartei.
In wenigen Tagen, am 22.sten genau drei Monate vor der Bundestagswahl steigt offiziell die Weltraumpartei in den Wahlkampf ein. Alles begann vor drei Monaten bei einem „Raumcon“, einem regionalen Zusammentreffen von Mitgliedern des Vereins „Raumfahrer.net“. Es gab Diskussionen, welche Partei denn eigentlich für Weltraumforschung im speziellen oder überhaupt für Forschung und Technologieförderung im Allgemeinen eintritt, ob man als Raumfahrtfan eine der Parteien denn wählen kann. Das Ergebnis war ernüchternd. Das Thema kam in keinem Wahlprogramm vor, auch Forschungsförderung spielt meist nur eine Nebenrolle. Warum, so wurde gefragt, ändern wird das nicht? So kam aus einer Bierlaune heraus die Idee für die Weltraumpartei. Der Vorstand von Raumfahrer.net hat in den letzten Monaten die Formalitäten dafür in Rekordzeit erledigt, wie das Sammeln von 2000 Unterschriften und die Zulassung durch den Wahlamtsleiter. Wie Karl Urban mir sagte, wurde zeitweise erwogen, sogar den Verein als Partei anzumelden. Die Hürden sind für einen existierenden Verein geringer, da er schon eine juristische Gesellschaft ist (aus diesem Grunde ist auch das DLR ein eingetragener Verein). Doch dann wären alle Vereinsmitglieder automatisch auch Parteimitglieder und man erwartete daher eine Austrittswelle. So hat man den etwas umständlicheren Weg einer neuen Partei beschritten. Jedes Vereinsmitglied von Raumfahrer.net kann jedoch ohne Zusatzkosten Parteimitglied werden.
Die Weltraumpartei ist eine klassische Ein-Themenpartie: Sie vertritt ein stärkeres deutsches Weltraumprogramm. Das unbemannte Programm sollte finanziell genauso stark wie das ESA-Programm unterstützt werden, was ein Plus von 600 Millionen Euro pro Jahr wäre. Vor allem aber sollte eine deutsche Mondlandung bis zum 75.sten Geburtstag der Gründung der BRD (2024) angegangen werden. Ich wurde gebeten dieses Konzept zu überprüfen und meinen Sachverstand beim ATV und der Trägerrakete einzubringen, und ich denke es kann gelingen.
Selbst für Deutschland wäre eine Mondlandung in 10 Jahren mit nur jährlichen Kosten von 2-3 Milliarden Euro zu finanzieren. Das Geld soll durch Streichung von Subventionen wie für den Steinkohlebergbau, die landwirtschaftlichen Großbetriebe und die Banken zusammenkommen. Schon Jesco von Puttkamer rechnete vor, dass Deutschland mit nur 10% der Mittel die in die „neuen Bundesländer“ in den ersten zehn Jahren nach der Vereinigung flossen, eine Mondlandung hätte durchführen können. Das Konzept der Weltraumpartei wird etwa 25 Milliarden Euro kosten. Das ist wenig, vor allem weil man schon auf existierende Entwicklungen zurückgreift. So gibt es bei EADS schon das Konzept einer Ariane 50 t, einer Ariane 5 mit 50 t LEO oder 20 t Nutzlast zum Mond. Sie könnte für wenige Milliarden aus der Ariane 5 ME entstehen. Drei Flüge dieser Rakete würden das Crewraumschiff mit Servicemodul, einen Mondlander und eine Stufe in einen Mondorbit bringen, wo sie gekoppelt werden.
Das Crewmodul wird aus dem CRV, das für 3-4 Milliarden aus dem ATV entwickelt wird, entstehen. Eine wesentliche Änderung ist nur der Einbau des Triebwerks RS-72/Aestus 2, einer Variation des Aestus mit einer Turbopumpe in das Servicemodul und größere Treibstofftanks. Der Mondlander wird in der Unterstufe ebenfalls das RS-72 und in der Rückstartstufe das Aestus einsetzen. Die Tanks der EPS könnten in beiden Stufen verwendet werden. Der Crewbereich muss neu entwickelt werden. Der Mondlander wird daher das Teil mit dem höchsten finanziellen Engagement. Eine Stufe mit einem weiteren RS-72 Triebwerk tankt im Mondorbit Mondlander und Servicemodul auf, damit diese genügend Treibstoff für die Landung und Rückkehr haben.
