Wie teuer war die Space Shuttle Entwicklung?
Derzeit bin ich in Heppenheimers Buch fast am Ende, und da macht er auch eine Übersicht über die Kosten. Die sind recht genau ermittelbar, es gibt in den NASA Archiven genügend Material, wie sich das Budget verteilt und ich nutzte es auch mal um die Gesamtkosten des Space Shuttle Programms zu ermitteln. Ich kam auf eine andere Summe als das CAIB, das die Kosten mit 112,9 Milliarden Dollar und 172,8 Milliarden Dollar im Wert von 2000 ermittelte. Meine Ziffer waren 126.8 Milliarden Dollar bzw., 237.7 Milliarden im Wert von 2000.
Zuerst einmal die Erklärung von zwei Zahlen. Man kann alle Ausgaben summieren und erhält die ersten beiden niedrigeren Zahlen. Sie gehen nur um 14.1 Milliarden auseinander, das sind etwa 10%. Ich vermute, es liegt daran, dass ich alles dazurechnete was zum Shuttle Programm gehörte. Das sind auch die Kosten für Vorstudien von 1969-1972.Daneben die Kosten für Entwicklungen die abgebrochen wurden, wie die Centaur G oder verbesserte SRM etc. Stärker laufen die Zahlen auseinander wenn man die Summe inflationkorrigiert betrachtet. Dazu wird die Kaufkraft auf ein Bezugsjahr festgelegt, hier das Jahr 2000. Dazu braucht man einen Index, der den Wertverfall angibt und Heppenheimer hat gleich drei genannt.
Die Space Shuttle Entwicklung sollte 5150 Millionen Dollar im Wert von 1972 kosten. Real waren es /nach Heppenheimer) 9912 Millionen Dollar. Ich, wie auch andere Autoren kommen durch Auswertung der NASA Quellen, die das Budget aufschlüsseln, übrigens auf die höhere Summe von 13759,13 Millionen nur Entwicklungskosten und 15.648 Millionen Dollar, wenn man die Operationskosten mit einschließt, die ab 1978 entstehen (weitere Orbiter Flugtests, Erprobungsflüge, Transferkosten). H.O.Ruppe beziffert 1985 die Entwicklungskosten in Band 2 von „Grenzenlose Dimension Raumfahrt“ S.654 auf 8,2 Milliarden Dollar im Wert von 1972,
Demgegenüber kommt Heppenheimer auf 5405,6 bis 6653,7 Millionen Dollar im Wert von 1972. Das interessante: Die Quelle für die Zahlen ist nicht die NASA mit ihren Ausgaben, sondern ein privater Brief von Robert F. Thompson an Charlies Donlan. Donlan war Mitglied der Space Task Group, Robert F. Thompson war Senatsmitglied. Das bedeutet, der Senat hatte niedrigere Zahlen als die NASA selbst ausweist.
Doch das Hauptthema ist dass selbst diese Zahlen variieren, und zwar je nachdem welchen Indes man einsetzt:
- 6097,2 Millionen Dollar nach dem „Consumer Price Index“
- 6653,6 nach dem NASA Comptroller Index
- 5406,6 nach den aktuellen Programmkosten
Nimmt man also nur die letzte Ziffer, so war das Shuttleprogram nur um 300 Millionen Dollar, weniger als 10% der geplanten Summe. Von den drei Indizes ist nur einer allgemein bekannt, der Consumer Price Index, der auch verwendet wird, wenn bei uns in den Nachrichten von der Inflationsrate die Rede ist. Er basiert auf den Preissteigerungen für einen „Korb“ von Dingen die man kaufen muss bzw. Verbrauchskosten wie bei Strom oder Heizöl. Die NASA hatte einen eigenen Index, der höher lag bei 6653,6 Millionen Dollar, das ist ein Indiz dafür, dass innerhalb der NASA die Kosten stärker anstiegen als wie für den Verbraucher. Interessanterweise hatte das Shuttleprogramm noch einen eigenen Index, der nur 5406,6 Millionen Dollar auswies.
