Berufe
und die Frage ihrer gerechten Bezahlung. Vor kurzem war es Gegenstand eines Tests in der Schule, die Meinung des Ökonoms Friedrich Heyeks zum Thema Soziale Gerechtigkeit und Umverteilung zu bewerten, die uns als Interview vorlag. Zusammengefasst lautete sie folgendermaßen: Soziale Umverteilung führt nicht zu mehr Gerechtigkeit, da jeder am (Arbeits)Markt seine Arbeitskraft anbieten kann und den Lohn erhält, der seinem Beitrag zum Volkseinkommen entspricht. Jede staatliche Intervention würde diesen Prozess nur verzerren. Ich finde diese Ansicht ziemlich zweifelhaft, aber dazu später. Mich regte dieser Test jedenfalls dazu an, sich über das Thema der gerechten Verteilung des Wohlstands und damit einhergehend die gerechte Bezahlung von Arbeit Gedanken zu machen.
Die Lohnverteilung könnte zum Einen nach der geleisteten Arbeitszeit erfolgen. Wenn man nach dem Grundsatz „Alle Menschen sind gleich, somit muss auch die Arbeit gleich bezahlt werden“ herangeht, so ist dieser Ansatz gerechtfertigt. Nicht mit einbezogen wird allerdings der Aufwand zur Vorbereitung des Berufs, das heißt die Ausbildungszeit. Somit würden, auf die gesamte Lebenszeit gesehen, Berufe mit langer Lehrzeit eine schlechtere Gesamteinkunft verursachen. Somit könnten sich für genau diese Berufe zu wenig Menschen entscheiden, selbst wenn sie dazu die Fähigkeit hätten. Zudem könnten sich dadurch zu viele Leute für weder geistig noch körperlich anstrengende oder riskante Berufe entscheiden, was wiederum zu teilweisem Arbeitskräftemangel oder Überschuss führen würde. Für beide Probleme mag es durch leichte Abwandlungen Lösungen geben (es bekommt dann eben nicht mehr jeder den gleichen Lohn, der von den Kriterien Anstrengung und Gefährlichkeit des Berufs abhängig ist), aber diese sind dann mit einem enormen Verwaltungsaufwand verbunden.
Diesem Ansatz geradezu entgegengerichtet ist nun Heyeks Idee einer gerechten Verteilung, die wie eingangs erwähnt über den freien Markt erfolgt. Damit die so erfolgende Verteilung wirklich gerecht ist, muss der ominöse Markt annähernd perfekt funktionieren. Damit das gewährleistet ist, müssten für jeden Bewerber für eine Stelle dem Unternehmen komplette Informationen über die zukünftige Leistung vorliegen. Wie aber soll ein Unternehmen (oder auch der Staat) in die Zukunft blicken und dann auch noch die tatsächliche Leistung jedes einzelnen Menschen herausdestillieren? Im perfekten Markt dürften außerdem kein Seilschaften existieren, die nach dem Prinzip „Eine Hand wäscht die andere“ zu einer Verzerrung der Entlohnung führen. Weiterhin gibt es Berufe, die für den Fortbestand und das Wachstum des Wohlstandes unabdingbar sind, die für die Gesellschaft aber nichts wirklich neues schaffen. Ein Beispiel wären Ärzte: Sie retten Leben, und ermöglichen der jeweiligen Person, weiterhin produktiv tätig zu sein. Wie ist nun ihre Leistung zu bewerten? Sollten sie eher schlecht bezahlt werden, da sie ja nichts produzieren oder eine unterhaltende Dienstleistung erbringen, oder sollte man sie nicht an der zukünftigen Wertschöpfung der geretteten Personen beteiligen, was einen enormes Gehalt verursachen würde? Ich denke nicht, dass ein komplett unregulierter Markt auf solche Fragen sinnvolle Antworten liefern könnte. In den angloamerikanischen Ländern sollen in den vergangenen Jahren, besser Jahrzehnten große Deregulierungsmaßnahmen durchgeführt worden sein. Ob und in welchem Maße dem so ist, kann ich nicht wirklich beurteilen. Zum einen habe ich zu Beginn des politischen Kurses noch lange nicht gelebt, zum anderen habe ich alles Wissen nur aus Zeitungen und verständlicherweise nicht durch Studium irgendwelcher Gesetzestexte oder wissenschaftlicher Aufsätze zu diesem Thema. Nehmen wir aber an, das es diese Deregulierung der Finanzmärkte wirklich in sehr großem Maße gab, und führen wir die Geschehnisse danach auf diesen Prozess zurück. In diesem Fall entstand so nicht nur eine Finanzkrise, sondern auch ein Kreis von Menschen, die für unglaubliche Summen Geld den ganzen Tag Beträge über die ganze Welt verschieben. Das ist sicher sehr vereinfacht dargestellt, und an dieser Tätigkeit wird vielleicht sogar das eine oder andere sinnvoll sein, aber es stellt sich wirklich die Frage, ob ein Investmentbanker oder Fondsmanager im Jahr wirklich fünf Millionen Euro + x verdient hat, beziehungsweise ob er zum realen Volkswohlstand soviel beiträgt. Wohlgemerkt kam diese Verteilung durch einen unregulierten Markt zustande, auf dem sich die Banken global die besten, mitunter vielleicht auch zerstörerischsten Mitarbeiter „einkaufen“ können. Gerade dieses Beispiel zeigt eine Schwäche der Heyek-Denkweise auf, denn wie soll wertvolle Arbeit allgemeingültig bewertet werden? Ich denke, diese Frage sollte man nicht allein einem Markt überlassen, sondern einer Regierung, die das Wohlergehen aller Menschen im Blick hat. Eine soziale Marktwirtschaft, die vom auf dem Arbeitsmarkt höherbewerteten Menschen nimmt und weniger hoch bewerteten gibt, ist in meinen Augen für das Problem vielleicht keine perfekte Lösung (kann es die überhaupt geben?), aber eine ganz brauchbare.
