Bernd Leitenbergers Blog

Nach dem europäischen Mondprogramm

Also da ihr mich schon nach einem Nach-Mondprogramm Einsatz der Komponenten gefragt habt, her eine mögliche Vision. Sie mag nicht besonders originell sein, aber wenn man nach einer Lösung sucht die möglichst wenige Neuentwicklungen braucht wohl eine der wenigen Möglichkeiten.

So, mal angenommen, wir hätten ein europäisches Mondprogramm durchgeführt und ein CRV und eine Ariane mit 50 t LEO Nutzlast entwickelt. Was dann? Nun sinnvollerweise geht man dann den Erdorbit an. Eine europäische Raumstation ist damit leicht umsetzbar, wobei ich ein etwas ungewöhnliches, aber sehr praktisches Konzept umsetzen müsste.

Damit die Raumstation finanzierbar bleibt, sollten alle Module weitgehend identisch sein. Sinnvoll ist auch eine dezentrale Energieversorgung. Mir gefiel sehr gut das Konzept von Mir, wo jedes Modul einen eigenen Antrieb hat und damit an die Station ankoppeln konnte und eigene Solarzellen für die Stromversorgung so konnte die Station mit den Modulen wachsen, ohne das man wie bei der ISS solange der Solargenerator noch nicht ganz installiert ist nur eine Minimalbesatzung aufrecht erhalten kann.

Fangen wir mit den Grundsatzentscheidungen an. Es gibt zwei bevorzugte Umlaufbahnen beim Start vom CSG aus. Das eine ist eine äquatornahe Bahn. In ihr ist die Nutzlast der Ariane maximal. Der Nachteil ist, dass bei diesen Bahnregime man jeden Tag 14-15 mal die Batterien auf und entladen muss, sie also nach einigen Jahren ausgewechselt werden müssen. Ein zweiter Vorteil ist, dass wenn man keine Relaissatelliten einsetzen will man mit wenigen Bodenstationen in Äquatornähe einen Großteil der Bahn abdecken kann.  Das zweite ist eine sonnensynchrone Umlaufbahn, bei dieser hat man dieses Problem nicht und kann dazu noch die ganze Erdoberfläche erfassen, falls man Erdbeobachtung machen will. Die Nutzlast würde dann auf 43 t absinken wenn man diese Umlaufbahn anstrebt, da der Geschwindigkeitsbedarf etwa 470-500 m/s höher ist als für eine äquatornahe Umlaufbahn.

Die Nutzlast einer 50 t Ariane wäre in jedem falle groß genug ganze Module vollausgerüstet zu starten. Columbus wiegt voll ausgestattet 21 t und ist 6,84 m lang mit einem Durchmesser von 4,48 m. Leer sind es nur 9,7 t. Behalten wir den Durchmesser bei (die Nutzlasthülle der Ariane von 5,40 m Durchmesser lässt sowieso nicht viel mehr zu, so könnte man ein größeres Modul starten.

Hier nun mein ökonomisches Konzept.

Basisknoten

Der Basisknoten ist der Ankopplungspunkt für alle anderen Module. Hier könnte man einen der für die ISS hergestellten Knoten nachbauen, nur etwas gestreckter, weil man mehr Nutzlast hat. eine Änderung ist auch, das zwei kopplungspunkte vorgesehen sind für ATV/CRV, das heißt mit russischem Kopplungsadapter. Nur er erlaubt eine Ankopplung ohne Unterstützung der Station. (Einfangen mit dem Kran) Ich gehe im folgenden von einer mindestens 500 km hohen Umlaufbahn aus um die Nutzlast zu maximieren. Das reduziert den Treibstoffbedarf um die Bahnhöhe beizubehalten beträchtlich. Die Nutzlast der Ariane 5 soll 40 t in diesen Orbit betragen, das lässt sowohl eine sonnensynchrone wie auch äquatoriale Umlaufbahn zu. Basierend auf den Daten der beiden gefertigten Module wäre es dann ein 11,30 m langer Zylinder mit insgesamt 10 Kopplungspunkten: Je vier in einem Kreis an der Zylinderaußenseite am oberen und hinteren Ende. Dazu kommen je zwei auf den Zylinderkreisflächen vorne und hinten, diese sind die mit russischen Kopplungsadapter. Das lässt das Ankoppeln von bis zu 8 Modulen einem ATV und einem CRV zu. Zwischen den Kopplungsadaptern sind vier Solargeneratoren von 3 x 12 m Länge, die 40 kW Strom liefern. Weiterhin befinden sich hier zwei Arme, mit denen bei Außenarbeiten assistiert wird sowie eine Luftschleuse. Auf eine Inneneinrichtung wird verzichtet, um den Zylinder möglichst lang zu gestalten und so auch zwei Reihen von Modulen anzukoppeln.

