Bernd Leitenbergers Blog

Viel Lärm um nichts….

Stellen wir uns vor, Airbus macht einen Testflug des neuen Musters A390. Als er beendet ist, wird die Maschine aufs Meer gebracht, die Testpiloten springen mit einem Fallschirm ab und erklären den Testflug für einen vollen Erfolg, während die Maschine nach wenigen Sekunden in den Fluten versinkt.

Warum lachen Sie? Genau das hat SpaceX vor wenigen Tagen getan. Alle Nachrichtenportale feierten den letzten Start als eine gelungene „kontrollierte Landung“. Es reichte allen für einen Artikel, wobei die einzige Quelle und alle Daten ein Tweed von Elon Musk war das man 8 Sekunden lang Telemetrie von der Stufe an der Wasseroberfläche empfangen habe. Bilder vom Niedergang? Bilder der gelandeten Stufe? Eine Bergung? Oder auch nur eine unabhängige Bestätigung? Fehlanzeige. Selbst wenn der Sender noch 8 Sekunden im Meer aktiv war, ist damit beweisen dass die Stufe ganz herunter kam? Also für mich sinkt die Stufe mit zwei Tanks, die leer sein müssten ziemlich schnell in 8 Sekunden. Da müssten beide Tanks zeitgleich in 8 Sekunden voll gelaufen sein, denn einer alleine würde zum Schwimmen reichen. Ich denke an die Eigenversenkung der Bismarck oder die über mehrere Schotten aufgeschlitzte Titanic und beides dauerte viel länger im Bereich von Bruchteilen einer Stunde bis mehrere Stunden. Natürlich sind die bösen Wellen dran schuld, die haben die Stufe kaputt gemacht. Also ich habe gerüchteweise gehört, das man im Atlantik öfters mit Wellen, auch hohen, rechnen muss.

Was hat SpaceX damit erreicht? Nichts. Sie konnten keine Stufe bergen. Das wäre primär nicht wichtig um sie wiederzuverwenden, sondern um sie zu inspizieren, was es an Beschädigungen gibt, in welchem Zustand sie ist. Sie wissen nun, dass der Sender heil bis zur Meeresoberfläche gekommen ist. Nicht mehr.

Vor allem hat diese Bergung nichts mit dem zu tun was die Firma anstrebt – eine kontrollierte Landung auf Beinen an Land. Nichts anderes macht bei einem Flüssigkeitsantrieb Sinn. Denn der Aufprall auf das Meer ist selbst mit Fallschirm in etwa vergleichbar mit einem Crash von 70 km/h auf die Meeresoberfläche. Oder wer es mal selbst ausprobieren will, einfach aus 35 m Höhe ins Wasser springen, das entspricht der Aufprallgeschwindigkeit der Shuttle-SRB. Das Salzwasser ist korrosiv, wenn man dann wiederverwenden will muss man Tanks aufwändig auf Haarrisse untersuchen, Triebwerke auseinanderbauen und auf Korrosion untersuchen.

Diese Rückführung zum Startplatz hat die Firma aber bisher nicht mal versucht (sie hätten die Stufe ja auch bis einige Kilometer vor die Küste zurückführen können, wenn sie mal eine kleine Startplattform treffen wollen, müssen sie sowieso genaue Flüge erproben. Das hätte ich angenommen, wenn es um die Wiederverwendung geht, aber darum geht es nicht. Es geht um billige Publicity. Denn wie immer bei SpaceX klafft eine Menge zwischen Sein und Schein. Schein ist dass man ankündet Wiederverwendung wäre das Ziel, wie im Flugzeugbau wo man ja auch nicht das Flugzeug nach einem flug wegwirft. Und wenn Musk das sagt, dann klingt dass immer so als wären alle anderen die bisher keine Stufe geborgen haben, saumäßig blöd.