Da schon Existierendes verwendet wird, könnte das ganze in 6-7 Jahren entwickelt sein, allerdings wird man bei unserem trägen politischen System wohl mit einer Vorlaufzeit von 3-4 Jahren rechnen müssen. (Wären es Automobilhersteller oder Banken, so gäbe es das Geld sicher innerhalb von Wochen).
So könnte es aussehen: die ersten drei Flüge dienen zur Erprobung der Ariane 50 t. Dabei soll auch der Mondlander unbemannt getestet werden. Der Ablauf ist wie beim bemannten System (Starten der Treibstoffstufe, danach starten des Mondlanders, zuletzt starten des Crewmoduls, nur wird anstatt des Crewmoduls ein 14 t schweres Wohnmodul, das auf dem Columbus Labor basiert gestartet. Dieses verbleibt auf der Mondoberfläche und bietet rund 70 m³ Volumen für die Astronauten. Sind diese drei Starts ohne Probleme erfolgt, dann kann in einem zweiten Triplestart die Landung angegangen werden. Zuerst startet erneut die Treibstoffstufe. Einen Monat später folgt der Mondlander, der basierend auf den mit dem ATV gemachten Erfahrungen unbemannt im Mondorbit ankoppelt. Die Stufe tankt den Mondlander auf, da er für das Einbremsen in den Orbit schon ein Drittel seiner Treibstofffvoräte verbaucht hat. Einen weiteren Monat später folgt das Crewmodul aus einem umgebauten ATV mit einer Kapsel. Auch er koppelt zuerst an die Treibstoffstufe ab, die dafür kurz vom Mondlander abkoppelt. Sie tankt das Crewmodul auf und wird dann gezielt deorbitiert, nun koppelt das Crewmodul an den Mondorbiter an, die Besatzung steigt um und landet. Bis zu 14 Tage kann sie im Wohnmodul auf der Oberfläche bleiben. Die Zeit ist limitiert durch die Stromversorgung und Heizung mit Solarzellen. Sollte die Landung des Wohnmoduls scheitern oder bei folgenden Landungen an anderen Plätzen, so wäre die Aufenthaltsdauer auf 4 Tage beschränkt. Auch könnten dann nur 2-3 anstatt 4-5 Astronauten landen. Danach startet die Besatzung zurück in den Orbit, steigt in das Crewmodul um und kehrt zur Erde zurück. Das Crewmodul kann auch mit einer Ariane 5 gestartet werden und dann für den Astronautentransport zur ISS genutzt werden. Nach der Mondlandung könnte man auch eine eigene Weltraumstation angehen, auch dafür verfügt man mit den schon gebauten Modulen für die ISS über die Kompetenz in Deutschland.
Anders als die CNES macht es der Weltraumpartei auch nichts aus, das große Teile der Ariane und die Hälfte des ATV im Ausland gefertigt werden. „Das kleinkarierte Verfolgen von nationalen Interessen hat ja in der Vergangenheit nur zur Aufgabe des ATV und zur Parallelentwicklung Ariane 5 und 6 geführt. In der Summe verlieren dabei nur alle“, sagte mir Karl Urban. Zu den Wahlchancen gefragt: „Natürlich rechnen wir nicht mit einem Einzug ins Parlament. Wir werden auch keinen Spitzenkandidaten, sondern nur Kandidaten für jedes Bundesland aufstellen, damit alle Stimmen für uns gültig sind. Aber wie wir schon bei der bisherigen Politik sehen, reagieren die Parteien empfindlich, wenn sie Stimmen verlieren oder meinen welche durch Versprechen gewinnen zu können. Merkel verspricht derzeit Wahlgeschenke im Umfang von 25 bis 30 Milliarden Euro. Wie viele Prozent zusätzliche Wähler mag das bringen? Wenn es nur 5% sind, und die Weltraumpartei erreicht 0,5% der Stimmen, so lohnt es sich für die kühl rechnende Kanzlerin. Zudem ist da der öffentlichkeitswirksame Teil. Die Mondlandung ist nicht teurer als die WM 2006, doch eine WM gibt es alle vier Jahre. Von einer Mondlandung werden die die sei miterlebt haben noch ihren Kindern erzählen. So eine Chance lässt sich Merkel bestimmt nicht entgehen.“. Ziel ist es also die anderen Parteien (oder Merkel, denn Urban rechnet damit, dass die erneut gewählt wird) zum Handeln zu bewegen, weil die Weltraumpartei erfolgreich ist. Das ist gar kein so schlechtes Konzept. Wenn Peer Steinbrück Kanzler wird, sieht er viel mehr Schwierigkeiten. „Der ist ein Griffelspitzer, der wird jeden Cent zweimal umdrehen und hat kein Gespür für die PR-Seite des Unternehmens und das er so in die Geschichtsbücher als „Kanzler der Mondlandung“ eingehen könnte“.