Der nächste Start gilt dem Crewvehicle mit einer normalen Ariane 5. Sie bringt die erste Besatzung zur Station, die noch klein ist. Sie koppelt an den russischen Adapter an.

Das erste Nutz-Modul folgt nach der Ankopplung der Besatzung. Es besteht wie alle folgenden aus zwei Teilen:

Einem Modul von 4,48 m Durchmesser und 22 m Länge, es ist nicht ausgerüstet und hat an den Wänden zahlreiche Frachtschubladen zum Verstauen. Dahinter ist ein ATV Servicemodul mit dem hinteren Teil des ICC (Gas / Wasser Anschluss). An der Außenseite befinden sich am Servicemodul Solarzellen, welche weiteren Strom liefern. Die Besatzung schließt das Modul an die Bordstromversorgung und Gas/Wasser/ Kommunikationssysteme an. Dieses erste Modul ist bedeutend größer als die folgenden, weil es ein Frachtmodul ist, in ihm wird die Fracht gelagert.

Die folgenden sind nach demselben System aufgebaut, aber kürzer (8,00 m Länge) und der Mittelgang der noch verbleibt, ist vor dem Start vollständig mit Fracht gefüllt. Somit wird mit jedem Modul Fracht gebracht und bis alle acht Module angeschlossen sind braucht man keinen Frachttransporter.

Jedes Modul besteht so aus:

8 t ATV Servicemodul (Treibstoff + Servicemodul)

8 T Fracht (Trockenfracht, Wasser, Gase)

24 t voll eingerichtetes Modul.

Sieben Module können so angefügt werden. z.B. drei Forschungsmodule und vier für die Mannschaft (Fitness, Wohnbereich, Lebenserhaltung/technische Systeme etc.). Die 8 t Fracht die jedes Modul bringt, müssten bei sieben Astronauten für 6 Monate reichen. In diesem Rhythmus würde man auch die Crew auswechseln. Nach dreieinhalb Jahren wäre dann die Station komplett. (Bei der Frachtmenge habe ich mich nach den Transporten 2011/2012 zur ISS gerichtet, aber 2/3 des Treibstoffs wegen der höheren Umlaufbahn weggelassen und auf 7 Mann anstatt 6 Mann hochgerechnet).

Es ist nun eine Station entstanden mit einem Bruttovolumen von 1100 m³ oder einem Nettovolumen (feier Raum ohne Wandinstallationen) von 560 m³. Das ist mit der ISS vergleichbar auch von der Masse (400 t).

Nun würde einmal pro Jahr ein „Super-ATV“ anlegen. Das ist ein ATV mit 16 t Nutzlast, der von einer 50 t Ariane gestartet wird. Er besteht aus einem der Module, nur vollgefüllt mit Fracht. Im Serviemodul befinden sich Gase und Wasser und mit dem Treibstoff wird die Bahn regelmäßig korrigiert.  An der gegenüberliegenden seite ist dann immer das Crewraumschiff für 7 Personen. Dieses entstand aus dem normalen ATV und kann daher mit einer normalen Ariane 5 gestartet werden. Die Regelbesatzung betrage 7 Personen, so viel gehen in die relativ geräumige CRV Kapsel hinein.

Was braucht man sonst noch?

Ganz nützlich wären Daten-Relay Satelliten. Die USA setzen das TDRS-System ein. Für eine Raumstation stellen weder die Größe der Sendeantenne noch die Sendleistung ein Problem dar. Weiterhin ist es problemlos möglich in ein hochfrequentes Frequenzband für den Uplink zum Satelliten zu verwenden. Bei 32 GHz Sendefrequenz, einer 3 m großen Empfangsantenne und einer Sendeantenne mit einer Öffnung von 14 Grad kann man 250 MBit/s übertragen, was ausreichend sein sollte für alle Daten und Videosignale. Diese nur mittel bündelnde Sendeantenne hat den Vorteil sehr Tolerant bei der Nachführung zu sein.