Moin,
zunächst stammen die Ideen Hayeks aus der Österreichischen Schule über den abnehmenden Grenznutzen. Dieses Gesetz ist erstmal richtig. Aber hier spaltete sich der klassische Neoliberalismus in die Österreichische Schule und die Freiburger Schule, ist es verheerend die „freie“ Marktwirtschaft unreflektiert auf alles anzuwenden.
Insbesondere für den Arbeitsmarkt ist ein völlig freie Marktwirtschaft für den Arbeiter tödlich, da des Eiserne Lohngesetz vorhersagt, dass der Lohn bei vollkommener Konkurrenz unter den Bedingungen des freien Marktes, stets um das Existenzminimum schwankt.
Zitat: Jello Biafra:
Volkswirtschaftslehre ist immer politisch. Für das Kapital ist ein freier Arbeitsmarkt natürlich optimal. Unser ehemaliger Bundeskanzler Schröder, der von der AWD gesponsert wurde, ist heute noch Stolz darauf dass er in Deutschland die Niedriglöhne eingeführt hat.
Zitat Schröder: “ Wir müssen und wir haben unseren Arbeitsmarkt liberalisiert. Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt. Ich rate allen, die sich damit beschäftigen, sich mit den Gegebenheiten auseinander zu setzen, und nicht nur mit den Berichten über die Gegebenheiten. Deutschland neigt dazu, sein Licht unter den Scheffel zu stellen, obwohl es das Falscheste ist, was man eigentlich tun kann. Wir haben einen funktionierenden Niedriglohnsektor aufgebaut, und wir haben bei der Unterstützungszahlung Anreize dafür, Arbeit aufzunehmen, sehr stark in den Vordergrund gestellt. “
Dadurch haben wir unsere Stellung als Exportweltmeister ausbauen können. Dadurch haben wir Südeuropa an den Rand der Pleite gedrängt. Und dadurch wurden die Arbeiter in die Armut gedrängt.
Hier sind also zum einen Gewerkschaften, zum anderen der Staat gefordert, die Freiheit des Marktes einzuschränken, z.b. durch Streiks und Arbeitskämpfe, zum andern aber auch durch Sozialleistungen, die dem Arbeiter bei Arbeitslosigkeit ausreichend abfangen, um bei schlechten Arbeitsbedingungen und Löhnen !NEIN! zu sagen.
Eine Abschaffung von Sanktionen beim Hartz IV, und ein Anheben der Sätze würde dieses in ein Grundeinkommen überführen, ein Mindestlohn ist zudem für die Branchen nötig in denen die Gewerkschaften nicht so stark sind.
ciao,Michael
Man muss über das ganze gar nicht so viel philosophieren, es reicht einige Dinge zu verbieten, die in den Letzten Jahren die Rechte der Arbeitnehmer stark eingeschränkt haben:
Dauerleiharbeit: Im Normalfall hat jeder nach einer bestimmten Zeit in der er als Leiharbeiter bei einem Unternehmen beschäftigt wird einen Anspruch auf einen festen Arbeitsplatz und tarifliche Bezahlung. Das wird umgangen indem die Arbeitnehmer laufend die Firma wechseln – zumindest auf dem Papier). Für den Arbeitgeber billig und die Zeitarbeitsfirma verdient auch noch mit. Nur der Arbeiter bleibt auf der Strecke
Scheinselbständigkeit: ist die gehobene form der Leiharbeit, da nun der Arbeitnehmer ja alle sozialvesicherungsbeiträge bezahlen muss und als selbstständiger auch kein Recht auf eine Anstellung hat.
Mindestlohn: angeblich würde ja ein Mindestlohn Arbeitsplätze kosten. Hallo? Wird durch höheren Lohn die Arbeit weniger? Wir reden ja hier vor allem von Dienstleistungsgewerbe und wenn die Leute entlassen werden, weil der lohn zu hoch ist fallen einfach Kunden weg und der Betrieb verdient weniger. Die Arbeit ist immer da, anders als in einer Fabrik kann man nichts beim Kellnern oder Haare frisieren automatisieren. Trotzdem zieht das Argument seit Jahren. Auch jetzt soll der Mindestlohn 2017 erst kommen. Dabei sollte der staat ja ein Eigeninteresse an einem exitsenzdeckendens Mindestlohn haben, denn was sonst fehlt muss er draufzahlen.
