Bernd Leitenbergers Blog

Theorien und Okrams Messer

Ich hatte es ja schon mal angesprochen: ein Hinweis ob eine Theorie gut ist, ist zumindest in der Wissenschaft Okrams Messer. Das bedeutet: eine Theorie welche Beobachtungsbefunde oder Fakten erklären kann ist wenn es mehrere Erklärungsmöglichkeiten gibt die bessere, wenn sie weniger Annahmen als andere macht. Okrams Messer ist eine Regel, nicht ein Muss, sie basiert auf der Annahme die sich auch bei vielen Beobachtungen manifestiert hat, dass in der Natur die Naturgesetze oftmals relativ simpel sind, zumindest wenn man sich auch andere Gesetze vorstellen könnte bei denen man dann aber wesentlich mehr Hilfskonstrukte machen muss.

Wichtig ist eines: die zu vergleichenden Theorien müssen dasselbe erklären. Da sich Wissenschaft weiter entwickelt kann man so schlecht eine Theorie die im 17 Jahrhundert formuliert wurde mit einer neuen Erklärung vergleichen. Je weiter man in der Wissenschaft ist, desto mehr Annahmen muss man in der Regel machen um immer komplizierte Phänomene zu erklären, selbst wenn der Grundgedanke nicht verändert wird. Man muss nur die Evolutionstheorie von Darwin mit der heutigen vergleichen, die auch Sprünge in der Entwicklung oder lebende Fossilien erklären will.

Wichtig ist auch eines ist das eine Theorie in jedem Falle immer ein Modell ist, wie wir denken das etwas funktioniert. Manche Modelle sind sehr präzise. Manche nicht. Ein Beispiel für das erste dürfte das Gravitationsgesetz sein. Wir können damit Raumsonden präzise zu Planeten schicken und durch ihre beeinflussten Bahnen Rückschlüsse über das innere ziehen (oder dies auf der Erde mit Satelliten wie Champ oder GOCE machen) auf der anderen Seite liegen wohl Theorien über das menschliche Verhalten oder der Wirtschaft.

Ich will als Beispiel mal die kosmologischen Modelle bringen und da gibt es auch ein Beispiel für Okrams Messer.

Die erste Vorstellung die man hatte war die das der Sternenhimmel eine Sphäre um die Erde ist, unbeweglich und wie in einer Hohlkugel sind die Sterne fest angebracht, alle im gleichen Abstand von der Erde. Das zeigt gleich eines: eine Theorie die etwas gut erklärt muss nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben. Denn dieses Modell ist zu 99+% richtig, wenn man es mit den Beobachtungen die man machen konnte vergleicht. Es erklärt warum sich alle Sterne nicht bewegen und wenn man annimmt das die Sphäre rotiert, dann erklärt es auch die Bewegung des ganzen Sternenhimmels. Von den vielen Tausend Sternen, die man mit bloßem Auge erkennen kann spielten nur 5 nicht mit und bewegten sich relativ zu den anderen Sternen, weshalb man diese als Wandelsterne bezeichnet.

Die Griechen nahmen sich des Problems an und kamen zum geozentrischen Weltbild. In dem ist die Erde eine Kugel in der Mitte des Universums. Außen steht die Sphäre der Fixsterne und dazwischen, relativ näher an der Erde, als an der sehr weit entfernten Fixsternsphäre, umkreisen die Planeten auf Kreisbahnen die Erde. Das verbesserte die Erklärung, die Bewegung der Planeten folgte in der Tat grob den Kreisbewegungen – immerhin eine Verbesserung gegenüber sich nicht bewegenden Planeten. Doch sie folgten nicht ganz der berechneten Bahn. Es gab Abweichungen.

Also verfeinerte man das Modell. Überlagert der kreisförmigen Bewegung um die Erde sollte eine zweite kreisförmige Bewegung (mit kleinerem Radius) um den Kreis um die Erde erfolgen. Das erklärt nun fast alles, bis auf den Mars, der immer noch sich etwas falsch bewegte. Also führte man einen weitere Kreisbewegung rund um den zweiten Kreis, nun mit noch kleineren Radius ein – die Epizykeltheorie war geboren. Wie wir heute wissen ist die Theorie falsch, aber sie erklärt alle Bahnen der Planeten und auch des Mondes. Kolumbus war es möglich aufgrund der Berechnungen eine Mondfinsternis vorauszusagen und so eine Rebellion der Indianer zu beenden, indem er seine göttliche Herkunft durch dieses Wissen beweis. Aber sie hat doch viel mehr Annahmen als die heliozentrische Theorie, die besagt, dass die Sonne im Zentrum steht und alle Planeten in Ellipsen sie umkreisen. Das merkt jeder der anfängt die Positionen nach der Epizykeltheorie zu berechnen.

