Bernd Leitenbergers Blog

Wie nützlich ist die ISS für Marsmissionen?

Lange ist es her, da wurde die ISS als der erste Schritt für weitere Expeditionen angepriesen, so nach dem Motto: „Wir investieren jetzt in die ISS und sparen später Kosten bei einer Marsmission“. Nun preist das heute keiner mehr, doch da die ISS nun ja schon 15 Jahre im Orbit ist und es der eine oder andere schon vergessen hat mal der Faktencheck. Also in wieweit könnte die ISS hilfreich sein für eine Marsexpedition?

Aufenthaltsdauer: Also was fällt da mal spontan ein. Was die ISS mit einer Marsmission verbindet ist, dass die Besatzung lange im Weltall bleiben kann. Eine Marsmission dauert fast drei Jahre. Man könnte sich also langsam in einer Erdumlaufbahn sich dieser Dauer annähern und anders als bei einer Marsmission die Astronauten schnell wieder zurück zur Erde bringen, wenn sich der Gesundheitszustand drastisch verschlechtert, von einer nötigen Operation mal ganz zu schweigen. Doch davon ist nicht die Rede. Geplant waren Aufenthalte von 90 Tagen. Durch den Wegfall des Space Shuttle als Transportmedium sind nun 180 Tage die Regeldauer. Doch das ist kurz gegenüber den Rekorden, die die russische Raumfahrt schon in den Achtzigern und frühen Neunzigern aufstellte. Damals allerdings nicht nur aus Rekordsucht, sondern weil man Geld sparen wollte. Einen Rekord gab es z.B. als nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion man nicht das Geld hatte, eine Sojus zur Mir zu schicken um die Besatzung abzulösen. Es ist nicht vorgesehen die Aufenthaltsdauer auf der ISS langsam zu steigern und sich den drei Jahren zu nähern. In Diskussion sind seitens der Russen 1 Jahr, doch auch wieder um Geld zu sparen und wieder mehr Touristen zu befördern.  Es fehlt auch eine adäquate Umgebung. Stand der heutigen Erkenntnis, würden die Astronauten 3 Jahre nicht überstehen. Sie würden sich beim Wiedereintritt alle Knochen brechen und hätten zu wenig Muskeln um aufzustehen. Als bestes Mittel dagegen sieht man heute eine künstliche Schwerkraft an. Eine riesige Zentrifuge bräuchte man dazu. Doch so etwas war für die ISS nie geplant und ist nicht geplant. Selbst das Zentrifugenmodul, mit einer kleinen Zentrifuge für Versuche an Tieren und Pflanzen, hat man gestrichen. So werden die Erkenntnisse die man für einen Marsflug aus medizinischer Sicht gewinnen kann, gleich 0 sein.

Autarkie: Eine Marsexpedition muss drei Jahre ohne Versorgung auskommen. Das bedeutet man sollte das mal vorher erproben, vor allem Systeme die Ressourcen zurückgewinnen wie Wasser oder Sauerstoff. Von den schon an Bord der Mir gemachten Versuchen etwas anzupflanzen mal ganz zu schweigen. Die ISS ist hinsichtlich Aufbereitung von Luft und Wasser weiter entwickelt als die Mir. Sie gewinnt mehr Wasser zurück, doch bei den Gasen ist man noch nicht so viel weiter gekommen. Da ist noch einiges zu tun um z.b. aus Wasser und Kohlendioxid wieder Sauerstoff und Methan zu gewinnen. Das Methan kann man als Treibstoff nutzen. Das gilt aber auch für andere Dinge. So transportieren die Transporter jede Menge Ersatzteile und neue Hardware zur Station. Solange die Station so versorgt wird wie heute, wird das nichts. 2012 legten vier Progress-Transporter, zwei Dragon und je ein HTV, ATV an. Bei 2,5 t für jeden Progress, 5,5 t für das HTV, 7 t für das ATV und 1 t für die Dragon sind 24,5 t Versorgungsgüter pro Jahr. Das wären bei drei Jahren rund 72 t. um die zum Mars zu transportieren müsste man etwa 250 t in eine Erdumlaufbahn befördern. da einiges davon noch gelandet und für den Flug zur Erde weiteren Treibstoff braucht ist es in Wirklichkeit noch mehr. Die ISS kommt ja heute nicht mal einige Monate ohne einen Transport aus. So wird es nichts mit einer Marslandung.

