Angewandte Chemie: Ratgeber fürs Putzen
Vor dem eigentlichen Beitrag noch eine Bemerkung. Ich habe mich entschlossen ein neues Plugin zu installieren, mit dem ihr die Beiträge der Autoren gleich anspringen könnt, (siehe rechts) vielleicht inspiriert das ja noch einige zu noch mehr Gastbeiträgen. wer schon mehrere Gastbeiträge hatte, wurde nun als „Herausgeber“ des blogs registriert und das Passwort an die mir bekannte Emailadresse geschickt. Damit können alle auch direkt posten und sollten das auch tun, das erspart mir nämlich Arbeit. Nur bitte vorher mir eine Mail schicken, da ich meist mehrere Tage im voraus poste, wenn ich gerade genug Themen habe (so auch derzeit bis zum 7.7). Für alle die schon Gastbeiträge hatten und die ich noch vergessen habe bitte melden und die Beiträge nennen. Dann registriere ich euch auch
So und nun zum eigentlichen Beitrag
Da ich heute drei Stunden lang Fließen mit dem Dampfreiniger gereinigt habe, liegt das heutige Thema auf der Hand. Putzen und zwar was passiert, was das mit Chemie zu tun hat und wie kann man als Chemiker es effizienter machen oder sich Arbeit ersparen, wenn man seine Grundkenntnisse (mehr ist es nicht) anwendet?
Fangen wir mal an mit dem Schmutz. Anders als uns die Werbung suggeriert gibt es nicht DEN Schmutz, es gibt aber auch nicht hunderte von Schmutzarten für die man hunderte von Spezialmitteln braucht. Das heißt, man kommt weder mit dem Allzweckreiniger alleine zurecht, noch braucht man etliche teure Spezialreiniger.
Man kann den Schmutz oder Verkrustungen in mehrere Kategorien einteilen:
Fettlöslicher Schmutz: der wohl bekannteste und in der Werbung am meisten behandelte Schmutz. ist fettlöslich. Das ist Fett, Schmieröl, Majonäse, Altöl etc. Um fettlöslichen Schmutz zu lösen braucht man entweder ein lipophiles Lösungsmittel oder alternativ einen Reiniger der viel Emulgator enthält. Von den Haushaltsmitteln ist das vor allem Spülmittel, weil Geschirr durch das Essen viel fett enthält. Bei richtig viel Fett und wenn die Oberfläche nicht empfindlich ist (also z.B. nicht aus Kunststoff besteht) kann es auch sinnvoll sein, ein unpolares Lösungsmittel wie Reinigungsbenzin, Terpentinersatz (Ethylacetat) oder Aceton zu nehmen. Frisches Fett bekommt man relativ gut weg. Vor allem natürliche Fette oxidieren aber im Laufe der Zeit und verharzen. Dabei werden zwischen den Doppelbindungen von ungesättigten Fettsäuren geknüpft. Das entstehende Produkt ist dann nicht mehr fettlöslich und haftet meist auch sehr gut auf der Oberfläche.
Ein anderes Problem ist, dass zähflüssige Fette auch Stoffe mit einschließen können, die nicht fettlöslich sind. Jeder kennt das vielleicht vom Fahrrad, wo die Kettenschmierung auch Rost und andere schwarzen Sachen enthält und man die Finger dreckig hat, wenn man die Kette aufziehen muss. Eigentlich ist Rost (ein Gemisch verschiedener Eisen(III)oxid-Hydrate nicht fettlöslich. Es ist in Wasser bedingt löslich. Das Problem, ist dass diese Stoffe, wenn sie auf einer Oberfläche landen, die eigentlich mehr eine Affinität zu wasserlöslichen Stoffen haben wie Textilgewebe, dort gebunden werden und dann schwer wieder herausgehen.