Das Gegenteil ist der Fall. Wiederverwendung wurde mehrmals untersucht. Bei der Saturn V Erststufe, bei der Ariane 1. Bei letzterer hat man es gelassen weil in Windkanalversuchen sich die Stufe durch den Schwerpunkt bei den Triebwerken als instabil zeigte und sich überschlug und bei Fallschirmeinsatz die Gefahr bestand dass Leinen sich verheddern oder reißen. SpaceX hat so was nicht nötig, die haben es erst mal ohne Simulation probiert und bei den ersten vier Versuchen hat es auch die Stufen zerlegt oder sie schlugen schon vorher auf. Trotzdem hat die ESA etwas geschafft, was SpaceX nicht geschafft hat – beim Ariane 1 Jungfernflug wurde die erste Stufe geborgen und begutachtet. Danach lies man es. Die L140 kam auch ungebremst runter, doch weil die Stufe relativ massiv ist hat sie die Wasserung überlebt und wurde dann von einem französischen Marineschiff ins Schlepptau genommen und nach Korou geschleppt.

Der Vergleich mit der Luftfahrt hinkt schon deswegen, weil bei den meisten Passagierflugzeugen die Nutzlast rund ein Drittel der Startmasse ausmacht, der Treibstoff ein Viertel. Wenn man nun auf den Treibstoff verzichten würde, den man zur Landung braucht und die Subsysteme (Fahrwerk) wird die Nutzlast kaum größer. Bei einer Rakete macht die Nutzlast 4% bei der Falcon 9 aus. Die Landung senkt sie um 30% weil man viel Treibstoff zum Landen braucht. Und bei 4% Nutzlast wirken sich schon kleine negative Veränderungen der Treibstoffbilanz stark aus. Nur wenn die Kosten auch um 30% sinken lohnt es sich. Nach verschiedenen Aussagen von Musk ist das derzeit aber ein Nullsummenspiel, die Einsparungen liegen auch bei 20-30%. So gesehen lohnt es sich nur, wenn die Nutzlast sowieso nicht die Kapazität ausnutzt das ist bei den CRS Flügen und den meisten SSO Starts der Fall.

Die Antwort von SpaceX  bei einer Kongressanhörung bis 2018 nur 60% der EELV Aufträge abwickeln zu können (und das sind nicht viele) lässt auch eine andere Deutung für die Bemühungen zu: Die Firma produziert anscheinend zu langsam um ihre Aufträge abzuarbeiten. Dagegen würde helfen, wenn sie mal sich auf die Entwicklungen konzentriert die gerade im Einsatz sind und nicht andauernd was neues ausdenkt. Gerade hat man mit der NASA eine Vereinbarung unterzeichnet, dass man im E-2 Teststand in Stennis das Raptor Triebwerk testen will. Nur das gibt es noch nicht ….

Übrigens setzt auch die Luftfahrt auf das Wegwerfprinzip, wenn der Treibstoffanteil extrem hoch wird. Der Raketenjäger Me 163 warf sein Fahrwerk nach dem Start ab und landete auf Kufen und die Bachem-Natter, ein weiterer Raketenjäger ohne Gleiteigenschaften (die Me 163 landete im Gleitflug) wurde gar nicht gelandet: Der Pilot stieg aus und das flugzeug- ging an einem Fallschirm nieder. Also wenn ich Beispiele suche die gegen die Wiederverwendung sprechen, so werde ich auch in der Luftfahrt fündig.

Die meisten Konzepte, die ich für sinnvoll halte und die sich mit der Thematik beschäftigen, haben einen anderen Ansatz: Anstatt eine Stufe mit ihrem Antrieb zu bergen (der bei nahezu leerer Stufe zu schubkräftig ist, auch bei nur einem von neun Triebwerken in der Stufe ) setzt man Flügel und einen Luft nutzenden Antrieb ein. Das ist schwerer als die Beine, doch es wird durch die Treibstoffersparnis ausgeglichen, denn ein Flugzeug kommt mit 30% Treibstoffanteil, denn SpaceX in den Tanks lassen muss, fast um den halben Globus herum anstatt nur 200-300 km zurück zum Land.

Das es primär um Publicity geht zeigt auch die Vorankündigung der Erfolgsaussichten. Beim ersten versuch waren es 5-10%, nun 30-40%. Also ich sorge eigentlich dafür dass die Erfolgsaussichten größer sind, warum probiert man etwas wenn man zu 90% oder 65% wei9, das es nicht klappt? Immerhin: bei der Steigerung um den Faktor 4-6 pro Versuch muss der nächste Versuch dann zu 120-180% sicher klappen!

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