Sinnvolle Einsatzmöglichkeiten von Doppelmissionen

Sehr bald nach Beginn der Raumfahrt etablierte es sich Missionen in Doppelpack zu starten. Sehr bekannt ist dies bei den Raumsonden, doch es gab auch Erdsatelliten bei dem es mehrere Exemplare gab oder sogar eine Serie, so bei den Satelliten der OAO, OGO und OSO Serie und natürlich bei Wetter- und Kommunikationssatelliten. Doch letztere sind etwas besonderes, weil man für ein operationelles System sowohl für die globale Kommunikation wie auch eine zuverlässige Wettervorhersage mehr als einen Satelliten braucht.

Ich will mich mit der Untersuchung daher auf wissenschaftliche Missionen beschränken. Also warum wurden Satelliten in kleinen Serien gestartet oder zumindest als Doppelmission.

Nun der offensichtlichste Grund ist, um zu gewährleisten, dass eine Mission auch erfolgreich ist. Das naheliegende Risiko ist das Startrisiko, das in den sechziger Jahren noch hoch war, aber in den Siebzigern schon bei den meisten Trägern das heutige Niveau erreichte. So stellten die USA die Doppelstartpraxis auch 1977 mit Voyager 1+2 ein, danach gab es (mit einer Ausnahme) nur noch Einzelmissionen. Russland, die ihre Proton mit einer selbst in den Siebzigern noch hohen Ausfallrate einsetzten, gaben diese Praxis erst 1988 mit Phobos 1+2 auf.

Neben dem Ausfall der Trägerrakete konnte natürlich auch etwas mit der Sonde selbst passieren. Die USA hatten hier enorm viel Glück. Alle Raumsonden, die ohne Probleme einen Erdorbit verließen, waren zumeist erfolgreich. Bis 1994 scheiterten nur die Landungen zweier Surveyors. Danach gab es eine Reihe von Verlusten, doch dies betraf immer Einzelsonden, da dies dann die normale Praxis war. Bei den russischen Sonden, mit erheblich mehr Ausfällen auch auf dem Weg zum Planeten, dürfte dies ein wichtiger Grund gewesen sein, trotzdem gibt es einige Fälle in denen nicht einmal Doppelstarts ausreichten auch nur eine Sonde heil zu ihrem Ziel zu bringen.

Ein zweiter Grund ist, dass zwei Sonden es ermöglichen entweder eine bestimmte Aufgabe aufzuteilen oder mehr Daten zu gewinnen. Das Aufteilen finden wir bei vielen Missionen. Bei den Lunar Orbitern wurden die Mondlandeplätze von verschiedenen Orbitern fotografiert, da jeder nur einen begrenzten Filmvorrat hatte. Mariner 8+9 teilten sich die Aufgaben „Globale Kartierung“ und „regionale hochauflösende Aufnahmen“ auf. Mariner 9 musste schließlich beides durchführen. Voyager 1+2 teilten sich die Monde bei den Vorbeiflügen auf und erlaubten auch die Beobachtung der Gasplaneten über längere Zeit. Venera 15+16 teilten sich die Radarkartierung auf.

Besonders bei Landesonden ist wichtig, dass jede nur einen Ausschnitt zeigt. Raumsonden die einen Orbit einschwenken können, wenn sie auch nur Einzelsonden sind den ganzen Planeten erfassen – es dauert bei einer Sonde eben länger. Doch eine Landesonde kann nur ein Gebiet untersuchen. Selbst wenn sie wie heute mobil ist. Das gilt auch für Vorbeiflugsonden. Maximal die Hälfte der Oberfläche ist aus naher Distanz zugänglich. Wenn man Glück hat rotiert der Himmelskörper schnell, sodass man auch die andere Seite aus größerer Entfernung ablichten kann.

Bei Satelliten im Erdorbit haben wir einen weiteren Grund. Hier ist man sehr oft an einer Langzeituntersuchung interessiert. Die OSO Serie wurde über zwei Jahrzehnte eingesetzt, nur eben mit immer neuen Instrumenten, um das Beobachtungsspektrum zu erweitern, aber auch die Sonne über mehr als einen Sonnenzyklus (11 Jahre) hinweg zu beobachten. Hier wird oft ein identischer Satellitenbus und unterschiedliche Instrumentierungen genutzt.

Astronomische Satelliten haben noch ein anderes Manko: Die meisten Beobachtungen brauchen viel Zeit. Entweder um ein Objekt nach Veränderungen zu untersuchen, oder weil es eine lange Belichtungszeit erfordert. Es gibt aber unzählige Objekte zu beobachten und auch viele Anfragen von Astronomen, von denen nur ein Teil auch umgesetzt werden kann. Mehrere Satelliten erlauben hier einen Zugewinn an beobachteten Objekten oder Beobachtern.

