Eine Europamission für unter 1 Milliarde Dollar?
Ein Geständnis von Boulden bei der Vorstellung des NASA-Budgets ist das er gerne eine Mission zu Europa für unter 1 Milliarde Dollar haben möchte. Ist das möglich? Und warum kostet sie so viel?
Betrachten wir zuerst einmal die bisherigen Missionen zu Jupiter und ihre Kosten. Als Kosten habe ich die bis zum Ende der Primärmission angesetzt, da man die Inflation umrechnen muss, bezogen auf das Startjahr. Das ist immer noch ungenau, da ja eine Raumsonde erst in der Zukunft fliegen wird und der Dollarkurs dann noch niedriger ist.
Mission | Kosten | Start | Kosten 2013 |
---|---|---|---|
Pioneer 10+11 | 200 | 1972/73 | 1054 |
Voyager 1+2 | 500 | 1977 | 1930 |
Galileo | 1390 | 1989 | 2072 |
Juno | 1100 | 2011 | 1144 |
Es sind sehr verschiedene Sonden mit unterschiedlichen Entstehungsgeschichten. Pioneer 10+11 und Voyager 1+2 waren Vorbeiflugsonden, unterscheiden sich in der technischen Komplexität aber enorm. Voyager war dreiachsenstabilisiert, hatte Kameras und Fernerkundungsinstrumente und schlug Pioneer in allen Belangen hinsichtlich Intelligenz, Datenübertragungsrate oder Fähigkeiten.
Galileo wurde so teuer weil das Projekt einmal fast eingestellt wurde, dann drei Jahre am Boden blieb, weil die Space Shuttles Startverbot hatten und dann mit einer neuen Stufe sieben Jahre zum Jupiter brauchte anstatt zweieinhalb Jahre, was die Missionskosten hochtreibt. Ohne dieses wäre die Mission um ein Drittel billiger gewesen. Technisch war er noch komplexer als Voyager, so hatte er einen spinnstabilisierten und dreiachsenstabilisierten Teil.
Juno ist dagegen wieder ein Orbiter im Sinne der Pioniers. Er ist einfacher aufgebaut, nur spinstabilisiert und auf Teilchen und Feldforschung spezialisiert. Obwohl sie inflationskorrigiert die preiswerteste ist liegt sie doch immer noch über 1 Milliarde Dollar.
Das zeigt schon: wir müssen die Europamissionen genauer betrachten. Da gab es einige Konzepte, die ich mal skizzieren will:
Ein Jupiterorbiter, der viele Vorbeiflüge an Europa durchführt. Das ist eine Mission im Stile Galileo. Der Orbiter verbleibt im Jupitersystem. Seine Umlaufbahn führt ihn nur mehrfach an Europa heran. Sein Vorteil ist, dass der Strahlungsgürtel um Europa schon sehr stark ist und die Sonde so nur kurz diese Zone hoher Belastung durchquert. Beim Vorbeiflug gewinnt man Daten mit hoher Datenrate und sendet diese später zur Erde. Doch wird man so nicht den Mond systematisch erforschen. Es wird ein kleiner Ausschnitt der Oberfläche erfasst, aber nicht die ganze und die Distanz und die Beobachtungsposition sind stark wechselnd. Europa Clipper ist so eine von der NASA vorgeschlagene Mission. Sie würde 45 Vorbeiflüge an Europa durchführen und 2,1 Milliarden Dollar kosten.
