Manchmal schäme ich mich für das DLR

„Fremdschämen“ ist ja eines der neuen Worte die seit dem Einzug des Assozialenfern… pardon Privatfernsehens Einzug gehalten haben. Aber es trifft ganz gut das was ich empfinde, wenn ich über das DLR und die Trägerpolitik denke. Ich will mal mit der Ariane 5 anfangen. Die Europa-Rakete war vor der Gründung der Vorgängerorganisation DFVLR (1969). Bei Ariane 1 war man nach den Erfahrungen bei der Europa-Rakete vorsichtig. Das ist verständlich, da bei der der Europa der Anteil der BRD im Laufe des Projektes gravierend anstieg, obwohl man am wenigsten zur Rakete beitrug und Ariane 2-4 waren nur preiswerte Weiterentwicklung der Ariane 1.

Bei Ariane 5 deren Vorentwicklung 1985 und deren Entwicklung 1988 beschlossen wurde, war die Situation anders. Zum einen war Ariane 1 etabliert, es gab ein volles Auftragsbuch, das bis 1988 als die Entwicklung endgültig beschlossen wurde noch weiter anwuchs. Ariane war eine finanzielle erfolgreiche Rakete. Es wäre also logisch gewesen sich daran möglichst stark zu beteiligen.

Das zweite ist, dass es auch Anfragen von Frankreich aus gab, dass Deutschland stärker beteiligt sein könnte. Sicher nicht aus dem uneigennützigen Grunde den eigenen Anteil zu senken. So gab es von SNECMA den Vorschlag das Vulcain zusammen zu entwickeln. Doch was macht Deutschland? Wieder nur eine Minorbeteilligung. Stattdessen beteiligte sich Deutschland an Columbus. Ein Raumlabor, das völlig abhängig von einer amerikanischen Raumstation war und das anders als die Ariane 5 keine Arbeitsplätze dauerhaft durch die Produktion weiterer Exemplare sichert.

Vor allem: mit was beteiligte sich Deutschland an der Ariane 5? Eine Oberstufe mit lagerfähigen Treibstoffen und einem druckgeförderten Triebwerk. Das ist im Prinzip die Technologie die man schon zwanzig Jahre früher für die Astris-Stufe entwickelt hatte. Dazu eine Doppelstartverkleidung (SPELTRA), die nach den Erprobungsflügen gestrichen wurde, weil sie zu groß war. Dann bekam man noch den Auftrag für die Boosterhülsen. Das ist nicht der komplette Booster und sie sind in Edelstahl gefertigt, während die USA zur gleichen Zeit die Booster für die Titan IVB entwickelten, die schon CFK-Werkstoffe einsetzten und noch größer waren. Dazu kamen noch einmalige Aufträge bei den Bodenanlagen.

Was fertigt Frankreich? Das Vulcain Triebwerk, das leistungsfähigste mit Gasgeneratorantrieb und die EPC mit einem hervorragenden Voll/Leermasseverhältnis mit Innendruckstabilisierung. Ja so kann man es auch machen. Viel Geld kassieren, dafür das man nichts neues entwickelt und anderen die technologischen Weiterentwicklungen gemacht hat ist das kein schlechter Schachzug ür die deutsche Raumfahrtindustrie, nur fällt man so eben weiter zurück.

Vor allem zeigt sich schon damals die Tendenz: „Geiz ist geil“. Der Telecom-Satellit DFS Kopernikus 3 startete 1992 auf einer Delta II, das gab sogar eine eigene Sitzung des Bundestags (Link). Warum auch einen Träger stützen, bei dem die deutsche Industrie zu 20% beteiligt ist (so gesehen bleiben 20% des Startpreises ja auch im Lande). Hauptsache gespart. Frankreich zeigt da mehr Solidität. Sie starteten mit der letzten Ariane 5G einen Helios Satelliten der nicht mal die Hälfte der möglichen Nutzlastmasse hatte. Mann musste sogar Ballast mitführen um zu verhindern, das die EPC einen Orbit erreicht.

