Wir brauchen keine effizienten Technologien…
Vor kurzem hat die NASA die Entwicklung der Stirling Technologie für die Stromgewinnung aus Wärme eingestellt. Die offizielle Begründung ist recht einfach: für die geplanten Missionen reicht das Plutonium aus, auch weil man nun beschlossen hat die „Produktion“ neu aufzunehmen.
Dazu mal eine kleine Geschichte der RTG, also Radioisotopen Thermogeneratoren. Die ersten wurden Mitte der Sechziger Jahren eingesetzt. Nach dem Ende des Apolloprogrammes kam es nur noch zum Einsatz in Raumsonden (Die ALSEP Messstationen hatten auch RTG zur Stromversorgung). Das Grundprinzip ist seit den ersten Elementen unverändert geblieben: Kleine Pellets aus Plutoniu-238 werden von Thermoelementen umgeben, das sind zwei Metalle die durch die Erhitzung Strom abgeben. Der Wirkungsgrad ist ziemlich schlecht und liegt bei den heutigen RTG bei unter 6%. Dann werden die Pellets sowie größere Module und der RTG jeweils von verschiedenen Schutzschichten umhüllt die vor allem die Freisetzung bei einem Unfall verhindern sollen.
Billig waren RTG nie, das liegt daran dass das Isotop Np-237 nur in kleinen Mengen in Kernbrennstäben entsteht. Ein 1000 MW „verbraucht“ 25.000 kg an Brennstäben, die aber nur 10 kg Neptunium, dagegen 230 kg Plutonium. Man muss daher Brennstäbe aufarbeiten, das Neptunium abtrennen, dann die reinen Neptunium Stäbe erneut in einen Reaktor einführen der eine hohe Neutronenstrahlung hat. Durch den Einfang eines Neutrons entsteht dann Pu-238. Die USA haben jetzt beschlossen etwa 1-2 kg des Materials pro Jahr über 10 Jahre neu zu erzeugen. Das kostet jährlich einen zweistelligen Millionenbetrag.
1977 kosteten dei beiden RTG für die Voyagermission 17,736 Millionen Dollar, das sind gerechnet auf heute 68,20 Millionen Dollar für 27 kg Plutonium. Beim MSL, dem letzten Einsatz kostete ein RTG der das MSL antrieb dagegen 36 Millionen Dollar bei 3,5 kg Plutonium. Noch extremer wird das Verhältnis bei den Entwicklungskosten. Addiert man die dazu so liegen die Voyager RTG bei 23,6 Millionen Dollar, die MMRTG von Curiosity dagegen bei 171 Millionen Dollar. Zu dem Punkt unten mehr.
Das bedeutet das Material ist im Laufe der Zeit deutlich teurer geworden. die USA haben bis 1989 selbst Pu-238 produziert. Dieses wurde in den Galileo und Ulysses Raumsonden eingesetzt. Danach haben sie das Material von Russland bezogen, was relativ preiswert war (16 kg für 32 Millionen Dollar). Die entsprechenden Reaktoren in Savannah River, speziell für die Produktion von waffenfähigem Material gebaut wurden abgeschaltet. Noch teurer wird nun die Neuproduktion sein, die wahrscheinlich 10 Millionen Dollar pro Kilogramm kosten wird. Ein RTG mit der derzeitigen Technologie liefert pro Kilogramm Material nur etwa 35 Watt Leistung. Eine Raumsonde mit einer Leistung von 500 Watt braucht also Material in einem Wert von über 140 Millionen Dollar.
Daher fehlte es nicht an Ideen für eine andere Technologie. Das waren früher Alkalimetall RTG, bei denen Natrium verdampft. Dabei trennen sich zum Teil die Elektronen ab und können direkt zur Stromgewinnung genutzt werden. AMTEC hätten einen Wirkungsgrad von 16% gehabt und das wäre eventuell noch steigerbar gewesen. Danach hat man begonnen die Stirling Technologie zu entwickeln.