Also ich weiß, wo ich am 22. September mein Kreuz mache.
Ab dem 22.sten online: www.weltraumpartei.de
Hahaha voll drauf reingefallen und gleich mal im Forum nachgefragt xD. Ich dachte mit Satire wäre politische Satire gemeint. Ich frag mich nur: was ist der Grund für den Beitrag?
Ich brauch keinen Grund wenn Du dir mal die Kategorie ansiehst wirst Du sehen, das es da alle möglichen Beiträge gibt. Diesmal gab es einen, das war die Nachricht am Freitag, dass es noch 100 Tage bis zur Bundestagswahl sind und vor vier Jahren hatte ich mal eine Wissenschaftspartei vorgeschlagen
http://www.bernd-leitenberger.de/blog/2009/09/19/parteien-werbung-und-zahlen/
daran habe ich mich erinnert und kurzerhand eine erfunden.
Wenn ich die Domain jetzt registriere, werd ich vermutlich in ein paar Wochen Millionaer 😉
Karl Urban bevorzugt übrigens die Bezeichnung „Weltraumpiraten“, so was habe ich gleich verworfen, wenn man an das desaströse Bild der Piratenpartei denkt, die sich gegenseitig fertigmachen. Außerdem muss ich dann immer an den James Bond denken bei dem ein Bösewicht russische und amerikanische Raumschiffe einfängt – oder sollte man es „kapern“ nennen?
Das wäre doch mal ein sinnvolles Konjunkturprogramm. Schon Wernher v. Braun sagte damals zum Mondprogramm: „das Geld bleibt schließlich auf der Erde“!
Wäre jetzt abseits aller Satire eine interessante Frage zu welchem Preis das heute machbar ist. Das Apollo-Programm hat inflationsbereinigt 100 Mrd.$ gekostet, etwa nach heutigem Wert. Macht ca. 77 Mrd.€. Sparen kann man da dann nur durch Nutzung vorhandenen Wissens und Technik. Für welchen Preis kann die ESA das machen bzw. sogar Deutschland allein? Deutschland hat ja nur Teile an der Ariane usw. und nicht mal ein günstiges Startgebiet vom Breitengrad her (Bernd schlug ja mal Helgoland vor…). Vielleicht bekommnt man das Programm für die Hälfte, so ca. 40 Mrd.€ ? aber für ein Land allein ist das eine Menge. Wenn man es auf 8 Jahre streckt wie Apollo, siehts doch gar nicht so teuer aus 😉
@T.J., vergiß nicht, daß sich die politische Landschaft seit den Apollotagen extrem verändert hat. Bestes und junges Beispiel ist ja die Ariane 6, deren Entwicklung weniger dem folgt, was technisch sinnvoll und effizient wäre, sondern sich an politischen Szenarien orientiert (Stichwort geo-return zum Beispiel).
Interessant wäre so ein Mond-Szenario sicherlich….
Anja
Meine Fragestellung war ja, zu welchem Preis ist das möglich, unabhängig vom Hintergrund. Politisch will das niemand…
Es sind ja zwei Fragen, zum einen was kostet es, wenn die ESA das macht und zum anderen, wenn nur Deutschland es versuchen würde (da müßte ja einiges mehr entwickelt werden).