Das zeigt recht deutlich wie man die Kosten kleinrechnet. Als Mike Griffin NASA Administrator war, veröffentlichte er mal ein Excel Sheet mit dem die NASA ihre Wertsteigerungen berechnet. Es basiert auf der Bruttosozialprodukt, also dem Anstieg der Produktivität. Meiner Ansicht nach eine schlechte Wahl, denn die hat mit den Preissteigerungen ja nichts zu tun. Die Produktivität kann durch technische Fortschritte, aber auch einfach durch den Anstieg der Bevölkerung (die USA sind nach wie vor Einwanderungsland) ansteigen. Vor allem müsste wenn man den GDP nimmt ja implizieren, dass das Einkommen der Bevölkerung konstant bleibt, also der Lebensstandard gleich bleibt.
Für das Shuttle Programm hat eine andere quelle Gesamtkosten von 209 Milliarden Dollar errechnet, auch ich komme, wenn ich die Enzwicklungskosten auf 1972 beziehe, nach dem NASA GDP Index auf 8.165 Millionen Dollar ohne Operationskosten, recht nahe an der Angabe von Ruppe. Wie kommt der Unterschied zustande. Nun zum einen natürlich wie man die Inflation berechnet (siehe oben). Das zweite, und das hat auch Heppenheimer getan, ist was man als Entwicklungskosten nimmt. Ich, wie auch andere würden wohl die Gesamtaufwendungen für das Shuttle Programm bis zum Jungfernflug nehmen, man müsste eigentlich sogar die ersten vier Flüge dazu nehmen, denn diese gelten auch als Testflüge. Doch schon als das Programm genehmigt wurde, da waren die in den 5150 Millionen nicht mit drin. Der Bau von zwei Development Orbitern und drei Einsatzorbitern war nicht dabei, das sollte weitere 1000 Millionen Dollar kosten. Dann mussten noch Anlagen gebaut werden, die mit 800 Millionen veranschlagt waren, davon 300 Millionen für die NASA. (Quelle: Space Shuttle Total Cost Breakout , GAO Report #093513, February 1975, page 19) Berücksichtigt man dies und nimmt eine ähnliche Preissteigerung an, so kommt man auf Entwicklungskosten von bis 8333,3 bis 7637 Millionen Dollar, je nach Index.
Ehrlich gesagt hätte ich mich gewundert, wenn das Space Shuttle Programm nur um 7-30% teurer wurde. Dafür gab es zu viele Indizien, die dagegen sprachen. Das Programm wurde schon im ersten Jahr durch eine fehlende Anfangsfinanzierung um 1 Jahr gestreckt, wenn man den geplanten Jungfernflug als Maßstab nimmt. In den späten Siebzigern addierten Verzögerungen bei den Haupttriebwerken, mit mindestens fünf ausgebrochenen Bränden und einem zerstörten Teststand ein Jahr und der Shuttle Manager beantragte 1979 eine zusätzliche Finanzspritze von 222 Millionen Dollar, um ein weiteres Jahr Verzögerungen zu vermeiden. Dann kamen die Probleme mit den Hitzeschutzkacheln. Rockwell wollte nachdem sie eine Lösung fanden, auch alle schon installierten, aber als unproblematisch bekannten Kacheln auswechseln, was Alan Lovelace, damals Debuty Administrator mit einer Verzögerung von zweieinhalb Monaten und zusätzlichen Kosten von 500 Millionen Dollar assoziierte.
Angesichts dessen, das zum Ende des Programms dann die Leute bereit standen, um die operationellen Flüge durchzuführen und das waren tausende und diese ihre Gehaltschecks bekamen, egal ob sie arbeiteten oder nicht, wäre es verwunderlich, wenn eine Programmverzögerung von dreieinhalb Jahren nur so wenige kosten addiert, vor allem wenn man die zusätzlichen Kosten berechnet, die entstanden weil bei den Haupttriebwerken und dem Thermalschutz neue Kosten anfielen, weil es zuerst nicht so klappte wie geplant.
