Bernd Leitenbergers Blog

SpaceX Hoffnungen und Realität

Die Kommentare zu meiner gewonnen Wette zeigen mir, das mal wieder ein Aufklärungsblock ansteht. Da gibt es ja die leise Hoffnung, das die Wiederverwendung der ersten Stufe der Falcon 9 oder gar Heavy in der Raumfahrt einiges verändern wird – ich wage zu behaupten es wird sich nicht vieles ändern. Es gibt ja einige technische Schwierigkeiten zu lösen. Aber nehmen wir mal an, die sind alle gelöst. Was kann man erhoffen.

Nun man könnte es sich einfach machen und auf die Aussagen von Musk verweisen: hier spricht er von 30% Nutzlasteinbuße (netterweise genauso derselbe Wert den ich Jahre vorher berechnet habe, tja man kann die Leute täuschen, aber nicht die Physik…)  und hier wird von Kosteneinsparungen von 25% bei einer wiederverwendbaren Stufe gesprochen. Damit hätte sich das Thema schon erledigt, aber ich will mal nicht so sein.

Nach SpaceX Angaben macht die erste Stufe 75% der Herstellungskosten aus. Herstellungskosten sind nicht Startkosten. Die sind meist um ein Drittel höher. Seien wir optimistisch und setzen bei SpaceX nur 20% an. Die Stufe kann man auch nicht unendlich oft wiederverwenden. Das Merlin 1D ist für die vierfache nominale Brennzeit qualifiziert. Da davon noch die Hot Fire Tests und mindestens ein Test in Gregor mit längerer Brennzeit abgehen kann man sie maximal dreimal einsetzen. Zudem wird das Bergen und überprüfen auch etwas kosten. Sagen wir mal (günstig geschätzte) 10% des Herstellungspreises. Das macht folgende Rechnung

Das sind 34% des Startpreises von 60 Millionen Dollar, wieder mal (welche ein Zufall) in der Nähe der Zahlen von Musk (bei einmaliger Wiederverwendung ist man z.B. bei den 20%). Also das ist kein Riesensprung. Bei der Falcon Heavy ist bisher von keiner Wiederverwendung die Rede, vielleicht sollte man auch erst mal Kunden für die Rakete finden, bisher gibt es eine Demomission von der Air Force (keine Nutzlast transportiert) und nur einen bezahlten Start eines unbekannten Intelsats. Bei dem wahrscheinlichen Flugprofil, bei dem die Zentralstufe im Schub reduziert wird, oder dem Cross-Feeding erfolgt die Trennung Zentralstufe/Oberstufe auch bei höherer Geschwindigkeit, sodass die Probleme größer werden und die Nutzlasteinbuße höher. Bei Bergung von nur zwei Boostern machen diese aber nicht mehr 75% der Herstellungskosten aus, sondern nur noch 60%. Nimmt man die Differenz der startpreise und nimmt an, dass diese auf die beiden Booster entfallen, so kann man rund 32 Millionen Dollar, das sind 25% des Startpreises einsparen.

So, nach der Ernüchterung dann noch die offene Frage ob die Startpreise von SpaceX groß was in der Raumfahrt ändern. Die Antwort: eher nicht. Nehmen wir SES-8. Dieser Start kostete 224 Millionen Dollar, davon entfallen 24 Millionen auf Versicherung, 200 auf Satellit, Start und Inbetriebnahme im Orbit. Zieht man den Falcon 9 Start mit „günstigen“ 55 Millionen Dollar ab, so bleiben noch 145 Millionen für den Satelliten. Und das ist die Regel. Satelliten sind meist 2-3 mal teuerer als die Trägerrakete und dies gilt nur für Kommunikationssatelliten. Anders als Forschungssatelliten werden diese in kleinen Serien hergestellt, Antrieb, Stromversorgung, Struktur und Thermalsystem sowie Kommandosystem sind identisch, nur die Kommunikationsnutzlast variiert. Forschungssatelliten, die individuell gefertigt werden und jeweils neu entwickelte Instrumente haben sind meistens erheblich teurer.