Newton formulierte dann das Gravitationsgesetz, das die Kräfte erklärte die wirkten und die Bahnen von unbekannten Körpern wie Kometen erst berechenbar machte. Das war der Stand Anfang des 17-ten Jahrhunderts. Das so alte Theorien nicht veraltet sein müssen, zeigt jeder Satellitenstart: Mit Newtons Theorie kann man die Bahnen berechnen, nicht nur um die Erde, sondern im ganzen Sonnensystem und darüber hinaus. NASA un ESA brauchen bis auf eine Ausnahme keine Relativitätstheorie.

Erst im 19-ten Jahrhundert hatte man so leistungsfähige Teleskope, dass man auch die Entfernung der Sterne messen konnte. Damit war klar, dass diese unterschiedlich weit entfernt waren. Man nahm aber noch an, das das Universum aus unsere Galaxie und den Sternen und zahlreichen Nebelns besteht, in einigen von ihnen das wusste man schon entstehen neue Sterne.

In den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts gelang es in der Andromeda Galaxie bei Fotoagrafien einzelne Sterne abzubilden, womit klar war, dass die meisten dieser kleinen Nebel Galaxien wie unsere waren, nur eben weit entfernt. Das Universum wurde um einen Schlag enorm größer, aber es war noch immer statisch, also seine Größe änderte sich nicht. Edwin Hubble entdeckte dann bei der Spektroskopie von Galaxien, das ihr Licht rotverschoben ist. Das beruhte auf dem Dopplereffekt, den man schon seit einem halben Jahrhundert kannte.- Bewegt seich ein Objekt so verschiebt sich das abgestrahlte Licht. Kommt es auf uns zu, so wird es blauverschoben und entfernt es sich von uns, so wird es rotverschoben. Damit war klar, dass das Universum selbst sich ausdehnt, denn das alle Galaxien von uns wegfliegen, glaubte schon damals keiner, aber der Raum wischen ihnen dehnt sich aus, wodurch sie sich relativ zu uns bewegen.

Das führte zur Urknalltheorie. Das ist in den Grundzügen die heutige Basis. Es ist nicht die komplette Erklärung alles. Die Urknalltheorie kann nicht erklären, warum unser Universum so „klumpig“ ist. Also es so viel Materie in Galaxien gibt und diese auch nicht gleichmäßig verteilt sind sondern sich an den Rändern von Blasen oder in Ketten anordnen. Das versuchen andere Theorien wie die des inflationären Universums (Ungleichmäßigkeiten in der Frühzeit des Universums wurde durch eine Periode der raschen Expansion „eingefroren“) oder die Stringtheorie zu erklären. Vielleicht klärt uns Fenja mal darüber auf. Ebenso gibt es noch keine Erklärung für die dunkle Materie. Darunter versteht man folgendes. Berechnet man die Anziehung zwischen Galaxien aber auch der Sterne innerhalb unsere Galaxien und vergleicht die Bewegung bzw. bestimmt man die beobachtbare Masse und vergleicht die Expansion dessen mit dem Modell so findet man dass zu wenig Materie da ist um die Bewegung zu erklären. Die meiste Materie muss in einer form stecken, die wir nicht beobachten können und die daher als dunkle Materie bezeichnet wird.

Das es noch nicht „die“ Theorie und „die“ allumfassende Erklärung für die Kosmologie gibt, liegt vielleicht an unserem Erkenntnisstand, aber eben auch daran, dass wir versuchen ein Modell zu machen. Das Modell kann passen oder eben nicht überall passen, dann versuchen wir andere Erklärungsmöglichkeiten und so gibt es einige kosmologische Theorien die das Urknallmodell erweitern um zu erklären warum die Welt heute so ist wie wir sie beobachten. Keine kann aber alles erklären.

Es gibt daher nicht „die“ richtige Theorie. Jedes Modell hat seine Einschränkungen. So könnte man auf die Idee kommen, das Hohlerdemodell und das Modell der normalen Erde wären gleichwertig. Wenn man sich nur auf Phänomene, die wir von der Erdoberfläche aus betrachten können, beschränken stimmt das durch Vermessen der Erde könnte man nicht zwischen beiden Modellen unterscheiden. Doch wenn wir den Sprung ins All machen, so ist in dem Hohlerdemoell nun das ganze Universum im inneren einer 12000 km großen Kugel und nun versagt das Modell vollständig, bzw. um nur die newtonischen Gravitationsgesetze zu erklären, muss man zusätzliche Annahmen machen wie das die Länge innerhalb der Hohlerde unterschiedlich ist. Ein Meter nahe des Erdmittelpunktes ist kürzer als ein Meter an der Erdoberfläche. Und hier greift Okrams Messer – die Vollerde braucht keine zusätzlichen Annahmen um die Gravitation zu erklären und ist die bessere Theorie.

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