Warum hat das Space Shuttle Delta-Flügel?

Nun ich wette, einige können hier die Antwort geben und murmeln etwas wie „Querreichweite“ oder „Crossrange“ in den Bart. In der Tat unterscheidet sich das Space Shuttle von allen anderen jemals geplanten Raumgleitern durch die großen Deltaflügel. Alle anderen, Von Dyna-Soar über die X-15, zu Konzepten wie die X-24B oder X-37 oder auch Hermes haben kleinere Stummelflügel. Nur das Space Shuttle und die russische Buran haben so große Tragflächen.

Sehr früh war auch die Air Force am Shuttle Projekt interessiert. das war nicht das erste Mal, dass das Militär sich an einem bemannten Programm interessierte. Sie wollte auch mal eigene Gemini Kapseln starten, bis sich nach einer Analyse zeigte das es für ihre Zwecke nichts brachte, dann plante sie Gemini Kapseln beim bemannten Spionagesatelliten MOL einzusetzen. MOL war 1969 begraben worden, weil es zu teuer wurde und nun sah man im Space Shuttle das nächste Programm wo man mitmischen konnte.Die Planung für das Shuttle begannen nur kurz nach der Einstellung von MOL.

Die NRO hatte zu dieser Zeit (1969) schon zahlreiche Spionagesatelliten gestartet und zwei Programm liefen: Corona für die Flächenaufklärung und Gambit für die Detailaufklärung. Es hatten zwei Ereignisse aber gezeigt, dass diese Satelliten bei modernen Konflikten nicht von Nutzen waren. Corona und Gambit waren entwickelt worden um die Rüstung der UdSSR, vor allem die Stationierung von Atomraketen zu überwachen. Panzer, Flugzeuge und Raketen wurden über Jahre entwickelt und die stationierung zog sich auch über Jahre und Monate hin.  Sie waren nicht geeignet um Erkenntnisse über Ereignisse zu liefern die sich in wenigen Tagen abspielen konnten. Beide Programme arbeiteten mit film der wenn eine bestimmte Menge erreicht war in eine Kapsel umgespult wurde und diese wurde geborgen, der Film nach Washington geflogen, dort entwickelt und konnte dann erst ausgewertet werden, Beim Krieg zwischen Israel und seinen Nachbarn 1967 gab es Aufnahmen erst als der Krieg zu Ende war. Bei der Invasion von Prag startete am 6.8.1967 ein Gambit, der eine Fehlfunktion hatte und deorbitiert wurde. Ein Corona startete am 7.8. Er hatte zwei Filmkapseln an Bord. Die erste zeigte keine Anzeichen für Truppenkonzentrationen, die zweite erreichte Washington, als die Invasion schon stattgefunden hatte.

Was die NRO wollte, war eine Möglichkeit sehr schnell Aufnahmen zu gewinnen. Und das Space Shuttle als bemanntes Gefährt sollte diese Möglichkeit sein. Die Idee: Ein Shuttle startet in Vandenberg, durchläuft nicht mal einen Orbit bei dem die Besatzung über dem Zielgebiet Aufnahmen macht und landet dann wieder in Vandenberg. Das Problem: da sich die Erde um die Achse dreht, ist wenn er auf einer niedrigen Umlaufbahn wieder am Startort ist, ist nach 90 Minuten Vandenberg 2072 km weiter östlich. Daher wollte die USAF ein bemanntes Raumfahrzeug mit einer Querreichweite von 1500 nm, (2778 km). Das leisteten die bisherigen Entwürfe nicht. Der letzte von Max Faget hatte zwei kleine Stummelflügel die eine Querreichweite von 230 nm ermöglichten – völlig ausreichend für die NASA, um einmal am Tag in Cape Canaveral zu landen.

James Fletcher, NASA Administrator gab als Kurs vor diese und eine zweite Forderung der Air Force (der große Nutzlastraum mit 65.000 Pfund Maximalnutzlast) in das Design zu übernehmen. Der Rest ist Geschichte. Der Orbiter hatte eine Nutzlast von 65.000 Pfund (die NASA wollte nur 25.000 Pfund) und eine Querreichweite von 1100 nm (1500 waren auch mit Delta Flügeln nicht machbar, aber 1100 nm reichten bei sonnensynchronen Umlaufbahnen auch aus).