Der zweite Schmutz ist wasserlöslich. Eigentlich ist das der einfachste Schmutz, denn er könnte theoretisch mit Wasser ausgewaschen werden. Nun ist Wasser aber ein sehr polares Lösungsmittel. Zahlreiche Schmutzstoffe sind zwar wasserlöslich, aber nicht so polar wie das Wasser. Sie können dann eine feste Bindung mit anderen Stoffen eingehen die ebenfalls polar sind, aber eben nicht so wie das Wasser, das ist der Fall bei Naturstoffen wie Baumwolle, Leinen, Wolle. Viele pflanzliche Farbstoffe oder auch Hämoglobin, der Blutfarbstoff gehören in diese Kategorie. Sie sind gut abwaschbar wenn sie frisch sind, wenn sie aber erst mal eingetrocknet sind und Gelegenheit hatten in die Fasern zu diffundieren, dann bekommt man sie mit Wasser kaum mehr heraus, auch wenn es einen Emulgator enthält. Wäre dem nichts so, so könnte man wohl kaum Stoffe färben indem man sie in Wasserlösungen mit pflanzlichen Farbstoffen wie Indigo taucht. Das leitet über zur nächsten Gruppe, wozu diese Farbstoffe auch gehören:
Das sind Stoffe die man durch Spaltung beseitigen kann. Vor allem organische natürliche Stoffe haben eine große Affinität zu anderen natürlichen Materialien, sei es Gras (grüne Verfärbung), Ketschup und Blut (rot/braun) oder Heidelbeeren (blau). Sie bekommt man, wenn sie in Fasern einwandern oder eine chemische Bindung mit dem Material eingehen, kaum noch mit Wasser oder Reinigern weg. Die Lösung ist es dann sie chemisch zu spalten. Das geht mit zwei Mitteln. Das eine sind Bleichmittel, die man vor allem bei Farbstoffen einsetzt. Sie oxidieren die Farbstoffe so, dass sie nicht mehr farbig sind indem sie dein Molekülstruktur verändern, welche die Farbe hervorruft. Bei vielen Farbstoffen ist das ein System von konjungierten Doppelbindungen. Sie bilden praktisch eine Elektronenwolke. Je größer sie ist (je mehr konjungierte Doppelbindungen) desto weniger Energie braucht man um ein Elektron anzuregen. Ab acht Doppelbindungen absorbieren Moleküle das sichtbare Licht. Carotinoide mit 11 Doppelbindungen haben z.B. ein Absorptionsmaximum bei 484 nm, sie sind daher orangene Farbstoffe.
Wird eine der Doppelbindungen oxidiert, so ist das Absorptionsmaximum verschoben und liegt nicht mehr im sichtbaren Licht. Klappt das übrigens nicht, so kann es vorkommen, dass man nur eine Farbe gegen eine andere andere austauscht wie blau (kurzwellig) gegen rot (langwellig). Der Nachteil von Bleichmitteln: sie enthalten Stoffe, die chemisch sehr reaktiv oder instabil sind, wenn sie mit Wasser in Berührung kommen und dann atomaren Sauerstoff freisetzen, der eben nicht nur mit dem Dreck sondern auch dem Material reagiert. Es kann der natürliche Farbton auch zerstört oder sogar das Material angegriffen werden, rau und spröde oder leicht zerreisbar werden. Daher werden Bleichmittel fast nur bei weißer Wäsche oder unempfindlichen Oberflächen eingesetzt. Seltener werden Reduktionsmittel eingesetzt, die meist dazu dienen einen Stoff in Lösung zu bringen, da der Luftsauerstoff wieder eine Oxidation in Gang setzen kann. Ein prominentes Beispiel, wo man es anwenden kann ist es Rost von Keramik wegzubekommen. Rost lagert sich gut an die raue Oberfläche von Keramik an, wenn diese nicht glasiert ist und hat auch eine chemisch Affinität zum Ton. Was eingedrungen ist bekommt man auf anderem Wege nicht weg. Das Mittel der Wahl ist hier ein mildes Reduktionsmittel wie reiner Alkohol. Damit bekommt man z. B Rostflecken in Badwannen unterhalb des Wasserhahns weg. Der Alkohol wird durch das Eisen(III) zu Acetaldehyd oxidiert und dieses zu Eisen(II) reduziert. Dieses ist anders als das Eisen(III) aber wasserlöslich .
Da es in der Natur viele Stoffe gibt, die in der Natur auch abgebaut werden, setzt man heute vor allem in Waschmitteln Enzyme ein. Enzyme sind Biokatalysatoren die in der Lage sind bestimmte chemische Bindungen zu spalten. Sie sind seit den Siebzigern stark im Vormarsch, Zuerst wurden natürliche Enzyme aus Pilzkulturen eingesetzt. Heute sind auch Enzyme aus gentechnisch veränderten Organismen im Einsatz, die bei viel geringeren Temperaturen wirken. Enzyme können die meisten Nahrungsbestandteile abbauen also die meisten Flecken, die durch Nahrung aber auch andere natürliche Stoffe verursacht werden, beseitigen indem sie Eiweiß, Fett oder Kohlenhydrate spalten. Da sie spezifisch für eine Bindungsart sind schonen sie auch die Oberfläche des Gewebes. Enzyme machen es erst möglich heute Wäsche bei 25°C zu waschen.