Aber solange der Staat das selbst praktiziert muss man sich nicht wundern. An der hochschule Esslingen gibt es seit Jahren keine neuen Stellen mit unbefristeten Zeitverträgen mehr. Der Großteil der Angestellten hockt auf Zeitverträgen über 1-2 Jahren. Nach spätestens 6 Jahen müssen sie gehen, weil man sie ja sonst fest anstellen können.
An den Berufsakademien gibt es pro Studiengang einige Professoren, der Großteil des Unterrichts (gehe ich mal von der Professorenanzahl aus die ich von Esslingen kenne dann sind es 90%) wird von Dozenten bewerkstelligt die maximal 240 Stunden im Jahr arbeiten dürfen, sonst bekämen sie auch ein Anrecht auf eine feste Anstellung und könnten nicht von Semester zu Semester mit wechselnden Stundenzahlen angeheuert werden. Im Vergleich zu einem Professor der nur 16 Stunden pro Woche Vorlesungen halten muss (einige Professoren waren in Esslingen auch daher nur zwei Tage in der Woche anwesend) spart man so viel Geld, denn der wird für 40 Stunden bezahlt, auch in den Semesterferien.
Moin Bernd,
von der aktuellen (*aehm* Zukünftigen, weil derzeit haben wir ja noch CDU/FDP) Regierung ist hier nichts gutes zu erwarten. Eher das schlechteste aus beiden Welten.
> An der hochschule Esslingen gibt es seit Jahren keine neuen Stellen mit unbefristeten Zeitverträgen mehr. Der Großteil der Angestellten hockt auf Zeitverträgen über 1-2 Jahren. Nach spätestens 6 Jahen müssen sie gehen, weil man sie ja sonst fest anstellen können.
Auch von den gleichgeschalteten Massengewerkschaften ist nichts zu erwarten. Also ist die einzige Chance das Du in Esslingen eine FAU-Betriebsgruppe gründest und dich mit dem AStA verbrüderst.
Aber die Studenten von heute taugen ja auch nix mehr. Habt Ihr überhaupt einen AStA? Und wenn ja ist dort der MSB oder der RCDS in der Mehrheit?
ciao,Michael
Ein Fakt wird immer bei den Argumenten für Lohndrückerei „übersehen“: Wer soll den die Produkte kaufen, wenn die Leute kein Geld haben? Höhere Löhne bedeuten auch höhere Kaufkraft und damit letzten Endes höhere Produktion.
Bei der gegenwärtigen Exportorientierung der Industrie kommt es jedesmal zu ernsten Problemen, wenn irgendwo auf der Welt eine Spekulationsblase platzt. Ein starker Binnenmarkt könnte da einiges auffangen. Natürlich nur dann, wenn es ihn gibt.
In Esslingen habe ich am 13.2.2004 angefangen. Jetzt kannst Du Rechnen seit wann ich da nicht mehr beschäftigt bin….
Bernd, ich will nicht sagen, dass du mit deinem Artikel nicht richtig liegst. Ich finde nur, man muss gar nicht so tief einsteigen, um zu zeigen, dass Heyeks These schon im Ansatz falsch ist.
Denn auf einem funktionierenden Markt, den er ja voraussetzt, ist der Lohn nicht äquivalent zur Arbeitsleistung (im Sinne des volkswirtschaftlichen Beitrags), sondern äquivalent zur Vermarktungsleistung!
Jeder kennt den Bewerbungsgesprächsgrundsatz ‚man muss sich gut verkaufen können‘. Man kann das beliebig weiter mit Beispielen aus dem alltäglichen Leben untermauern.
Im Umkehrschluss bedeutet das: Möchte man sicherstellen, dass Arbeit nach Leistung bzw. volkswirtschaftlichem Beitrag bezahlt wird, MUSS man den freien Markt zumindest teilweise übersteuern.
Bernd kann für diese Herangehensweise nichts, weil der Text von einem Gastautor verfasst wurde.
Sorry, hab ich nicht drauf geachtet.
an Flugzeugkarle
„Denn auf einem funktionierenden Markt, den er ja voraussetzt, ist der Lohn nicht äquivalent zur Arbeitsleistung (im Sinne des volkswirtschaftlichen Beitrags), sondern äquivalent zur Vermarktungsleistung!
Jeder kennt den Bewerbungsgesprächsgrundsatz ‘man muss sich gut verkaufen können’. Man kann das beliebig weiter mit Beispielen aus dem alltäglichen Leben untermauern.“
Ich denke, du hast da absolut recht. Ich wollte aber in dem Artikel halt auch noch das Problem der allgemeingültigen Bewertung der aktuellen Leistung gekoppelt mit der Unmöglichkeit der Vorhersehung zukünftiger Leistungen.
Viele Grüße
Niels