Zwei neue Chancen für die Raumfahrt
… entnehme ich diesen beiden Meldungen von Spaceflight Now. Die erste spricht von einer möglichen europäischen Beteiligung beim Dream Cheaser. Das zweite ist, das eine Verlängerung des ISS Betriebs bis 2024 vom weissen Haus genehmigt wurde. Das ist erst mal eine wichtige Vorentscheidung, das letzte Wort hat der Kongress, der ja auch die jährlichen Budgets genehmigen muss. Fangen wir mit der zweiten Meldung an. Das ist eine Chance für die NASA. Denn dann muss auch die Versorgung der ISS für weitere 4 Jahre gewährleistet werden. Da das europäische ATV in jedem Fall ab 2018 nicht mehr zur Verfügung steht (die derzeitigen 5 sind die Kompensation für den Betrieb bis 2017, sie wurden aber, weil die NASA eine Versorgungslücke hatte, recht schnell hintereinander gestartet) wird man pro Jahr rund 7 t mehr Fracht pro Jahr brauchen. Das bedeutet man braucht auch mehr Transporter oder leistungsfähigere. Wenn ich in entscheidender Position bei der NASA wäre, würde ich die Versorgung neu ausschreiben. es geht um nicht wenig. Dieses Jahr sind 6 Flüge seitens der NASA geplant, je drei von Orbital und drei von SpaceX, das sind rund 11 t Nutzlast, mit einem fehlenden ATV werden es dann 18 t sein. So redet man bei 4 weiteren Jahren über fast 70 t Fracht.
Genügend Volumen um das neu auszuschreiben. Die COTS/CRS Ausschreibung hatte ja primär die Aufgabe, zwei kleine Firmen zu fördern. Nun sollte es darum gehen, die Kosten zu minimieren. Damals gab es ja schon Vorschläge mit US-Trägern HTV oder ATV zu starten. Da die ESA das ATV nicht mehr bauen will, scheidet es eigentlich aus, also konzentrieren wir uns auf das HTV. Das kostet 153 Millionen Dollar in der Fertigung. Dazu braucht man noch eine Trägerrakete, eine Atlas V kostet je nach Größe zwischen 180 und 230 Millionen Dollar. Da es 16,5 t voll beladen wiegt, kann man durchaus 220 Millionen Dollar für eine Atlas 542 ansetzen. Dann braucht man bei 6 t Fracht pro Flug 7 Flüge um die 40 t die der CRS Kontrakt umfasst zu befördern. Die kosten dann 2238 Millionen Dollar. Derzeit bezahlt die NASA noch 3500 Millionen Dollar.
Von den beiden bisherigen Dienstleistern hat Orbital die besseren Chancen günstiger zu werden. Die Nutzlast der Cygnus wird ja schon von 2 auf 2,7 t gesteigert, vor allem mit einer leistungsfähigeren Oberstufe. Die recht kleine Oberstufe ist das Manko des Trägers. Für eine noch größere bräuchte die Antares mehr Schub – und der ist auch möglich. Derzeit prozessiert Orbital gegen Lockheed, weil die Firma exklusiv die RD-180 einsetzen darf. Die NK-33 laufen ja aus, es werden keine neuen mehr gebaut. Ein RD-180 hat aber einen Schub von 3827 kN am Boden während die beiden NK-33 dagegen zusammen 3456 kN. Damit kann die Rakete rund 30 t schwerer werden und man könnte anstatt dem Castor 30 einen Castor 120 einsetzen. Das würde die Nutzlast anheben, ohne größere Kosten zu verursachen. Eine zweite Möglichkeit ist das RD-191 als Einkammerderiviat, das Russland auch anstatt dem NK-33 in der Sojus 1 (2-1V) einsetzen will. Auch sein Schub ist mit 1920 kN erheblich höher.