So kann man es nachlesen, unter anderem in Heppenheimers Buch, „The Shuttle Decision“, das im Auftrag der NASA geschrieben wurde und daher wohl offiziel abgesegnet ist. Nur bleiben für mich da etliche Fragen offen. Die erste ist natürlich, ob man die Querreichweite braucht. Das Space Shuttle kann in eine Umlaufbahn geschickt werden, in der die Umlaufperiode ein vielfaches der Erdrotation ist, z.B. 90 Minuten, das sind 16 Umläufe pro Tag. Eine 275 km hohe Bahn hat z.B. diese Periode. In dieser kann er ohne größere Querreichweite nach genau 12 Stunden wieder landen, dann erneut nach 24 Stunden. Der Zeitgewinn von rund 10 Stunden scheint mir angesichts der Zeit die man braucht den Start überhaupt vorzubereiten gering, dafür hatte die Querreichweite aber große Auswirkungen beim Design. Das Shuttle wurde schwerer, der Hitzeschutzschild größer und schließlich hielt dieser den Jungfernflug um 1 Jahr auf. Wenn wie bei Heppenheimer angedeutet, der Film erst in Washington entwickelt wurde, hätte man auch im Kennedy Space Center landen können. Das wäre nach 10 Stunden möglich und verkürzt die Flugzeit um 4 Stunden, das heißt man hätte nur 5-6 Stunden verloren, Dafür das komplette Konzept umzuwerfen erscheint unsinnig.

Das zweite ist, dass diese Querreichweite nur von Nutzen ist, wenn der Orbit beim ersten Umlauf genau über das Zielgebiet führt. Da sich die Erde dreht wird das Shuttle jeden Punkt der Erde in 1 Tag in mindestens 1300 km Entfernung überfliegen, was bei genügend hoher Umlaufbahn zumindest Aufnahmen von schräg oben erlaubt, aber in einem Orbit ist es nur ein Streifen. Fix ist nur wo der Äquator gekreuzt wird: 90 Grad und 270 Grad östlich von Vandenberg, also bei 30 West und 150 Grad Ost. Also ist der Nutzen nicht so offensichtlich, außer alle Konflikte brechen in genau diesem Streifen aus.

Vielleicht bringt ein Blick auf Buran neue Erkenntnisse. Buran wurde als „Abwehrwaffe“ gegen das Space Shuttle entworfen. Das Shuttle und dann der Plan mit SDI Waffen im Weltraum zu stationieren machten den Russen Angst. Verständlich, denn es gab offizielle Poster der USAF in der ein Shuttle etwas einfing, was verdächtig einer russischen Saljut Station ähnelte. Buran wurde wirklich auch entwickelt um Weltraumwaffen zu transportieren oder Satelliten zu bergen (nicht nur eigene). Eine solche Mission ist natürlich noch etwas geheimer als eine Aufklärungsmission, und da jeder Satellit einmal pro Tag den Startort nahe passiert und je nach Umlaufbahn nach 8-16 Tagen in fast genau überfliegt kann man sich folgendes Szenario denken: Ein Shuttle startet, fängt im ersten Orbit einen Satelliten ein, und landet bevor der erste Umlauf durchlaufen ist. Mit etwas Glück bemerkt das keiner, nur der US-Satellit ist auf rätselhafte Weise verschwunden…. Das ist viel eher denkbar, als die Aufklärungsmission und auch technisch möglich: Die Gemini Raumschiffe konnten innerhalb eines Umlaufs an die Agena ankoppeln. Mit genügend Treibstoff für Manöver (und das Shuttle hatte eine dV-Kapazität von 300 m/s, Buran sogar eine von 500 m/s) kann man Zeit auf Kosten von Treibstoffverbrauch gewinnen.

Was wohl die wahre Intention ist? Ich weiß es nicht, die Auflärungsvariante erscheint mir aber zu aufwendig und unwahrscheinlich. Was meint ihr?

8 thoughts on “Warum hat das Space Shuttle Delta-Flügel?

  1. Buran entstand aus der Wahnwitzige anmahne der KGB
    Das Space Shuttle wahre in Wirklichkeit ein Orbital Bomber !

    Also musste ein analoge System auf Sowjet Seite entstehen.

  2. Für die Vermutung das der Shuttle auch gegnerische Satelliten einfangen und bergen sollte Spricht in der Tat einiges. Auf diese Art kann man auch gegnerische Frühwarnsystem ausschalten. Was für mich aber dagegen spricht ist das ein Shuttlestart absolut nicht geheim zu halten ist (Raketenfrühwarnsystemen entgehen ja nicht einmal kleinere Höhenforschungsraketen) und ein auffälliges verschwinden von Satelliten nach einem Shuttlestart doch einiges an diplomatischen Ärger bedeutet hätte. In der Frage der ehre war auf beiden seiten sehr viel dünne haut damals.

  3. Wie ich schon schrieb gibt es da viele Gegenargumente. Ein Shuttle start wäre, selbst wenn es mal wie bei den Planungen bei 1 Woche zwischen zwei Flügen nicht geheim halten zu werden, denn das verteilt sich auf 5 Orbiter. Jeder einzelne wäre also im 5-Wochen Rhythmus gestartet und sicher einige Tage auf der Startrampe gestanden, gut sichtbar für jeden Aufklärungssatelliten.