Die zweite Möglichkeit ist, das man in einen Orbit um Europa einzuschwenken. Im Prinzip kann dies die zweite Phase der obigen Vorbeiflugmission sein, denn vorher muss der erste Orbit um Jupiter verkleinert werden um den Geschwindigkeitsbedarf zu reduzieren. Im Prinzip könnte man mit vielen Europa Vorbeiflügen den Orbit soweit verringert werden, dass man sich schließlich von Europa einfangen lassen kann. Nur dauert das so lange und man ist am Schluss fast dauernd in der Nähe von Europa, bekommt also die volle Strahlungsbelastung ab ohne den Mond zu umkreisen. Daher haben alle Konzepte die einen Orbiter planen relativ große Treibstoffvorräte. Das macht sie teuer, denn das muss man alles zum Jupiter zu transportieren. Trotzdem ist bei einem Daueraufenthalt bei Europa die Missionsdauer wegen der Strahlenbelastung kurz (3-6 Monate)
Noch weiter gehen Konzepte die eine Landung auf Europa voraussetzen. Dann muss entweder die Landung bei einem Vorbeiflug erfolgen oder aus einem Orbit. Energetisch zu bevorzugen wäre ersteres. Da man ein Datenrelay brauchen wird wäre ein Orbiter günstiger, der sich näher an der Landesonde befindet. Auf der Oberfläche selbst gibt es wenig zu tun. Daher wird oft vorgeschlagen sich durch das Eis zu schmelzen und dann den Ozean zu erkunden. Neben des hohen Anspruchs, gibt es viele Fragen bei der Mission. Wie dick z.b. die Eisschicht ist, ob man sich so einfach „durchschmelzen“ kann und natürlich würde ein solches U-Boot komplett anders aufgebaut sein, als bisherige Raumsonden.
Meiner Ansicht nach scheidet eine Europa Lander komplett bei einem Budget von 1 Milliarde aus. Wie sieht es bei den anderen Konzepten aus? Der Orbiter unterscheidet sich nicht so sehr von der Vorbeiflugsonde. Er benötigt nur mehr Treibstoff, beim NASA Jupiter-Europa Orbiter waren zwei Drittel der Sonde aus Treibstoff. Das macht sie vor allem schwerer, schlägt sich also auf die Startrakete druch oder wenn man diese Masse nicht zu Jupiter bekommt auf die Missinsdauer.
Kommen wir dazu warum eine solche Sonde teuer wird. Es ist erst mal nicht die Startrakete. Die NASA setzt die Atlas V ein. Bei diesem Modell gibt es keine großen Preisunterschiede zwischen der kleinsten und stärksten Version. Ein einzelner Booster kostet nur 11 Millionen Dollar. 5 Stück dafür bei der größten Version mehr sind das dann vielleicht 60 Millionen Dollar Mehrkosten. Und bevor jemand den Vorschlag macht: Eine Falcon Heavy transportiert auch nicht mehr Nutzlast weil sie nur zwei Stufen hat für einen sehr hohen Geschwindigkeitsbedarf. Zudem glaube ich kaum wird die NASA ein 1 Milliarden Dollar Sonde diesem Träger anvertrauen, zumindest nicht in den nächsten Jahren.
Was die Mission teuer macht, ist ihre Dauer. Bei normalen Planetensonden die aktiv sind gibt die NASA zwischen 30 und 60 Millionen Dollar pro Jahr aus, haben sie reduzierten betrieb (z.B. Odyssey) so sind es immer noch um die 15 Millionen Dollar. Teuer ist vor allem die Nutzung der 64 m Antennen des DSN. Cassini das ausschließlich diese Antennen nutzt kostet daher die NASA 60 Millionen Dollar pro Jahr. Das dürfte auch bei einer Jupitermission gegeben sein. Vor allem aber wird sie lange dauern. Einen Orbiter zur Jupiter kann heute keine Trägerrakete direkt starten, außer er ist sehr klein. egal ob man einen solarelektrischen Antrieb oder mehrere Gravity Assists vorsieht, man braucht einige Jahre um zu Jupiter zu kommen. Eventuell kann man mit „Schlafperioden“ in denen die Sonde weitgehend abgeschaltet ist (wie z.B. Rosetta während der letzten fast drei Jahre) Geld sparen.