Räumliche Beengtheit: Die ISS ist riesig und zwar nicht nur in den Ausmaßen, sondern auch im internen Volumen. Sie ist nicht so gebaut wie Skylab, das man tolle Kunststücke machen kann, aber die Besatzung hat mehr Raum als in jeder Raumstation vorher. Diesen Luxus wird man sich nicht bei einer Marsexpedition leisten können. Nach NASA-Angaben braucht eine Besatzung, damit ihre Arbeitskraft nicht leidet weitaus weniger als 20 m³ Volumen pro Person, das ist so wenig, das selbst die Saljuts geräumiger waren. Das deckt sich übrigens mit dem Raum den U-Bootbesatzungen im zweiten Weltkrieg zur Verfügung hatten. Beim Langstrecken U-Boot Typ IX gab es bei rund 1200 t Wasserverdrängung 48 bis 60 Mann Besatzung und von dem Raum ging jede Menge für Torpedos, Ballastwassertanks, Diesel und Batterien ab. Die waren auch 3 Monate auf See. So gesehen sind heutige Astronauten echte Warmduscher. Da die räumliche Enge aber auch psychische Probleme mit sich bringt sollte man unter den Bedingungen trainieren, die auch tatsächlich in einem Marsraumschiff vorherrschen. Auf der Erde gab es bei den simulierten Marsmissionen der ESA auf jeden Fall bei mehr Enge ziemliche Probleme zwischen den Besatzungsmitgliedern und auch der „Missionsleotung“.

Zusammenbau: Ein Argument war ja, dass man im Erdorbit größere Strukturen zusammenbauen kann. Wenn wir z.B. eine Wohnung auf dem Mars landen wollen, so wäre wünschenswert, dass diese möglichst groß und flach ist. so kann man sie wirkungsvoll von einem Hitzeschutzschild abbremsen. Da setzen heute Trägerraketen mit ihren Nutzlasthüllen Grenzen. Im Orbit zusammengebaut wäre es einfacher. Doch das wird bei der ISS nicht trainiert. Die einzigen Einsätze die es gibt, ist das Verbinden von Kabeln an der Außenseite nach Ankunft eines neuen Moduls und kleinere Reparaturen, aber keine Fertigung wie Zusammenschweißen oder das Zusammensetzen großer Module mit zahlreichen Verbindungen und Sperrigkeit oder ähnliches. Wenn man auf das verzichtet, so wird man die einzelnen Module wohl so koppeln wie heute schon ein ATV mit der ISS verbunden wird – automatisch. Dazu wird man keine ISS brauchen.

Kosten: Es gibt sogar einen Punkt der gegen die ISS spricht: sie kostet Geld. im Finanzjahr 2013 nach den Schätzungen der NASA 3007,6 Millionen Dollar und dazu 829,7 Millionen für Commercial Spaceflight der ja nur für die ISS benötigt wird. So sind wir bei 3,83 Milliarden Dollar. Diese Summe fehlt natürlich im Budget. Man könnte sicher nicht damit eine Marsexpedition finanzieren, aber sie beschleunigen. Für die Exploration Systems, so heißen bei der NASA SLS und MPCV (Orion) gibt sie mit 2,77 Milliarden Dollar weniger aus. Das bleibt auch in Zukunft so.

Konstruktion: Von der Konstruktion her gibt es kaum Gemeinsamkeiten zu einer Marsexpedition. Die ISS wurde in vielen Modulen im Erdorbit zusammengebaut und ist eine reine Raumstation. Für dei Marsexpedition wird man nur eine kleine Station haben um Gewicht zu sparen, vielleicht von der Größe eines Moduls. Die Herausforderungen liegen hier auf dem Habitat auf der Oberfläche, der Mobilität auf dem Mars, der Landung und des Rückstarts. Eine Orbitalstation ist so einfach, das die USA eine aus den Ersatzteilen des Apolloprogramms entwickelten (Skylab) und selbst die Chinesen haben schon eine eigene Raumstation.

Kurzum : Für eine Marsexpedition ist die ISS weder nützlich noch die Erfahrungen die man an Bord macht. Stattdessen verschiebt ihre Existenz eine Marsmission weiter in die Zukunft.

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