In der Regel ist ein Nachbau eines Satelliten oder einer Raumsonde billiger als das erste Exemplar. Das liegt daran, dass die Entwicklungskosten für die Sonde aber auch die Experimente nur einmal anfallen. Es wird billiger wenn schon entwickelte Instrumente oder Busse genutzt werden, wie man zum Beispiel bei Mars und Venus Express sehen kann. Bei US-Raumsonden gab es einen Durchschnitt von 30 bis 40% der Kosten für das zweite Exemplar. So ähnlich lag auch der Nachbau von Cluster. Die Originalsatelliten gingen beim Ariane 5 Jungfernflug verloren. Das Programm kostete 460 Millionen Euro (ohne Start). Der Nachbau inklusive zweier Starts auf Sojus (60 Millionen Euro) nur noch 214 Millionen. Dies ist jedoch nicht immer so. Cryosat war dank eines schon bestehenden Busses recht preiswert und TerraSAR-X auch. Die Nachbauten (Cyrosat 2 und TanDEM-X) waren daher nur wenig billiger. Bei sehr komplexen Neuentwicklungen wie den Viking Lander kann ein zweites Exemplar aber auch nur 15% des ersten kosten.

Was folgt daraus?

Nun für Orbiter zu anderen Planeten ist sicher nach wie vor ein Einzelstart sinnvoll. Hier kann man durch eine längere Mission einen zweiten identischen Orbiter ersetzen. Bei Landesonden wird es schon kritischer. Die beiden Rover Spirit und Opportunity (eine Ausnahme der Einzelstartregel) zeigen sehr gut, dass zwei Landegeräte in zwei unterschiedlichen Gegenden auch unterschiedliche Dinge finden können. Genauso unterscheiden sich die Fotos der Venera Landesonden voneinander. Sinnvoller ist aber auch nur das Landegerät erneut zu verwenden, aber die Fragestellungen und Instrumente anzupassen. Gerade der Mars zeigt zwar, dass es regionale Unterschiede gibt, aber die größeren Erkenntnisse, durch den Einsatz neuer (oder anderer) Untersuchungsmethoden zustande kommen.

Anders sieht es bei Vorbeiflugsonden aus. Sie sind zwar außer der Mode, aber für bestimmte Missionen immer noch die einzige Möglichkeit. Die äußeren Planeten, ihre Monde aber auch alle KBO (Kuiper Belt Objects) sind heute nur mit Vorbeiflugsonden erreichbar. Das gilt auch für langperiodische Kometen.

Nehmen wir New Horizons. Die Sonde wird zwar an Pluto in nur rund 10.000 km Entfernung vorbeifliegen. doch sie wird nur eine Hälfte des ehemaligen Planeten erfassen können. Da Pluto in 6,38 Tagen einmal um die Achsel rotiert, entstehen die besten Aufnahmen der anderen Seite 3,2 Tage vor der Ankunft. Bei einer Geschwindigkeit von 15 km/s relativ zu Pluto ist da die Sonde dann noch über 4 Millionen km von Pluto entfernt und dieser nur etwa 100 Pixel groß. Eine zweite Sonde könnte nicht nur die andere Hälfte erfassen sondern bringt noch einen zweiten Vorteil mit: Liegen zwischen den Ankunftsterminen mehrere Monate, so kann man das Messprogramm anpassen. Das zeigte sich bei Voyager. Voyager 2 errichte den Jupiter vier Monate nach Voyager 1 und den Saturn 9 Monate später. Das reichte aus das Messprogramm anzupassen. Beim Jupiter wurden weitere Observationen von Io und eine Aufnahmesession um den Ring zu fotografieren eingeschoben. Beim Saturn die gesamte Überwachung der Ringe neu geplant.

Missionen zu den äußeren Planeten Uranus und Neptun haben auch noch den Vorteil, dass die Anforderungen an die Instrumente sehr ähnlich sind. Das gilt auch mit Einschränkungen, wenn man die Sonden zu einem KBO schickt. Da ein Flug über Jupiter als Sprungbrett über jeweils 3-4 Jahre möglich ist, kann man die Starts auch verteilen und erreicht so eine kleine Serienproduktion. Als Nebeneffekt wäre auch das Jupitersystem besser untersucht und bei genügend naher Vorbeiflugdistanz könnte eine Sonde so einen Teil der ausgefallenen nahen Mondbeobachtungen von Galileo nachholen. 2008 hätte New Horizons, wenn sie das primäre und sekundäre Startfenster versäumt hatte z.b. zu Neptun (in etwa gleicher Energiebedarf) oder Uranus (etwa 1,5 km/s weniger) geschickt werden können. Starts zu Neptun über Jupiter wiederholen sich alle 12 Jahre und zu Uranus alle 13 Jahre.

In der Summe wäre es wünschenswert, wenn man soweit es geht Synergien nutzt. Das kann dadurch geschehen, dass man ganze Raumsonden erneut einsetzt (Bsp. Venus Express aus Mars Express entwickelt), oder Instrumente möglichst oft einsetzt oder gleich zu einem modularen System kommt das man für verschiedene Missionen aber auch wissenschaftliche Satelliten einsetzen kann. Die klassische Doppelstartmission wird man nur bei Vorbeiflügen noch sinnvoll einsetzen können.

2 thoughts on “Sinnvolle Einsatzmöglichkeiten von Doppelmissionen

  1. Moin Bernd,

    und dann gibt es noch Probleme die systembedingt zwei Satelliten brauchen, z.b. die Vermessung des Erdschwerkraftfeldes. Komm derzeit nicht drauf wie die beiden heißen, die das derzeit machen.

    ciao,Michael

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