Was bleibt ist ein Lehrstück, nämlich wie man Kosten günstig rechnet. Nämlich durch Wahl des geeigneten Indexes für die Inflationsrate und Weglassen von Posten. Was man dabei aber auch nicht vergessen sollte, ist das man das Space Shuttle schon um es genehmigt zu bekommen „günstig rechnete“, den vorherige Konzepte kosteten fast das doppelte und nun sollte es damit Nixon dafür eintrat maximal 1 Milliarde pro Jahr kosten. Real gesehen ist es angesichts der Größe noch relativ preiswert. Die Saturn V Entwicklung kostete 6540 Millionen Dollar, dazu kam noch der größte Teil der 900 Millionen Dollar für die Triebwerksentwicklung, und das waren Summen die 5 Jahre vor der Genehmigung des Shuttles anfielen, also wenn man den Inflationsindex nimmt, noch höher 1972 gewesen wären. Dabei handelte es sich „nur“ um eine Rakete. Wie sollte ein Transportsystem, das fast genauo viel wiegt so viel billiger werden, wenn dabei ein bemanntes Raumfahrzeug auch dabei ist?
Was das Shuttleprogramm auch markiert ist eine Zäsar in der Öffentlichkeitsarbeit. Bei den vorherigen bemannten Programm, aber auch den meisten unbemannten Programmen gab es vorher exakte Zahlen was diese kosteten. Beim Space Shuttle hörte das auf. Nach dem Verlust der Challenger wurden auch die Flugkosten nicht mehr veröffentlicht. Dafür hat man mehrmals Posten in andere Ressorts verschoben oder die kosten in mehrere Budgets, wie Flugdurchführung und Upgrades oder Bodensegment aufzuteilen.Daran hat sich ledier bis heute nichts geändert.
Interessanter Beitrag, vielen Dank dafür.
Den Grund für das Scheitern des Space Shuttle kann man auch ohne komplizierte Berechnungen benennen:
1. Solllte das Projekt ein für alle mal den technologischen Führungsanspruch der USA festigen, und das System so teuer und kompliziert sein, dass keine andere Nation es nachmachen könne.
2. Sollte der Space Shuttle Raumfahrtmissionen so günstig und routinemässig durchführen wie Flugzeuge 30 Jahre nach deren Erstflug, und somit die Startkosten deutlich unter denen bisheriger Trägerraketen senken.
Dieses Dilemma kann unmöglich aufgelöst werden, hingegen wurden beide Ziele deutlich verfehlt:
– Kurz vor Ihrem Ende (noch nicht auf dem Totenbett, aber diagnostiziert mit einer unheilbaren Krankheit) schaffte es die Sowjetunion, ein noch komplexeres und leistungsfähigeres System zu entwickeln;
– Die Startkosten des Space Shuttle waren höher als bei jeder Wegwerf-Trägerrakete mit vergleichbarer Nutzlast.
„Kurz vor Ihrem Ende (noch nicht auf dem Totenbett, aber diagnostiziert mit einer unheilbaren Krankheit) schaffte es die Sowjetunion, ein noch komplexeres und leistungsfähigeres System zu entwickeln“
Mit „komplexer“ wäre ich vorsichtig. Die amerikanischen Haupttriebwerke waren z.B. wiederverwendbar, im Gegensatz zu den russischen Pendants. Die Russen hatten (und haben) dafür aber bessere Kerosintriebwerke. Auf jeden Fall aber war die sowjetische Lösung deutlich flexibler.
Space Shuttle ist nicht gescheitert, nach 30 Jahren und zigtausend durchgeführten Experimenten, darunter Aufbau der ISS, Hubble Reparatur, war auch Zeit für neue Programme.
Die russische Lösung mit der Option von wiederverwendbarkeit war schon genial. Die Trägerrakete war für unterschiedliche Nutzlasten, bis max. 200 Tonen, ausgelegt. Hier noch Daten für die Tanks der Zentralstufe, fast genau wie bei Shuttle:
Trockenmasse des H2 Tanks, 14,365 Tonnen für 100,868 Tonnen Treibstoff
Trockenmasse des O2 Tanks, 5,741 Tonnen für 602,775 Tonnen Treibstoff
Zwischentankstruktur, 6,26 Tonnen