Natürlich sind auch weitergehende Lösungen wie die Kommunikation mit zwei Parabolantennen oder Laserterminals möglich, dann kann maan leicht mehrere Gigabit/s übertragen. Ein Relaysatellit kann die Hälfte des Orbits abdecken, zwei fast den ganzen, mit kleinen Lücken. Drei in jedem Falle den ganzen Orbit.

Kostenabschätzung

Ich beziehe mich hier auf die schon gemachten Berechnungen für die 50 t Ariane im Beitrag über das Mondprogramm: 200 Millionen Euro für die 50 t Ariane, Gemäß dem Gesetz der Lernkurve würden zwei zusätzliche Ariane 5 pro Jahr einen Ariane 5 Start auf 148 Millionen Euro verbilligen. Ein ATV kostet 280 Millionen Euro und das CRV 420 Millionen Euro.

Das Columbusmodul kostet 880 Millionen Euro. Bei den gestarteten kommt aber jeweils noch ein ATV Modul dazu, dass man auf 200 Millionen Euro schätzen kann. Allerdings haben wir nicht ein Modul, sondern sieben identische und acht ATV Module. die in 6 Monatsabstand gestartet werden, das müsste sie bedeutend verbilligen. Ich rechne mit 1 Milliarde pro Stücck, auch da sie größer als Colombos sind.

Dann kommen noch die Datenrelays Satelliten. Auch wenn die ESA gerne was besonderes nimmt, es würden auch drei normale Kommunikationssatelliten reichen, die mit Start unter 300 Millionen Euro kosten. Dann sind wir bei folgenden Kosten

Einmalig / Aufbauphase

Laufende Kosten

Dazu kommt noch eine unbekannte Menge an Missionskosten für Astronautenausbildung, Mission Control, Experimente, Ersatzteile etc.

Die ISS kostet die NASA derzeit 3 Milliarden Dollar pro Jahr, und zwar ohne CRS und CCdev, also nur für Sitze auf der Sojus und die Kosten für die Station (die Versorgung übernehmen ja größtenteils Russland und die Juniorpartner). Überträgt man das auf die europäische Station so wird es wirklich teuer. Was deutlich billiger ist ist der Aufbau. Das liegt primär daran, dass man die kosten durch standardisierte Elemente senkt und nicht über 30 Flüge zum Aufbau braucht, sondern nur neun.

Richtig billig wird’s nicht, aber ich denke damit hat keiner gerechnet. Eine billige Lösung wäre wahrscheinlich so was wie das mal in der Frühphase der ISS-Beteiligung (damals hieß sie noch „Freedom“) geplante freifliegende Labor das von Hermes angeflogen worden wäre und in dem sich Astronauten nur kurz aufhalten sollten und automatische Experimente zu warten und Proben zu bergen ( neues Material zu bringen. Nur das wäre so groß wie Columbus gewesen, also viel kleiner als diese Station, sondern eher mit dem zu vergleichen was China mit Shenzhou und Tiangong betreibt.

In der Summe kostet es viel, ohne das es viel Nutzen (auch Prestigenutzen) bringt. Derzeit gibt die ESA ungefähr 540 Millionen Euro pro Jahr (2011) für den Posten „bemannte Raumfahrt“ aus. Das ist weniger als ein Drittel der Aufwendungen.

Immerhin es hätte einen Zusatznutzen – die Ariane 6 wäre vom Tisch. Das Programm macht die Fertigung von 10 Boostern, drei EPC und zwei ESC-B Oberstufen und vier Vinci Triebwerken mehr pro Jahr aus. Dadurch müsste die Ariane 5, die diese Komponenten verwendet automatisch billiger werden, denn dafür werden derzeit (bei 5,5 Starts pro Jahr) 11 Booster, 5,5 EPC und 5 Oberstufen pro Jahr gefertigt. Gemäß Lernkurve würde dies die Rakete auf 140-148 Millionen Euro verbilligen. Zuschüsse wären nicht mehr nötig und sie wäre genauso teuer pro Kilogramm Nutzlast wie die kommende Ariane 6. Wenn erst mal Falcon heavy, Langer Marsch 5 und Angara 7 zur Verfügung stehen, dann wird man auch sicher genügend schwere Satelliten für die 50 t Ariane finden, denn diese sind haben ja noch eine größere Nutzlast als die Ariane 5 ME.

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