Das heißt aber auch: Wenn die Startkosten um 30% sinken, so sinken die Gesamtprojektkosten nur um 8,25%. (Wohlgemerkt bei gleicher Nutzlast, denn dei sinkt ja auch). Das ist nicht der riesige Unterschied. Vor allem wenn es eine Branche betrifft die durchschnittlich 75% des Umsatzes als Gewinn verbuchen kann: Global betragen die Einnahmen pro Transponder 1,62 Millionen Dollar, bei Kosten von knapp unter 1 Million Dollar. In Europa ist es am profitabelsten. Hier kostet ein Transponder 3,2 Millionen Dollar. Der SES-8 hat z.B. 24 Transponder und eine Lebenszeit von 15 Jahren, generiert also einen Umsatz von 583,2 Millionen wenn man die 1,62 Millionen pro Transponder nimmt. Bei Kosten von 224 Millionen pro Projekt beträgt also der Reingewinn knapp 360 Millionen Dollar, wenn es dann nur 340 Millionen sind, dann ist der Unterschied marginal. Dem steht aber ein erhöhtes Risiko entgegen, denn die Rakete ist ja schon mal geflogen. Und dann stehen 20 Millionen Einsparungen ein Verlust von 360 Millionen gegenüber.

Bei Forschungssatelliten die nicht versichert sind und noch teuer, zählt vor allem eines: die Zuverlässigkeit, denn ein Ausfall bei einem Fehlstart wird da noch teurer. So kaufte die NASA noch Delta 2 obwohl diese nicht mehr hergestellt wurden und zahlte für die Wiederaufnahme der Produktion und Anpassungen der startanlagen las die Taurus XL zwei NASA-Satelliten versenkte. Es ist schlussendlich immer noch billiger und die Delta hat eine makellose Bilanz mit mehr als 70 Flügen ohne Fehlstart in Folge.

Zuletzt noch ein historischer Blick: Träger sind seit es sie gibt immer billiger geworden. Hier mal als Beispiel die Atlas Cenatur:

Version Nutzlast GTO Startkosten Startkosten 2013 Kosten pro Kilogramm
Atlas SLV 3C Centaur 1..790 kg 14 Mill. $ (1970) 85,3 47.650 $
Atlas SLV-3D 1.860 kg 23 Mill. $ (1980) 68,9 37.040 $
Atlas I 2.255 kg 59 Mill. $ (1988) 117,4 52.060 $
Atlas II 2.810 kg 85 Mill. $ (1991) 141.4 50.320 $
Atlas IIA 2.900 kg 90 Mill. $ (1992) 149,8 51.650 $
Atlas IIAS 3719 kg 105 Mill. $ (1993) 169,9 45.680 $
Atlas III 4.037 kg 105 Mill. $ (2000) 143,2 35.470 $
Atlas V 551 8.900 kg 190 Mill $ (2011) 199,1 22.370 $

Die Startkosten blieben lange (mit Fluktuationen) bei 50.000 $ pro Kilo – kein Wunder wenn die Technologie weitgehend unverändert ist. Sie sanken mit der Einführung einer neuen Erststufe und einer Centaur mit nur einem Triebwerk und liegen heute pro Kilogramm weniger als halb so hoch – inflationskorigiert. So gesehen war das EELV Programm erfolgreich. Wie man am Chart sieht hängt das auch von der Startrate ab. Die Atlas war bei wenigen Starts teurer als bei vielen.

Da aber sowohl die kommerziellen Anbieter von Transpondern darauf achten dass drei Launch Service Providers mit konkurrenzfähigen Preisen verfügbar sind, wie auch die US-Regierung in jedem Nutzlastsegment zwei Träger haben will, wird man die Startpreise nicht durch mehr Starts und weniger Träger senken können.

eines bedeuten die maximal 30% weniger Kosten nicht – mehr Raumfahrt, denn solange die Nutzlast um ein vielfaches teurer ist und das ist eigentlich immer schon so gewesen, macht der Träger wenig ausß. Eine ausnahme gibt es nur bei den kleinen Nutzlasten wo der Träger deutlich teurer pro Kilogramm Nutzlast ist.

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