Neues von der Unterhaltungsfirma SpaceX
SpaceX enttäuscht mich nie. Keine Firma ist so zuverlässig und hat einen so hohen Unterhaltungsfaktor. Man darf sie nur nicht ernst nehmen und das glauben was sie sagen. Also ich beziehe mich auf diese Meldung. Da beteuert die Firma seit zwei Jahren, die Falcon 9 „v1.1“ wäre nur ein kleines Upgrade, alles nur ein bisschen gestreckt und ein bisschen leistungsfähigere Triebwerke und wundert sich, wenn die NASA ziemlich verärgert ist, weil sie für den Start von JASON-3 die Falcon erst wählte, als es schon vier Flüge gab, mit der Aussicht, dass sie bis zum Start dann genügend Flüge absolviert hat, um den NASA Anforderungen an Zuverlässigkeit zu genügen und nun erfolgt der mit der Falcon 1.1, die eben diese Flüge nicht aufweist. Auf Orbital wird nun Druck gemacht, möglichst schnell nach dem COTS Testflug in wenigen Tagen im Dezember den ersten operationellen Flug durchzuführen, auch weil nun beim ISS Transport die Weichen neu gestellt sind und drei Flüge der Falcon 9 erfolgen müssen bevor der nächste Transport erfolgen darf (siehe Meldung).
Und nun gibt Musk zu wäre man „extrem paranoid“ wegen des flugs, weils eben doch eine neue Rakete ist – vorher wollte man das nicht zugeben, man hätte Kunden vergrätzen können. Ansonsten gibt es nichts neues. Weder erfährt man etwas auf offiziellem Wege, wie das statische Zünden am 7/8 Swptember verlief (meine Prognose: es gab wohl Probleme, denn gute Nachrichten werden eher rausposaunt) noch wann der Starttermin ist. Außer Spaceflight.now scheint den keiner zu wissen, dabei steht er in 5 Tagen an. Anders als früher gibt es auch diesmal kein Video, vielleicht kehrt die Firma ja wieder zu der Praxis bei der Falcon 1 zurück und schickt alle Aufnahmen mit 30 Sekunden Verzögerung in die Welt, damit man rechtzeitig den Stöpsel ziehen kann (so geschehen bei der Falcon 1, dritter Start, wie eine ehemalige Mitarbeiterin inzwischen bestätigt hat). Wenns nicht so traurig wäre, man könnte drüber lachen.
Was will die Firma diesmal machen? Nun nach dem Aussetzen der Nutzlast einen weiteren Test der zweiten Stufe durchführen. Das hat den profanen Sinn festzustellen, welche Nutzlast die neue Falcon 9 bei Ausschöpfung aller Kapazitäten hat. Bei nur 500 kg Nutzlast müsste der Treibstoff mehr als ausreichend sein um die Stufe aus dem Erdgravitationsfeld zu befördern, schließlich beträgt die normale LEO Nutzlast über 13 t und 3 t soll sie auf Fluchtgeschwindigkeit befördern können.
Man wird meiner Ansicht nach aber eine größere Menge in der ersten Stufe lassen. Denn diese soll ebenfalls ein Manöver durchführen. Sie soll vor der Wasserung erneut zünden und so die Aufprallgeschwindigkeit reduzieren. Genügend Treibstoff gibt es, bei nur 500 kg Nutzlast müsste man wenn man 500 kg Reserven vorsieht in der ersten Stufe noch über 200 t ungenutzten Treibstoff haben. Es müsste meiner Überschlagsrechnung nach sogar genügend sein um die stufe wieder komplett abzubremsen, das heißt die Aufstiegsgeschwindigkeit wieder abzubauen ohne aerodynamische Abbremsung oder ähnliches zu nutzen.
Was viel interessanter ist sind diese beiden Aussagen:
“Just before we hit the ocean, we’re going to relight the engine and see if we can mitigate the landing velocity to the point where the stage could potentially be recovered, but I give this maybe a 10 percent chance of success,” Musk said.