Der letzte Schmutz reagiert weder auf Wasser, noch ist er fettlöslich, noch kann er durch Bleichmittel oder Enzyme beseitigt werden. Er ist aber durch Säure oder durch Basen löslich. Die beiden prominentesten Vertreter sind Kalk, eine Mischung von Calciumcarbonat und Magnesiumcarbonat und Urinstein, eine Mischung von Oxalaten, Carbonaten und Phosphaten. Beide sind durch Säure, selbst wenn sie sehr fest mit der Unterlage verbunden sind und Krusten bilden, ablösbar. In beiden Fällen verdrängt die Säure die schwache Säure Kohlensäure aus ihren Salzen. Die Kohlensäure ist instabil und zerfällt in freier Form zu Wasser und Kohlendioxid. Das Kohlendioxid hat eine zusätzliche Sprengwirkung, indem es andere Teil der Kruste zum Platzen bringt. Selten ist die Lösung durch Alkali. Bei verstopften Rohrleitungen setzt man Natriumhydroxid ein, doch seine Wirkung beruht nicht auf einer Lösung durch Absenkung des pH, sondern der Verseifung von Fett und der Spaltung von Proteinen.
Das ist das eine, die Chemie. Doch damit alleine geht’s nicht. Zum Flecken oder der Schmutzentfernung gehört auch noch eine weitere Komponente: Wärme. Sowohl physikalische Vorgänge wie auch chemische Vorgänge werden durch Wärme beschleunigt. Das Eindringen eines Lösungsmittels oder Fleckenlösers geschieht durch Diffusion und die wird durch Wärme beschleunigt. Fett wird durch Wärme dünnflüssiger oder erst gar flüssig und vor allem beschleunigt die höhere Temperatur chemische Reaktionen. Vor allem bei Reaktionen der Nahrungsbestandteile gilt die RGT Regel: Eine Temperaturerhöhung um 10 Grad beschleunigt die Reaktion um den Faktor 2. In etwas anderer Form kennt man das ja auch vom Backofen, wo eine kleine Erhöhung die Backzeit stark reduziert oder der Unterschied zwischen hellbraun und fast schwarz bei gleicher Zeit darstellt. Oder die Niedriggarmethode bei der Fleisch bei nur 80 Grad im Backofen gegart wird – zur Kompensation der niedrigen Temperatur aber über eine Stunde oder noch länger. Wärme ist nur gegenindiziert, wenn dadurch andere Stoffe ausfallen. Blut sollte man z.B. mit kaltem Wasser auswaschen. Heißes kann zur Gerinnung des Eiweis führen und dann ist es fest an die Fasern gebunden.
Der dritte Punkt ist Bewegung. Erst durch die Bewegung kann der abgelöste Schmutz sein Medium verlassen und ins Lösemittel übergehen, er führt auch zu einer besseren Durchmischung und führt immer neues Lösemittel heran und er beschleunigt das Eindringen. Bei Verkrustungen bewirkt eine mechanische Bewegung einer Bürste, das kleine Rillen entstehen und in die Rillen Lösemittel eindringen kann und so überhaupt erst eine Reaktion zustande kommt. Für die Reinigung braucht man alles drei: ein chemisches Mittel, Wärme und Bewegung.
Die Umsetzung des Prinzips: Chemie-Wärme-Bewegung ist die Waschmaschine. Ein Flecklöser kommt in Form von Waschmittel hinein (Chemie), das ganze wird je nach Empfindlichkeit erhitzt (30,40,60 oder gar 90 Grad) und die Trommel rührt um. Früher wurde die Wäsche sogar auf Waschbrettern gerubbelt. Wenn man das Prinzip verstanden hat, so kann man es auch selbst anwenden.
Als ich den Dampfreiniger gekauft habe, sah ich mir die Kundenurteile bei Amazon an, genauer gesagt die mit den schlechten Bewertungen (ich mach das immer so). Und da meckerte dann eine dass man damit die Fenster nicht sauber bekommt und Kalk von Badfließen nicht abbekommt. Nun bringt der Dampfreiniger nur eine der drei Komponenten: Wärme, die zwar in großer Menge, aber eben nur Wärme. Wenn man eine Bürste anwendet auch noch mechanische Energie. Damit kann man einige wasserlösliche Flecken lösen, aber eben nicht Kalk oder auch fettige Verschmutzungen richtig lösen. (Durch die Wärme kann man es verflüssigen und so anlösen, aber sicher nicht vollständig ablösen). Es wird was, wenn man vorher die Scheibe mit Essig einsprüht. Die Säure löst das ganze, allerdings käme ich nicht auf die Idee mit dem Dampfreiniger Fensterscheiben so zu putzen.
