Ich habe vor einiger Zeit schon einmal einen Gastbeitrag zum Thema Raketentanks geschrieben. Dabei ging es um die Optimierung der gebräuchlichen zylindrischen und kugelförmigen Bauweisen. Optimierung heißt in diesem Fall, für ein Oxidator- und Brennstoffvolumen die ideale Tankbauweise, charakterisiert durch den Durchmesser, zu finden. Dabei bleibt aber unbeachtet, dass man die Tanks auch ganz anders bauen kann. Zunächst einmal eine kurze Vorstellung der Tanktypen:
Getrennte Tanks:
Oxidator und Brennstoff sind in zwei getrennten, zylindrischen Tanks mit halbkugelförmigen Verschlüssen untergebracht. Verbunden werden sie durch eine Zwischenstruktur. Diese Bauweise von der Tankmasse her suboptimal, da es ein gegenüber den gemeinsamen Tanks einen zusätzlichen Boden und eine nicht unter Druck stehende Verbindungsstruktur gibt, wodurch sie massiver gebaut werden muss.
Gemeinsame Tanks:
Oxidator und Brennstoff sind in einem Tank untergebracht und werden durch einen Zwischenboden getrennt. Die Tankmasse (oder besser die Oberfläche) ist gegenüber den getrennten Tanks geringer, dafür kann der Zwischenboden eine große Herausforderung darstellen, wenn große Temperaturunterschiede zwischen Oxidator und Treibstoff auftreten.
Kugelförmige Tanks
Oxidator und Brennstoff sind in zwei getrennten, kugelförmigen Tanks untergebracht. Dazwischen befindet sich eine Verbindungsstruktur. Kugeltanks bieten einige Vorteile. Die Kugel ist der geometrische Körper mit der kleinsten Oberfläche im Verhältnis zum Volumen. Außerdem wirken ist die Kugel durch den Innendruck überall gleich belastet, was die Bauweise für druckgeförderte Raketenstufen interessant macht. Nicht zufällig ist die EPS Oberstufe der Ariane 5 mit solchen Tanks ausgestattet, auch wenn sie anders als hier angenommen angeordnet sind. Den Vorteil der geringen Oberfläche kann man leider nicht so recht ausnutzen, denn es ist eine große Zwischenstruktur notwendig (bei gleichem Treibstoffvolumen sogar noch größer als bei den zylindrischen getrennten Tanks!).
Abschließend ein Vergleich der Oberflächeninhalte der drei Tanksorten, der Tankabstand für Fall 1 und 3 ist jeweils 0, die Böden berühren sich also. Die Flächenmasse sei stets gleich, auch wenn meine Berechnungstabellen hier Variationen zulassen (für die Tabellen siehe Ende des ersten Tankaufsatzes)
Konstanten:
Treibstoffe O2 und H2 mit den Dichten 1,14cm3 und 0,069cm3 bei einem Mischungsverhältnis (Masse) von 6:1.
Oxidatorvolumen: 21,05m3
Treibstoffvolumen: 57,97m3
Ergebnisse:
Ich gebe nur die Oberfläche für die optimale Tankform an.
Tankform | Getrennte Tanks | Gemeinsame Tanks | Kugelförmige Tanks | Kugelförmige Tanks mit Zwischenstruktur |
Oberfläche in m2 | 120,87 | 152,28 | 109,31 | 174,20 |
Kugelförmige Tanks ohne Zwischenstruktur sind wenig realistisch, es müssen zumindest Verbindungsstreben vorhanden sein. Die getrennten Tanks schneiden am besten ab. Bei einer Flächenmasse von 13kg/m3 ergibt sich eine Tankmasse von 1571,28kg, wozu noch Triebwerk, Adapter und Elektronik kämen.
Eine Anmerkung: Ich habe alle Berechnungstabellen am Ende angehängt. Für die beiden beschriebenen Arten von Seifenblasentanks muss man bei der Eingabe etwas aufpassen, da ich sie nicht so auf Benutzerfreundlichkeit ausgelegt habe, wer selber rechnen will, kann ja noch einmal nachfragen.
Seifenblasentanks:
Die Idee zur weiteren Optimierung kam mir durch Seifenblasen. Sie nehmen stets die Form an, bei der sie die kleinst mögliche Oberfläche erreichen. Verbinden sich zwei von ihnen, so sieht das so aus:
Es ergeben sich zwei Kugeln abzüglich zweier Kugelkappen mit einer kreisförmigen Berührungsfläche. Anders formuliert, berühren sich zwei Kugelschichten in einer Kreisfläche. Ziel ist es, den Oberflächeninhalt in Abhängigkeit einer Variable anzugeben, um das Optimum bestimmen zu können (siehe meine wunderbar lange Wortneuschöpfung Tabellenkalkulationsoptimiermethode einen Absatz weiter unten). Da ich den Formeleditor verwendet habe und nicht einfach reinkopieren kann, geht es nun erst einmal mit einem Pdf weiter. Es gibt darin zwei Bilder über cardanische Formeln, die bitte ignorieren.