. “Ultimately, I think we could see a drop in cost per launch of 25 percent or more, just from reuse of the boost stage,” he said.
Also: die derzeitige Stufe hat eine Chance von 10% einen Aufprall auf dem Wasser zu überleben, trotz Abbremsen vor dem Aufschlag. Da steht also noch viel Arbeit an, bis man 100% erreicht. Der Nutzen sind aber nur 25% Reduktion der Startkosten, die übrigens, das haben sowohl meine Berechnungen wie auch Verlautbarungen von Musk mit einer Halbierung der Nutzlast einhergehen. Macht für mich nicht viel Sinn.
Laien mag die Firma ja mit Demonstrationen wie Grasshopper beeindrucken (das der Schub eines Triebwerkes so geregelt wird, dass eine Rakete schwebt oder langsam nach unten, sinkt ist Technologie der sechziger Jahre, da braucht man nur eine Schaltung die den Schub an die Daten eines Radar-Höhenmeters und Geschwindigkeitsmessers koppelt, so was konnten schon so einfache Sonden mit analogen Rückkopplungssystemen wie die Surveyors 1967!). Aber die wirklichen Probleme sind doch andere – die stufe muss den Wiedereintritt ohne Beschädigungen überleben, sie muss den Startort präzise wieder erreichen und nicht 1 km davon entfernt landen. Bis diese gelöst sind, werden noch etliche Falcon 9 im Meer aufschlagen.
Meiner persönlichen Meinung nach ist das auch mehr ein Alibiprogramm. Schließlich gibt es ja das mehrfache Zitat von Musk, er wäre gescheitert, wenn die Wiederverwendung nicht klappt“. Da muss man eben mit wenig kosten so tun als würde man noch dran arbeiten.
Tja und Weil SpaceX so gerne mit Zahlen herumwirft: Arianespace hat dieses Jahr (bis September) kommerzielle Abschlüsse im gleichen Umfang abgeschlossen wie SpaceX in der Firmengeschichte bisher. (jeweils 1 Milliarde Dollar). Siehe hier. Der Ausfall der Proton hat eher dazu geführt das die Atlas 5 einen neuen Vertrag bekommen hat (den ersten seit einigen Jahren)
Du verstehst da einige Dinge falsch:
1) „Extremely paranoid“, wie Musk es verwendet, ist in dem Zusammenhang positiv zu bewerten (sonst würde er es wohl kaum sagen…): sie sind extrem Vorsichtig, wollen alle Möglichkeiten checken und sich auf alle Eventualitäten vorbereiten. Wie man das halt von jemandem erwartet, der millionenteure Hardware auf einer neuen Rakete ins All schiessen will…
2) Die Chance, einen Aufprall zu überleben, liegt nicht bei 10% – das ist die Chance, die Musk einem erfolgreichen Abbremsmanöver zubilligt. Also: bei 9 von 10 Versuchen scheitert das Manöver, in einem von 10 gelingt es. Was denn das für die erste Stufe heisst, dh, ob sie danach geborgen oder gar wiederverwendet werden kann, ist eine ganz andere Frage.
Die nur gerade 25% Reduktion („eventually“, also nicht sofort) haben mich auch eher negativ überrascht.
Und noch eine Frage: Warum soll SpaceX etliche Flüge mit der Falcon 9.1 durchführen müssen, bevor sie zur Station „dürfen“, wenn Orbital mit der Antares nach einem einzigen Testflug hindarf?
zu 1: Vorsichtiges Vorgehemn und Prüfen ist bei anderen Firmen der Normalfall, wenn man es nicht macht kann die Rakete auch nach dem Start einen Looping absolvieren.
2: Dann liegt die Erfolgsqueote unter 10%, denn Abbremsmanöver ist ja noch keine weiche Landung. Vor allem ist das Abbremsmanöver unabhängig von der Landung – müsste also auch an Land erfolgen, wo sie ja landen wollen.