Bisher waren auch die Sonden relativ teuer. Sie setzen RTG ein, die teurer sind als Solarzellen. Trotzdem ist die ganze Raumsonde mehr auf niedrigen Energieverbrauch getrimmt. als eine normale Raumsonde. Man entwickelte zudem besonders strahlungstolerante Elektronik. Juno war die erste Raumsonde die hier neue Standards setzte. Sie verwendet Solarzellen zur Energieversorgung und keine besondere Elektronik, sondern „normale“ weltraumqualifizierte Systeme, die in einer Box mit dicken Metallwänden steckt. Das Konzept halte ich für ausbaubar. Es machte eben die Sonde 200 kg schwerer. Bei Juno wurden normale Solarpaneele eingesetzt, weil sie rotiert. Würde sie gleichgewichtige Flexarrays einsetzen, so wären sie nicht schwerer als RTG, nur die Leistungsabnahme ist höher.
Trotzdem sehe ich schwarz für eine Raumsonde die 1 Milliarde Dollar kostet. einfach deswegen weil schon eine „cost capped“ Mission mit nicht so großem Anspruch wie Maven bei 670 Millionen Dollar liegt. Ihre Missionskosten liegen bei nur 45 Millionen, verglichen mit 180 Millionen Dollar beim letzten Mars Orbiter. Ein Europa Obiter wäre technisch und instrumentell anspruchsvoller als Maven, die Mission würde länger dauern (Maven: 3 Jahre) und benötigt die 64 m Antennen. So käme man mit 1 Milliarde höchstens aus wenn es eine sehr einfache Sonde wäre, wie z.B. Juno.
Unter 1 Million wird man nur blieben wenn man Synergien nutzt. So hat die ESA als das gemeinsame Projekt mit der NASA scheiterte ihren eigenen Jupiter Orbiter JUICE wird 1 Milliarde Euro, also fast 1,4 Milliarden Dollar kosten. Wenn man die Sonde nachbaut, neue Instrumente nimmt dann könnte man unter 1 Milliarde Dollar kommen. Dann könnte man auch eine Kopie zu Titan schicken. Allerdings bräuchte die dann RTG (JUICE setzt auch Solarzellen ein). Eine zweite Möglichkeit wäre der Start ebi einem ares V Erprobungsstart. Das ist zwar teurer als die Atls V, doch da die NASA nicht auf das Gesamtbudget schaut und der start dann vom bemannten Budget finanziert wird bleibt der Posten „Planetary Science“ unter 1 Milliarde. Die Ares V könnte die sonde dirket zum Jupiter bringen, das spart zudem noch Missionskosten.
Da bisher die Sonden in sich verdoppelnden Zeitabständen starteten (5 Jahre zwischen Pioneer 10+Voyager, 12 zwischen Voyager und Galileo und 22 zwischen Galileo und Juno, würde man den geplanten Starttermin von Galileo (1986) nehmen würde es noch besser passen) ist allerdings vor 2055 nicht mit einer weiteren Mission zu rechnen.
Was gibt es sonst noch: besonders schnell scheint man in Russland Sonden zu entwickeln. Gerade Mal ist ein „paper“ mit einem Vorschlag für Raumsonden zum Mond vorgeleget worden, da spricht man schon von einem Start 2016, also in weniger als drei Jahren!
Tatsächlich stehen im vollständigen Budget Request übrigens nur 15 Millionen Dollar im FY 2015 und gar nichts in den Out-Years – alles nur ein Manöver, um Europa-Fans im Kongress ruhig zu stellen und eine neue Studie zu initiieren, die dann zeigt, dass es eh zu teuer wäre …?
> Was gibt es sonst noch: besonders schnell scheint man in Russland Sonden zu entwickeln.
Sehr glaubhaft, wo doch seit über 20 Jahren kaum mal ein Projekt fertig wird. Wegen Geldmangel gibt es überall Verzögerungen, die die Projektkosten in die Höhe treiben. Mit anderen Worten: den Geldmangel gibt es nicht zuletzt dadurch, daß nichts fertig wird. Da ist es eine totale Schnapsidee, immer weitere Projekte anzufangen. Wenn man kein Geld hat, muß man weniger ausgeben, nicht mehr.
Wieso macht eine zusätzliche Sonde das DSN teurer? Benötigt man etwa zusätzliche Antennen? Wenn nicht, würden die bisherigen Empfänger doch einfach besser genutzt werden.