    Zum Frühwarnradar: da gibt es in der Tat eine Chance, dass er dem entkommt. Von Vandenberg startet man nach Süden, die US wie russischen Frühwarnstationen sind am Nordpol weil das der kürzeste Weg ist. Bei der langen Trasse die das Shuttle braucht um abzubremsen (man denke mal an Columbia wo man Trümmerstücke über die ganzen USA verstreut fand) kann es bei einem nierigen Orbit mit nur mittlerer Inklination (65 Grad reichen ja aus um selbst Starts von Plezzesk abzufangen) gut sein, dass es da „unten druchfliegt“ Die Russen haben in den späten sechzigern was ähnliches erprobt, genannt FOBS (Fractional Orbit Bombard system) – ein Satellit/Atombombe durchläuft keinen ganzen Orbit, trifft aber die USA von Süden her, wo keine Frühwarnstationen vorhanden sind.

  4. Für Landgebunde Frühwarnsysteme die nach anfliegenden Sprengköpfen Ausschau halten stimmt das. Nicht hingegen für die auf allen Seiten vorhandenen Frühwarnsatelliten, die so ziemlich die ganze Erde nach startenden Raketen absuchen. Möglich ist das durch die bei jedem Raketenstart sehr kräftige Infrarotsignatur, die mittels einiger weitere Kenntnisse wie Brennzeit und Flugregime nicht nur ballistische von Satellitenstarts, sondern auch Mögliche Raketentypen unterscheiden kann. Eingerichtet wurden diese Systeme nach Einführung der SLBM, einerseits um sich nicht von den Seegestützen Raketen des Gegners überraschen lassen zu müssen, andererseits um noch etwas Vorwarnzeit bei so einem Angriff von See her zu gewinnen.

  5. Shuttle-Starts kann man natürlich nicht verstecken. Aber man kann einen militärischen Hintergrund eines Starts sehr wohl bis zuletzt geheim halten. Ob sich die behauptete Nutzlast an Bord befindet, oder eine ganz andere oder auch keine (wenn man einen gegnerischen Satelliten „abfischen“ will), ist ja für einen außenstehenden Beobachter nicht unterscheidbar.

    Irgendwann hat das Pentagon aber kapiert, dass die Systeme, um gegnerische Satelliten zu stören (z.B. mit starken Radiosendern) oder auszuschalten (z.B. mit einer kleinen Rakete auf Kollissionskurs) VIEL günstiger sind als der Unterhalt eines Space Shuttle, und haben sich daher aus dessen militärischer Nutzung verabschiedet. Und für Atombomben ist es sowieso besser, man „liefert“ diese mit unbemannten Trägern aus, sonst hat man schon das Problem, die Bomberpiloten schnell genug aus der Gefahrenzonen zu bringen.

    Jag

  6. Ich dachte bisher immer, dass in der ersten Zeit der Entwicklung – also späte 60er Jahre – Deltaflügel einfach das „coolste“ und angesagteste Design im Flugkörper-Bau war.
    Es stellte nach damaligem Wissensstand den besten Kompromiss aus akzeptabler Gleit- und guter Überschallfähigkeit, Flugstabilität/Agilität sowie erträglicher thermischer Belastung der Flügelkanten dar.
    Siehe auch die nicht ganz so schnellen Concorde, Tu-144, A-12/SR-71, XB-70, Convair F-106

    lg

  7. Also es gab sehr lange den Gleiter mit Stummelflügeln. Siehe Abbildung. Als man von der Variante mit einer geflügelten unterstufe auf die heutige Form überging wechselte man die Konfiguration. Mit Coolness hat das nichts zu tun. Delta Flügel gab es schon beim Dyna Soar. Ich vermute es ist wie die Größe des Nutzlastraumes und die Kapazität eine Forderung der USAF. Man hat die Flügel sogar noch von über 320 auf 250 m² verkleinert, weil sie sonst zu schwer waren

  8. Die Shuttle konnten mit 14-15 Tonnen Nutzlast wieder LANDEN.
    Das dürfte der Grund für die großen Tragflächen gewesen sein.
    Und als Flügelform bietet sich dann wohl der Deltaflügel an.

    Spricht für die Theorie des Satelitteneinfangs.
    Aber auch für das zivil angedachte System als billiger Träger zum aussetzen, reparieren und wieder einfangen von kommerziellen Satelliten und den Betrieb von industriellen Werkstofflaboren.
    Die KH-11 (Kennan) Satelliten mit funkübertragung der gewonnen Bilder waren schon 1976 operativ. Das Thema schnelle Gewinnung von Spionageaufnahmen dürfte also schon sehr früh in der Entwicklung des Shuttles entfallen sein.

    Bernd

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