3: Musks Aussagen sind in etwa so zuverlässig wie die der FDP. Vor einigen Monaten gabs mal eine aussage in der form man könnte den Startpreis auf den Treibstoffanteil reduzieren wenn die Wiederverwendung klappt also ein Hundertstel bis Tausendstel von heute
4: Ich zitiere nur den Artikel von Spacenews.com (Links nachgehen).
@Bynaus: Dass die NASA derzeit keinen COTS-Transportauftrag zur ISS an SpaceX auslösen, verstehe ich. SpaceX hat eine neue, ungetestete Rakete, und folglich steigt die Gefahr, dass die Nutzlast statt bei der ISS im Meer ankommt. Zwar hätte die NASA sicher nichts dagegen, wenn Space-X auf eigene Kosten einen erneuten Testflug durchführt, doch schmeckt das wahrscheinlich SpaceX weniger.
Orbital befindet sich hingegen im Vertrag mit der NASA noch viel weiter zurück – sie führen jetzt den vereinbarten Testflug durch. Diesen Testflug auf NASA-Kosten musste die NASA im Rahmen der COTS-Verträge anbieten, um überhaupt Unternehmen zu gewinnen, die sich auf diese Verträge bewerben.
Was es den Ärger über die schlechte Kommunikation von SpaceX bezüglich Launch Manifest, Startterminen, Ergebnis von Tests usw. anbelangt, sind wir uns alle einig.
Nicht verstehen kann ich Bernds Rumreiterei auf der Angabe von SpaceX, dass sie eine erfolgreiche „weiche“ Wasserung nur mit 10% Wahrscheinlichkeit erwarten. SpaceX sagt in allen Statements klar, dass das Hauptziel der Mission das erfolgreiche Aussetzen der Satelliten ist. Daneben verfolgt man die Nebenziele, die Leistungsfähigkeit der zweiten Stufe zu ergründen (durch erneute Zündung, vermutlich bis Brennschluss) und die Entwicklungen zur Wiederverwendung der ersten Stufe voranzutreiben, indem man letztere aktiv abbremst. Letztere Entwicklungen sind nicht abgeschlossen, deswegen erwartet SpaceX ein Scheitern der weichen Wasserung. Doch das spricht nicht dagegen, es dennoch zu probieren, immerhin gewinnt man so ein paar Daten, und sei es nur bezüglich der Frage, wie stark der Treibstoff in der Unterstufe schwappt, während man sie in der Schwerelosigkeit dreht, oder, ob die Triebwerke der Unterstufe überhaupt erneut zünden.
25% Kostenersparnis duch Wiederverwendung der Unterstufe halte ich auch für realistisch. Immerhin kommt hier Musk nicht mehr mit Fantasiezahlen um die Ecke. Da SpaceX seine Rakete nicht an die Nutzlast anpassen kann – es gibt kein Sortiment von Boostern etc. – ist das immmerhin ein Weg, Kunden mit kleiner Nutzlast einen gewissen Rabatt zu geben. Bei der letzten Ariane 5 wog einer der beiden Satelltien auch nur 2,650 kg – das wäre möglicherweise leicht genug, um die Falcon 9R („R“ wie „reusable“) einzusetzen.
Kai
Also der Artikel ist glaube auch nicht ganz korrekt. Soweit ich mich entsinne hat eine Vollständig wiederverwendete Falcon 50% Nutzlast der expendable Version. Ich weiß zwar nicht ob die wiederverwendung der Oberstufe auch 50% Sparen würde(vermutlich nicht) oder wie hoch die Nutzlast mit Wegwerfoberstufe ist aber die 25 % erscheinen mir doch erstmal gar nicht so schlecht. Eventuell reicht es sogar nicht um sich für die Falcon 9 zu lohnen…..aber wie wäre es dann mit der Heavy mit ihren 3 Boostern?