Bei der Vega wiederholt sich dann die „Geiz ist Geil“ Mentalität. Wozu soll Europa eine neue Trägerrakete entwickeln, wenn es doch die russischen ausgemusterten ICBM gibt die von deutsch-russischen Unternehmen angeboten werden? Ja damalige DLR Mitarbeiter machten in öffentlichen Vorträgen sogar Stimmung gegen die Vega, sie „gefährde die innereuropäische Solidarität“ zu Ariane. Umgekehrt wird ein Schuh draus: An der Vega sind die gleichen Länder wie bei der Ariane beteiligt mit einer Ausnahme: Deutschland.

Das die Vega auch ein Einstieg in die Entwicklung neuer und leichtgewichtiger Feststoffbooster ist, die auch bei größeren Raketen benötigt wild wollte man nicht sehen. MT Aerospace entwickelte auf eigene Faust eine Zwischenlösung bestehend aus Stahl, verstärkt mit CFK-Werkstoffen, die allerdings keinen Zuspruch fand. Frankreich war ja anfangs auch skeptisch, stieg aber dann in die Entwicklung der ersten Stufe ein, weil sie die technologisch interessanteste ist. Natürlich bemerkt im DLR keiner, dass die P85 Stufe „zufälligerweise“ genau den gleichen Durchmesser wie die Ariane 5 Booster hat und ebenfalls „zufälligerweise“ drei Motorgehäuse genauso hoch sind, wie die Segmente der Ariane 5.

Natürlich ist es auch reiner Zufall, dass die Produktionsanlage bei Fiat Avio für die P85 etwas überdimensioniert ist und 2002 in den Ausbauplänen für die Ariane 5 ein P270 Booster auftaucht der rein zufälligerweise die gleichen technischen Daten wie drei hintereinandergeschaltete P85 hat.

Nun ja, Deutschland ist ja noch an der Oberstufe der Ariane 5 beteiligt. Und da baut Astrium Bremen die ESC-A und B (jeweils ohne Triebwerke). Da die Firma entweder keine state-of-the Art Strukturen für LH2 bauen kann oder wahrscheinlich einfach ihre massive Bauweise, die bei druckgeförderten Stufen ja noch Sinn machte, hochskaliert, halten beide Stufen Rekordwerte bei dem Start/Trockenverhältnis – im negativen Sinn.

Als der Jungfernflug der Vega dann näherrückte beginnt man beim DLR nachzudenken. Denn die russischen Träger sind nicht mehr so billig. Außerdem sind sie nur noch einige Jahre lang verfügbar – klar sie wurden ja schon vor 20 Jahren ausgemustert und ewig lang kann man sie auch nicht mehr lagern. Man erstellt im eigenen Institut SA/RT eine Analyse ob man die letzte Vega Stufe mit AVUM nicht durch eine andere ersetzen könnte – und das sah auch gut aus. Nur hat man einen Fehler gemacht: man rechnete mit technischen Werten die weltweit üblich sind, mit Ausnahme einer kleinen Insel, die sich dem technologischen Fortschritt verweigert und in Bremen lokalisiert ist. Die Folgestudie ging dann nach Astrium Bremen, die das ganze dann mit ihren Werten, nochmals rechneten und siehe da, wenn Astrium Bremen den Auftrag bekommt, dann sinkt die Nutzlast der Vega ab. Also war es das dann mit der deutschen Beteiligung an einer fortentwickelten Vega Version.