Nun kann die Tabellenkalkulatiosnoptimiermethode angewandt werden. Eine Variable, in diesem Fall q1, wird in kleinen Schritten verändert und daraus das Ergebnis berechnet, wobei die kleinste Oberfläche bzw. Tankmasse das Optimum darstellt.
Seifenblasenkugeltanks:
Seifenblasentanks haben zwar eine minimale Oberfläche, dafür aber auch technische Nachteile. Auf dem kreisförmigen Zwischenboden lastet eine große Masse Treibstoff, die ihn ausbeulen könnte. Dadurch ergeben sich strukturelle Probleme, die Verstärkungen notwendig und den Massevorteil zunichte machen können. Es ist daher naheliegend, den Boden rund zu gestalten, was zu dieser Bauform überleitet.
Der kleinere Tank (es ist einleuchtend, das es andersherum ungünstig wäre) taucht in den Größeren bis maximal zum Äquator ein, bleibt dabei aber eine Kugel. Wieder habe ich den Formeleditor verwendet, wieder gibt es den Lösungsweg nur als Pdf.
Nun kann wieder die Tabellenkalkulationsoptimiermethode angewandt werden.
Hier ein abschließender Vergleich aller Oberflächeninhalte für das schon einmal verwendete Beispiel.
Tankform | Getrennte Tanks | Gemeinsame Tanks | Kugelförmige Tanks | Kugelförmige Tanks mit Zwischenstruktur | Seifenblasentanks | Seifenblasen-kugeltanks |
Oberfläche in m2 | 120,87 | 152,28 | 109,31 | 174,20 | 103,98 | 105,71 |
Wie zu erwarten schneiden die Seifenblasentanks am besten ab, dicht gefolgt von den Seifenblasenkugeltanks, wobei beide die kugelförmigen Tanks schlagen. Aufgrund der geringeren strukturellen Probleme sind wahrscheinlich die Seifenblasenkugeltank zu bevorzugen.
Praktische Anwendbarkeit:
In der Praxis kommt es nicht nur auf die Masse, sondern auch auf andere Kategorien wie die Aerodynamik oder die Abmaße an. Aufgrund der ausladenden Form (siehe N1) kommen Kugeltanks für Erstufen eher nicht infrage, hier liegen zylindrische Tank klar vorne. Für Oberstufen dagegen sind sie möglich, da
-die Oberstufe unter der Nutzlastverkleidung verborgen werden kann
-man die Stufe am Adapter mittig aufhängen kann, dadurch ist die Belastung geringer und auf die Stabilität muss weniger Rücksicht genommen werden
-sich die Rakete problemlos nach oben verdicken kann, siehe Atlas 5
Seifenblasenkugeltanks wurden in der Reinform zwar noch nicht gebaut, einige Stufen sehen der Bauweise aber sehr ähnlich:
-die Centaur G
-die ECB
Bei der ECB hat man allerdings den Sauerstofftank zu weit in den Wasserstofftank eingetaucht und dazu noch eine ungünstige Form gewählt (eher linsen- als kugelförmig), was wohl ein Grund für die hohe Leermasse ist.
Andere Lösung:
Mein Onkel ist Mathematiker, und so hat auch er sich mit dem Optimierungsproblem beschäftigt. Außerdem hat er mir bei der Suche nach allerhand Flüchtigkeitsfehlern geholfen, die ich leider viel zu oft mache. An dieser Stelle nochmal vielen Dank. Sein Lösungsweg ist ebenfalls angehängt. Um die Seifenblasentanks selbst geht es in Fall 4 und 5, allerdings ist für die Herleitung auch der Teil davor wichtig. Er hat statt dem Radius der Berührungsfläche stets die Höhe der Kugelreste verwendet.
Lösung als Pdf.
Berechnungstabellen:
Für die ersten beiden gibt es in dem alten Aufsatz eine Beschreibung.
Gemeinsame Tanks:
Getrennte Tanks:
Kugeltanks:
Seifenblasentanks:
Die Tabelle für die Lösung meines Onkels:
Seifenblasenkugeltanks:
Als Quelle für die Oberflächenmassen habe ich diesen Artikel verwendet, einige Geometriebilder stammen von Wikipedia.