SpaceX hat sich dagegen Mühe gegeben, das Versorgungssystem am Bedarf seines wichtigsten Kunden vorbei zu entwickeln. Die Kombination Falcon 9 „v1.0“ / Dragon hatte eine zu kleine Nutzlast weil die Trägerrakete auf etwa 7-8 t Nutzlast begrenzt war, was die Zuladung der Dragon auf 1 t begrenzte. Die Falcon 9 „v1,1“ / Dragon könnte zwar mehr Nutzlast transportieren, weitaus mehr als die vertraglich vereinbarten 1,7 t pro Flug, aber dummerweise passen in die Dragon nicht so viel hinein. Sie hat 11 m³ Innenvolumen. Die Cygnus kann mit dem Standardmodus (16,7 m³) nur 2 t transportieren und setzt für 2,7 t ein verlängertes Modul mit 24 m³ Volumen ein. Nur im Trunk der Dragon steht genügend Volumen zur Verfügung, nur hat die NASA da nicht den Bedarf an der Fracht, die SpaceX liefern könnte.
Ich sehe auch eine Chance für neue Anbieter. Warum bewirbt sich Bigelow nicht um den Vertrag? Gerade bei einem Versorger, der ja im Prinzip aus den Komponenten „Druckdichte Hülle + Servicemodul“ besteht, wäre es optimal Masse beim Druckmodul zu sparen. Man würde die aufblasbaren Module eben einfach schon beim Start mit Überdruck beaufschlagen. Für die Firma wäre es auch die Gelegenheit mit ihrer Technologie Einnahmen zu generieren und sie bei der NASA zu etablieren (obwohl die Technologie ja von der NASA entwickelt wurde).
Das zweite ist eine europäische Kooperation am Dream Chaser. Bekanntlicherweise hat Europa zusammen mit der NASA das CRV entwickeln wollen. Nun sieht man die Chance, sich mit den gleichen Technologien am Dream Chaser zu beteiligen. Das mag denen nicht gefallen, die entweder die Vorstellung haben, man müsste alles selbst entwickeln oder Europa bräuchte einen eigenen, autonomen Zugang zum Weltraum. Doch das erste ist ökonomischer Unsinn, das zweite gibt das europäische Raumfahrtbudget nicht her und ist wissenschaftlicher Unsinn. Leider verläuft ja oft die Diskussion nicht rational, so werfen SpaceX Fans ja auch Orbital vor, dass sie nichts neu entwickeln (die Cygnus besteht aus Bauteilen von Italien, Japan, Deutschland und einem Bus von Orbital). Aber so läuft das in der realen Welt der vernünftig denkenden Menschen. Wenn ein SpaceX Fan ein neues Auto haben will kauft er ja auch ein schon existierendes und baut kein eigenes….
Was meine Aufmerksamkeit fesselte war die Möglichkeit, Satelliten zu bergen. Ein Dream Chaser wiegt nur 9 t, wird er auf einer Ariane 5 ES gestartet, so hat diese Version eine Nutzlast von 13,3 t in einen 800 km hohen SSO. Das war noch eine Zahl als die Ariane 5 ECA 9,2 t in den GTO transportierte, da ist man inzwischen bei 10,35 t angekommen, in den SSO werden es also mit einer heutigen Version auch mehr sein, ich schätze mal 14,5 t. Damit könnte ein Dream Chase problemlos in einen 800 km hohen SSO transportiert werden, eigentlich in jeden erdnahen Orbit. Die EPS Oberstufe könnte dann auch das Deorbitieren durchführen oder man führt im Gleiter mehr Triebstoff mit. Für die rund 100 m/s mehr gegenüber dem ISS Orbit braucht man bei 15 t Masse rund 500 kg Treibstoff.
Mir fällt zwar keine konkrete Anwendung ein, wo man einen Satelliten bergen könnte, außer Envisat, doch der ist einfach zu groß, doch die Vorstellung ist nicht schlecht. Das versprach ja schon das Space Shuttle. Wahrscheinlich wäre es aber nicht wirtschaftlich, weil wir für eine Bergung zwei Starts haben (einmal Dream Chase und einmal der Satellit der erneut ins all muss) und die meisten Satelliten mit ihren ausladenden Solarzellen und Antennen nicht heil geborgen werden können, aber eine Anwendung sah ich nach einiger Zeit doch: IR-Observatorien. Diese setzen seit IRAS flüssiges Helium zur Kühlung ein, das verdampft. Mit mehr Helium, besserer Isolation und Meidung von Wärmequellen (Erde) konnte man die Betriebsdauer von 9 Monaten mittlerweile auf 2-4 Jahre erhöhen, aber das ist noch kurz gegenüber der Lebensdauer der Elektronik.