Der Stirlingmotor ist eine relativ alte Technologie und sehr robust. Er wird auch in unwirtlichen Gegenden eingesetzt um im Brennpunkt eines Parabolspiegels aus der Wärme Strom zu erzeugen. Seit einigen Jahren entwickelte man an dieser Technologie und aus den SRG (Stirling Radioisotope Generator) wurde schon der ASRG (Advanced SRG). Nun hat man es eingestellt. Seit 2008 hatte die NASA 272 Millionen Dollar für die ASRG Entwicklung ausgegeben, das einstellen spart nun weitere 170 Millionen, fertiggestellt war das Design eine Qualifikationseinheit ist teilweise fertiggestellt.
Aus der Logik der NASA ist die Einstellung logisch: Man hat nur eine Mission konkret geplant, die RTG in den nächsten 10 Jahren einsetzt, das ist ein Nachbau des MSL. Dieses braucht einen MMRTG der 3,5 kg Plutonium braucht. Die Reserven (so genau Weiß man es nicht, eventuell weil man auch Plutonium mit Pu238 gleichsetzt (es sind immer kleine Mengen der anderen Isotope enthalten)) sollen je nach Quelle zwischen 13 und 16 kg liegen, also genug für 4 MMRTG. Zwar diskutiert man schon seit längerem über Missionen zu Europa oder Titan, auch weitere Marslander und Kometensonden könnten nukleare Energiequellen brauchen, doch genehmigt ist keine und nun läuft ja wieder die Produktion an die dann die Reserven auffüllt. Was man dabei aber gerne vergisst: Mit den ASRG hätte man eine Technologie gehabt die nur 25% des Materials benötigt. Das hätte die Kosten gesenkt. Geplant ist eine Wiederaufnahme von 1,5 kg pro Jahr. Das kostet anfangs 30 Millionen Dollar. Wahrscheinlich wird es wenn die Produktion mal läuft billiger werden, aber setzen wir mal 10 Millionen Dollar pro Kilogramm an, so bedeutet der einsatz der ASRG, dass die derzeitigen Vorräte von 16 kg nicht 160 Millionen Dollar wert sind, sondern weil man viermal länger damit auskommt 640 Millionen Dollar. Man spart also 480 Millionen Dollar ein wenn man ARSGB einsetzt, aber nur 170 Millionen wenn man die Entwicklung einsetzt. Das ist natürlich nur ein grobe Hausnummer nicht nur wegen der Kosten, sondern weil das derzeitige Plutonium schon 20 Jahre alt ist und so seine Wärmeproduktion durch den natürlichen Zerfall um 17% gesunken.
Man kann die Sache auch anders sehen: Wenn RTG durch weniger Plutonium billiger werden, ermöglicht das vielleicht eher Missionen die sie einsetzen. Bei den heutigen Preisen kostet das Plutonium für eine Mission wie die Cassini rund 900 Watt braucht alle 250 Millionen Dollar, dafür könnte man schon fast eine kleinere Mission bauen. ASRG würden die kosten auf 60 Millionen senken. Das sind selbst bei einer 1 Milliarde Dollar Sonde schon 20% der Gesamtkosten. Dabei ist dies nicht das einzige. Genauso steht die Entwicklung von Solarkonzentratoren, die man nicht nur für die Erzeugung von viel Leistung braucht, sondern auch eine Alternative für Missionen bis zum Jupiter zu Plutonium sein können.
Meine Meinung zu den RTG ist ja bekannt – derart viel Radioaktivität gehört nicht auf die Spitze einer Rakete! Wenn man es doch tut, dann gebietet die Ethik, so wenig Plutonium einzusetzen, wie unbedingt nötig, und folglich ist der Bau des ASRG eigentlich unvermeidbar.
Jetzt reden wir aber nicht aus Sicht der 7 Mrd. Menschen, die die Risiken eines Wiedereintritts-Unfalls tragen, sondern aus der Sicht eines Missionsplaners. Für den ist der ASRG nämlich ein Alptraum, weil er seine Mission gefährdet. Herkömmliche RTGs sind sehr zuverlässig und sehr gut erprobt. Das ASRG ist nicht erprobt.