Analog kann man sich denken, das Mittel wie „Vanish“ alleine auch nicht helfen. Sie enthalten je nach Anwendung einen Stoff in größerer Menge wie z.B. das Bleichmittel „oxi Action“. Ohne Einreiben, Wärme etc. geht es aber auch so nicht. Dafür sind sie ziemlich teuer, verglichen mit normalen Brechpulver. Wenn man das Prinzip kennt, kann man es aber ausnützen und so komme ich zum Anfang zurück. Ich putze mit dem Dampfreiniger Bodenfließen, genauer gesagt die Rillen zwischen den Fließen. Wer Fließen hat weiß, dass sich in den Rillen der Dreck ablagert und man durch die Vertiefung kaum rankommt bzw. die rau Oberfläche gut bindet. Wenn das einige Jahre lang geht, dann ist der Dreck kaum noch rauszubekommen, außer mit dem Dampfreiniger (aber da braucht man bei hartnäckigem Dreck mehrere Durchgänge). Die Vorgehensweise: In die Rillen Allzweckreiniger pur gießen (Flasche direkt über die rille halten) und dann mit der Bürste die Rille entlang fahren. Ich fing damit an, nachdem es in unserem Ferienhausaus brannte und an der Stelle wo der Blitz einschlug unten alle Rillen schwarz waren. So bekommt man sie wirklich wieder frei. Inzwischen mache ich es auch zuhause, aber selten, weil es wirklich lange dauert (rund 3 Stunden für 20 m²). Es ist aber die optimale Kombination von Chemie (purer Allzweckreiniger), Hitze (Dampf) und Mechanik (Borsten). Wenn man Badekacheln so bearbeiten will, sollte man Geschirrspülmittekonzentrat nehmen – nicht weil es besser ist (eher nicht, weil es stark schäumt), aber es ist viskoser und läuft so nicht gleich runter.
Was macht man wenn man den Schmutz nicht mehr wegkommt? Dann muss man ihn verdecken. Alle Waschmittel enthalten optische Aufheller, einige wie Persil sogar in großer Menge. Wenn der Dreck in der Waschlauge nicht vollständig gelöst bleibt (meistens weil man das Waschmittel unterdosiert hat), dann kann er zum Teil wieder auf die Fasern aufziehen und bleibt dort auch, nur eben nun gleichmäßig verteilt. Es entsteht der berühmte Grauschleier. Dieser ist permanent und nicht mehr zu entfernen. Optische Aufheller sind nun Substanzen die auch auf die Fasern aufziehen, Licht im UV absorbieren und blaues, kurzwelliges Licht emittieren. Durch die Mischung des blauen Lichts mit dem meist gelblichen Ton des Grauschleiers entsteht dann wieder weis, obwohl die Wäsche nicht sauberer geworden ist. Wer einmal eine UV-Lampe in der Hand hatte weis, wie dot Kochwäsche leuchtet. Optische Aufheller findet man vor allem in Vollwaschmitteln, da sie bei farbigen Klamotten sonst die Farbe verändern würden.
Moin,
mal zwei weitere Tips:
Bei Stoffen die zwar wasserlöslich sind, aber sobald erstmal trocken nur noch schwer zu reinigen lohnt es sich, diese erst gar nicht trocken werden zu lassen. z.b. habe ich eine Jeans auf der sich Antifouling (SeaTec Standard) befindet. Dieses ist trotz einem guten Dutzend Waschungen nicht raus gegangen. Wenn ich mich jetzt mit Antifouling einsau, so mach ich die Wäsche so schnell es geht komplett nass (ins Wasser eintauchen) packe sie danach in eine Plastiktüte und mach in die Tüte einen Knoten. Zuhause dann gleich in die Waschmaschine damit. Seitdem hab ich jedes Antifouling aus jeder Kleidung wieder rausbekommen.
Manchmal muss ich Sachen desinfizieren, z.b. mein Terrarium, oder den Kühlschrank. Dafür nehme ich !KEIN! Putzmittel, sondern Wasserstoffperoxid. Es gibt kaum etwas das dies überlebt, und als Rückstand bleibt normales Wasser.
ciao,Michael