Also, warum platziert man das Observatorium nicht auf einer leicht zugänglichen Umlaufbahn (beim Start von Kourou z.B. in eine 7 Grad Umlaufbahn in 500 km Höhe mit einer Sojus) und wenn das Helium zu Ende ist, kommt ein Dream Chase birgt den Satelliten und bringt ihn zur Erde, man füllt Helium und Triebstoff auf, vielleicht ersetzt man auch den einen oder anderen Detektor oder ganze Instrumente und eine Sojus startet das ganze dann nochmal. Das letzte ESA IR-Observatorium Herschel kostete 1100 Millionen Euro, da wäre ein Ariane 5 Start und ein zweiter Sojus Start zusätzlich für eine doppelt so hohe Lebensdauer nicht zu hohe Kosten. Den erneuten Start könnte man sich sparen, wenn es eine Möglichkeit gäbe Helium im Orbit nachzufüllen oder dieses in einem auswechselbaren Tank stecken würde. Eine zweite Anwendung wäre das Reparieren von Satelliten, doch müssten diese dann darauf ausgelegt sein. Beim Envisat wo es sich wegen seiner kosten lohnen würde ist es z.B. nicht möglich, die Elektronik ist nicht einfach zugänglich.
Na ja und dann gäbe es mit dem leichtgewichtigen Deam Chaser ungewöhnliche bemannte Missionen durchführen. Er wiegt weniger, als eine Ariane 5 in einen GTO transportieren kann, eine Ariane 5 könnte ihn ohne Probleme in einen supersynchronen Orbit mit einer Umlaufsperiode von 24 Stunden transportieren (z.B. 200 x 71.500 km). Ein solcher lässt eine Landung alle 24 Stunden zu und es gäbe phantastische Bilder der Erde, und seien wir mal ehrlich, das ist doch der einzige Zweck der bemannten Raumfahrt in der heutigen Zeit.
Häh?! – Ich dachte, die Ariane 6 soll erst noch entwickelt werden.
Und wenn die ESA das ATV nicht mehr bauen will, dann wird in Zukunft nur noch der Progress Transporter die Manöver zum anheben der Umlaufbahn durchführen können, oder hab ich da was vergessen?
Ob sich der europäische Wunsch, beim Dream Chaser mit zu bauen, erfüllt, wage ich auch noch zu bezweifeln. Ich glaube eher, selbst wenn die Firmen und Organisationen sich einigen, dann werden irgendwann Politiker dazwischen funken, um die Sache zu kippen. Vermutlich amerikanische, die auf die „unabhängigkeit“ der amerikanischen Industrie und Technologie, bzw. des amerikanischen Know Hows abzielen werden. Wie weit sie sachlich damit richtig oder falsch liegen spielt ja meisst nur eine untergeordnete Rolle…
> dann werden irgendwann Politiker dazwischen funken, um die Sache zu kippen.
Sollen sie doch, das könnte für Europa nur gut sein. Damit würden sie nur Europa zwingen, es besser zu machen. Diese Blockadepolitik ist ja schon mal gründlich in die Hose gegangen, und das Ergebnis war die Ariane…
Denkbar wären für Europa dann drei Möglichkeiten:
– Ausstieg aus der bemannten Raumfahrt, was deutlich mehr wirkliche Forschung ermöglichen würde.
– Einen bemannten Transporter allein entwickeln. Deutlich teurer, daher eher unwarscheinlich.
– Sich einen anderen Partner suchen. Die Russen haben ja vor Jahren angeboten, gemeinsam Klipper zu entwickeln. Und China wäre sicher auch interessiert. Das würde den Amerikanern zeigen, daß sie mehr von ihren Partnern abhängig sind, als diese von ihnen.