Wenn die erste Stufe mit 80% der Masse ausmacht und 90% der Triebwerke hat, dann wird sicher die Oberstufe nicht genauso teuer sein.
Einen Ansatz (ohne Treibstoffverbrauch fürs Rückfliegen, das kam erst nach dem Aufsatz) hatte ich mal vor Jahren mit der damaligen Falcon 9 durchgerechnet und kam auf ein Sechstel Nutzlastverlust wenn man die Kistler K-1 Strukturmasse als Massstab nimmt – die sollte ja wieder weich landen.
Dann bleiben gerade mal noch 10% Kostenersparnis im Falle das es klappt – wenn es nicht klappt wirds um 15% teuer….
@Kai: Der Flug zur ISS im Dezember wird der erste CRS Flug sein. Damit liegt OSC gleichauf / ein bisschen besser mit Spacex (sie haben ihren Auftrag 17 Monate nach SpaceX erhalten). In wenigen Tagen wird der COTS Demoflug zur ISS gehen.
Neuigkeiten: wie ich schon vermutete (nennt mich Hellseher :-)) bedeuteten die ausbleibenden Nachrichten über den Test, dass er nicht ohne Probleme war. Der start ist auf unbestimmte Zeit verschoben. Ein zweiter Test angesetzt.
http://www.spacenews.com/article/launch-report/37216falcon-9-launch-up-in-the-air-following-static-fire-test
Obwohl Space-X nach eigenen Aussagen während der Entwicklung, Qualifikation und Acceptance Tests der Meriln 1D Triebwekre wesentlich mehr getestet haben will als die „klassische“ Raumfahrtindustrie, gab es wohl zwei Anomalien während dem Hot Fire Test. Wenn Space-X schon selber von Anomalien redet, möchte ich nicht wissen, was tatsächlich passiert ist…..
Die Kommunikation seitens Space-X erinnert mich aber eher an eine Nachrichtensperre…
Na ja bei SpaceX twittert eben noch der Chef selbst:
http://www.astirn.de/blog/2013/03/hier-twittert-der-chef-noch-selbst/
Andere dürfen nichts sagen. Bei SpaceNews steht da in letzter Zeit oft:
„SpaceX spokeswoman Emily Shanklin could not be immediately reached for comment.“
Tweet from Michael Belfiore @MichaelBelfiore
@elonmusk Recoverable F9 will have to fly 15% less payload for water landing, 30% less for land touchdown
sollte das so stimmen ist eine Wiederverwendung zu beginn eventuell sogar im break even oder leicht profitabel. Wäre doch echt eine tolle Sache.
Beim Testflug am Sonntag wurde das primäre Ziel erreicht: Cassiope und die Sekundärnutzlasten sind im richtigen Orbit. Die Sekundärziele wurden dafür weitgehend verfehlt: Die Erststufe konnte zwar erneut gezündet werden, um sie abzubremsen, so dass sie nicht schon beim Wiedereintritt zerbrochen ist (wie alle anderen Falcon-1- und -9-Erststufen früher), doch die zweite Zündung, um die Restgeschwindigkeit abzubauen und dann „weich“ zu wassern, versetzte die Rakete stattdessen in Rotation.
Auch die Oberstufe sollte erneut gezündet werden, insbesondere, um deren Performance zu ermitteln, und um die Wiederzündfähigkeit zu testen. Hier gab es wohl gleich nach der Zündung dann wieder einen Cut Off, weil die Triebwerks-Parameter nicht nominal waren. Das ist ein Problem, das SpaceX bis zum nächsten Start, einer GTO-Mission, beheben muss, denn diese enthält eine Freiflugphase samt anschließender Wiederzündung. Hier müssen also die Ingenieure mit Hochdruck ran!
Das Fehlschlagen der „weichen Wasserung“ war hingegen so vorhergesagt worden und dürfte niemanden bei SpaceX beunruhigen.
Kai