Und nun vergibt das DLR die Nachfolgesysteme von SAR-Lupe mit einer Falcon 9 starten soll. Begründung „Aber aus deutscher Sicht haben wir auch immer gesagt, dass wir das günstigste Angebot nehmen.“ (link). Zumindest die beiden leichteren Satelliten in ihrer niedrigen Umlaufbahn wären noch mit der Vega startbar. Das wäre etwas teurer (64 Millionen Euro zu 59 Millionen Dollar) aber dafür auf einem Träger mit 100% Erfolgsstatistik anstatt zwei Fast-Fehlstarts und zwei weiteren Starts mit gravierenden Problemen von einer Firma die mehr durch Ankündigungen als Leistungen von sich Reden macht.

Europäische Solidarität, auch wenn man nicht an der Vega beteiligt ist, sieht anders aus. Interessanterweise ist man woanders großzügig. Zum Beispiel bei Columbus. Es wird zu 40 bis 50% (Schwankungen über die Jahre) von Deutschland finanziert. Von sechs neuen ESA-Astronauten, die wahrscheinlich jeder nur einmal fliegen werden ist aber nur einer aus Deutschland. Dafür soll der Brite Tomothy Peake zur Raumstation fliegen. Englands Beteiligung am Direktionat Human Spaceflight war in den letzten Jahren bei genau 0 Pfund. Nun zahlen sie 28 Millionen Pfund ein, das sind 33 Millionen Euro. Das sind 3% des Postens „Human Spaceflight“ von 2013 bis 2015. Deutschland ist mit 40,7% dabei. Beide Nationen haben einen Flug zur ISS. Da ist man doch richtig großzügig oder?

Bei einer so verkorksten Politik kann man sich nur schämen. Was hat sie in drei Jahrzehnten erreicht? Milliarden wurden im Trägersektor versenkt, dafür beherrscht die Industrie Strukturen wie sie in in den sechziger Jahren üblich waren, keine Triebwerkstechnologie welche eine Turbopumpenförderung einsetzt, oder LOX/LH2 Technologien, keine Feststofftriebwerke. Frankreich und Italien wären gut beraten, auf Deutschland bei der Ariane 6 zu verzichten. Mehr als ausbremsen und die Kosten steigern, wird man nicht können. Das ist die Folge davon wenn man nur auf einem prozentualen Anteil an der Fertigung wert legt, oder die Verdienstspanne von deutschen Firmen zu maximieren, aber nicht darauf, dass man sich auch technologisch weiterentwickelt.

3 thoughts on “Manchmal schäme ich mich für das DLR

  1. Tja, wie ich letztens schon mal geschrieben habe: Die deutsche Industrie scheint es dringent nötig zu haben, in technologischen Fragen weltweit mal eine Weile nur die zweite Geige zu spielen. Zumindest solange, bis die Bremser und notorischen Bedenkenträger weitest gehen weg gestorben sind.

  2. Schon lange hat die Deutsche Industrie ihre Stellung auf dem Weltmarkt nicht wegen Hochtechnologie, sondern wegen Dumpinglöhnen. Die Firmen, die für Rüstung und andere staatlich finanzierte Bereiche fertigen brauchen hingegen beides nicht, sondern nur gute Beziehungen zur Politik.

  3. Das mit den Dumpinglöhnen und dem Vitamin B zur Politik ist mir durchaus bekannt. Dazu braucht man ja nur regelmässig die Nachdenkseiten zu lesen. Nur durch die Krise in Europa schwächelt so langsam auch die Exportindustrie, und die trägt doch bisher den Löwenanteil am deutschen Wirtschaftswachstum. Und wenn deren Anteil am BIP weiter zurück geht, wird mittelfristig wahrscheinlich auch wieder am Bildungssystem gespart werden. Und wenn dann noch die ausländischen Fachkräfte, auf die man bisher noch bauen kann, immer weiter ausbleiben, dann geht auch die Kompetenz in D den Bach runter und damit rutscht die deutsche Industrie in die zweite Reihe ab. Dann helfen ihr auch keine Dumpinglöhne mehr. Bestenfalls Zwangsarbeit, aber ich hoffe, dass es dazu nicht kommen wird.

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