Bernd schrieb Satire, aber was könnte man mit einer 50t-Ariane wirklich zu welchem Preis machen…
Der Preis bei mir war natürlich reine Fiktion wie alles in dem Beitrag. Die Argumente die ich angeführt habe aber nicht. Die Studie für eine 50 t Ariane und Mondmissionen gibt es
http://esamultimedia.esa.int/docs/exploration/ReferenceArchitecture/Final ReviewJan09/04_Human_moon_mission_version9esa120109.pdf
Das Aestus und sein Nachfolger Aestus 2 sind im richtigen Schubbereich für Antriebe die man für mondmissionen braucht (Aestus 2 für Commandomodul und abstiegsstufe, Aestus 1 wegen der kleineren Masse für die Aufstiegsstufe. und das es Weiterentwicklungspläne für das ATV gab, ist glaube ich auch nichts neues. Letzteres sollte 2-3 Millairden Euro kosten, womit man schon mal das Servicemodul hätte.
Apollo war teuer weil zum einen viele Technologien erst geschaffen wurden, zum anderen war es „schedule driven“ nicht „cost driven“. Wobei meiner erfahrung nach aber Raumfahrtprojekte nur teurer werden, wenn man lange Zeit lässt.
Für Mondmissionen ist der Breitengrad egal, man tritt zuerst in eine LEO Bahn ein und zündet dann erneut, wenn man die Inklination des Mondes passiert. So machte es auch Apollo. Nur die zeitfenster werden kürzer je weiter nördlich man ist. Für Mondmissionen wäre allerdings Helgoland ungeeignet, da man da nach Osten starten würde. Ich hatte die Insel für SSO Missionen vorgeschlagen, denn da geht es nach Norden und man überfliegt nur Meer.
Klar, für den Preis ginge es wohl eher nicht 😉 Die Technologie wäre also quasi vorhanden bis auf den Mondlander. Breitengrad egal? hmm ich dachte je näher am Äquator, desto mehr kann man die Rotationsgeschwindigkeit der Erde nutzen und hat höhere Nutzlasten…
Das macht aber maximal 300 m/s bei rund 12,6-13 km/s (vom Erdboden aus gerechnet mit Aufstiegsverlusten) aus. Bei GTO Bahnen wo die Inklination verringert werden muss ist der Effekt gegeben, doch das ist nicht bei Mondbahnen gefordert.
Na denn, wo stellen wir die Startrampe hin? Helgoland ist recht klein, küstennah für Anlieferungen wäre besser, mit Meer nebendran. Ost-Schleswig-Holstein vielleicht oder Rügen? Oder eben Usedom, wenn Polen nichts dagegen hat. Erfahrung mit bemannter Raumfahrt gibt es, eine Rückkehrkapsel mit Hitzeschutz auch, automatische Kopplungen, geeignete Antriebe, ausbaufähige Rakete, fehlt ja quasi nur noch der Mondlander 🙂
Ich sagte ja für SSO Missionen ist Helgoland gut, für Mondmissionen muss man ostwärts viel Wasser haben. Eine Insel in der Karibik wäre wohl das nächste. Wenn man Land überfliegen könnte ginge auch Mallorca oder die kanarischen Inseln. Wenn man nach Osten fliegt kommt da erst bei der türkei land, was schon nach Ausbrennen der Booster wäre.
Ansonsten gäbe es natürlich jede Menge gut geeigneter Startplätze, die gesamte afrikanische Ostküste, zahllose Pazifikinseln etc. Man braucht eben einen Kooperationspartner der die Erlaubnis für den Weltraumbahnhof gibt. Oder, da es sowieso kein rein deutsches Projekt ist, wir nutzen das CSG.
Es ginge auch ganz ohne Insel, siehe Sea Launch.
Nur ist die Rakete einige Nummern größer als eine Zenit 3SL
Moin Bernd,
> die gesamte afrikanische Ostküste
als Start & Landeplatz schlage ich Berbera vor. Das liegt exakt am Äquator, hat bereits eine Landebahn für Space Shuttles, einen Tiefwasserhafen für Suezmax-Schiffe und zudem eine stabile Demokratie. Falls die Gegen östlich Puntslands jemals Frieden findet, könnte dort auch die Startanlage hinverlegt werden.
ciao,Michael
Und die Web-Site ist „schon“ wieder offline.
Der Booster ist beim Start wohl hochgegangen (hämisch grinsend!)
Nix für ungut.