Ein ASRG enthält zudem bewegliche Teile, und da stellt sich die Frage, wie lange die unter Weltraumbedingungen halten. Wir alle kennen die Probleme, die Hubble, Keppler und der amerikanische Teil der ISS mit Gyroskopen haben. Die NASA kriegt das einfach nicht hin. Und dabei sind Gyroskope noch „einfach“, weil hier ein exakt ausgewuchteter Körper eine exakte Kreisbahn vollführt. Ein Stirling-Motor hat hingegen nicht nur ein Schwungrad, sondern auch noch einen Kolben, einen Verdränger, zwei Pleuelstangen und je nach Ausführung noch ein paar Teile mehr. Und es reicht, dass sich eines der Lager festfrisst oder ausschlägt, damit der ganze Motor ausfällt.
Hinzu kommen die Auswirkungen der beim Motorlauf unvermeidlichen Vibrationen auf die Mission selber. Im Zweifelsfall hat man ja eine Kamera dabei, und die muss man ausreichend lange ausreichend genau auf das Zielobjekt richten. Wie soll das gelingen, wenn der ganze Satellit vibriert? Aus der Welt der Consumer-Elektronik fällt einem vielleicht der „aktive Bildstabilisator“ ein, der sicher geeignet wäre, aber das ist dann das nächste bewegliche Teil, dessen Ausfall einen erheblichen Teil der Mission gefährden würde!
Zudem bringt der ASRG keinen Kostenvorteil. Bezüglich Pu-238 muss die NASA nämlich vor allem eine ja-nein-Entscheidung treffen: „Ja, wir stellen das her“, oder: „Nein, wir tun das nicht“. Falls nein, ist mit den Vorräten recht bald Schluss – ich meine, gelesen zu haben, der MMRTG von Curiosity sei der letzte, für den man noch Vorräte habe. Wenn „Ja“, dann ist es von den Kosten wahrscheinlich nicht so relevant, ob man 1/10, 1 oder 10 kg pro Jahr herstellt, denn entscheidend für die Kostenfrage ist, dass man ein Team aufbauen muss, das die radiologischen Fragen alle beherrscht, dann an einer WAA die Neptunium-Abspaltung installieren oder zumindest wieder in Betrieb nehmen muss. Allenfalls beim letzten Schritt, der Bestrahlung und Aufarbeitung der entstandenen Neptunium-„Brennstäbe“, hat man evtl. geringe Spareffekte, wenn man weniger Pu-238 herstellt.
Persönlich wäre ich zudem nicht überrascht, wenn die Motivation, wieder Pu-238 herzustellen, auch eine militärische ist. Denn man „lernt“ beim Umgang mit dem Zeug doch einiges über das Verhalten von „heißem“ Plutonium. Das schadet bestimmt nicht beim Bau von Kernwaffen.
Kai
Wie ich bereits schrieb ist die Produktion militärisch verknüpft. Die früher genutzte Anlage in Savanna River wurde für die Gewinnung von Pu-239 gebaut.
Beim Vergleich Gyroskope und RTG vergisst Du eines. Die Gyroskope rotieen nicht dauernd. Sie sollen ja Hubble drehen. Sie müssen regelmäßig entsättigt werden und das begrenzt die Lebensdauer.
Natürlich enthält ein ASRG bewegliche Teile, doch die stecken hinter der Abschirmung des Plutoniums, das ist genauso abgeschirmt wie bei den GPHS. Die Entwicklung ist ja deswegen so langwierig und teuer weil man ein versagen ausschließen will.
Wie viel Plutonium man hat darüber kursieren verschiedene Zahlen, die kleinste die ich fand waren 11 kg was für 3 MMRTG reichen würde. Es gibt aber nur eine geplante Mission bis 2020.