Schlager, Musik und astrale Glassteine
Kürzlich habe ich mir auf meinen MP3 Player eine Zusammenstellung der Billboard Charts von 1976 bis 1987 gespielt und die so nach und nach gehört. Passend dazu gab es auch eine Dokumentation über die Geschichte des deutschen Schlagers. Die erste Erkenntnis: auch in den USA ist der größte Teil der Charts nicht Rock, Pop, Disco oder Funk. Es ist das was bei uns Schlager ist. Dort heißt es eben Folk-music oder Country, wobei Country wenigstens ein eigener Musikstil ist. Aber es gibt genauso flache und plätschernde Lieder wie im deutschen Schlager.
Ich glaube überall auf der Welt gibt es so was wie Schlager, wenn man es nicht ein einem Musikstil fest macht, sondern am Liedgut, das selten geistig anspruchsvoll ist, sich meist um triviale Dinge wie Liebe dreht und eingehende Refrains hat ohne längere Texte. Ich mag Schlager, Schlager aus den Siebzigern. Da passte er in die Zeit und die Musikarrangements waren zumindest manchmal besser. Nach der neuen deutschen Welle hat er sich ja nicht so richtig erholt und ist inzwischen zur volkstümlichen Musik gewandelt.
Man kann aber auch Schlager verschandeln. Ich habe kürzlich mal nach „Er gehört zu mir“ von Marianne Rosenberg gesucht. Ich hatte es zweimal in der Sammlung. Einmal die Originalaufnahme aus den Siebzigern und dann hat sie es 2004 nochmals aufgenommen. Das Original ist besser. Mir fiel dann auch einmal etwas ein. Vor ein paare Jahren hatte ich Kontakte in die USA und Kanada, und da habe ich mal den Link zum Youtube Video von Marianne Rosenberg geschickt und die fanden den Song toll. Ich habe mich lange gefragt warum, denn sie können den Text ja nicht verstehen. Beim Anhören der Versionen war es mir klar: es war die Musik. Der Gesang von Rosenberg ist ziemlich dünn und zu hoch. aber die Musik ist dufte. Unverständlich warum sie den 2004 durch einen Beatteppich ersetzt hat, denn an Stimmqualität hat sie zugenommen.
Das führt mich zu einem weiteren kleinen Zwischenspiel: wie verschandele ich Covers. Ich habe kürzlich das Video von Joan Jett „I love Rock’n Roll“ angesehen. Da dachte ich mir: na da haben die wohl ein Modell als Rock-Röhre darstellen wollen, denn dafür sah sie mir zu ordentlich, zu glatt aus. Doch Nachschauen in der Wikipedia ergibt das Joan Jett wohl immer Rocksängern war. Weiterhin erfuhr das der Titel von den Arrows ist. Ich kannte ihn nur von Jett. Das Organal von den Arrows ist eher mau. Aber es geht wie ich in der Liste der „empfohlenen Videos“ sehe noch viel schlimmer. der Song ist auch von Birtney Spears gecovert worden und wenn ich sie so sehen dann weiß was ein Modell das Rock ‚N Roll Röhre sein will WIKLICH ist. Die gute hat auch den Song nicht verstanden und scheint ihn mit mit einem Schmusesong zu verwechseln.
Was mir auch auffiel ist das es heute kaum noch Künstler gibt mit langhaltigem Erfolg. In den Achtzigern gab es noch etliche Hits von Leuten die waren schon in den Sechzigern aktiv (manche sind es heute noch) wie Phil Collins, David Bowie andere kamen damals gerade auf und waren bis ins neue Jahrtausend aktiv wie Madonna. Irgendwie ist nicht nur die Musik schlechter geworden sondern auch alles schnelllebiger geworden. Dabei gibt es heute mehr Musik denn je. Wer mal alte Serien ansieht wird feststellen, das früher da kaum Musik im Hintergrund lief. Auch im Film, wobei man hier aber schon früher auf Musik als dramaturgisches Element setzte, allerdings früher mehr als heute mit eigens komponierter Filmmusik. Natürlich kommen auch Werbespots heute immer musikuntermalt daher. Vielleicht wird sie wegen der Allgegenwart nicht so wichtig. an den Verkäufen kann es nicht liegen. Denn seit man Musik online haben kann wird mehr verdient als früher – ein Download ist schneller gemacht als im Laden eine CD gekauft und Musikabos gab es früher auch nicht.
Zuletzt sah ich mir eine Zusammenfassung von Walulis sieht fern. Da hat er sich einem Werbespot für einen schwarzen Glasstein in Brilliantschliff der für 59,95 Euro vertickt wird angenommen, er würde schlechte Energien absorbieren und wäre „handbesprochen“. er deckte auch auf das gezeigte Fotos einer angeblichen Kundin aus einer Fotobibliothek stammen und das Model besucht das natürlich nichts von dem Stein wusste.
Ein Stein der schlechte Energien absorbiert, so was kaufen die Leute. Das ist einer der Augenblicke wo ich merke das ich etwas grundsätzlich falsch mache. Ich schreibe Bücher für Leute die sich für was interessieren, die wissbegierig sind und einigermaßen Intelligent. Viel einfach hat man es im Leben wenn man die Leute bescheist und sich an die absolut unterbelichteten wendet. Ich sollte Bücher produzieren mit lauter weißen Blättern die man nicht liest sondern auf den Tisch stellt,dann lernt man alles. Bücher wie „Reich in 5 Tagen“. „Wie bekomme ich den Traummann?“ oder „Der einzige wahre Weg ins Nirwana“. Oder ich entwerfe eine Bücherhülle in die man ein Buch hineingibt, handbesprochen. Legt man diese mit dem Buch unter das Kopfkissen, so hat man über Nacht den Inhalt memoriert. Ich glaube das wird ein Verkaufsschlager.
So und dann will den kurzwelligen Zwischenstopp bei nicht so tiefer gehenden Themen beenden mit einem Musiktipp. Das Lied habe ich 1983 auf einer Klassenfahrt nach Berlin rauf und gehört. Trotz der Überdosis kann ich es heute immer noch hören und es ist auch nicht so anspruchsvoll im Text:
Also erst einmal: Ich denke, Du machst nichts falsch, sondern es gibt eine gesellschaftliche Tendenz zur Anspruchslosigkeit. Da Du aber nunmal ein eher anspruchsvoller Mensch bist, der sich mit einem Thema, dass ihn interessiert, dann auch intensiver auseinander setzt, als der allgemeine Durchschnitt, gibt es natürlich ein paar Reibungspunkte. Daran ist aber nichts auszusetzen. Ich finde es eher Bemerkenswert, dass Du Dich dem Trend nicht unterordnen willst und diese Verhältnisse auf Deiner Weise immer wieder mal kritisierst.
Was die Musik angeht: natürlich gibt es überall auf der Welt sowas wie Schlager bzw. volkstümliche Musik, egal unter welchem Etikett die nun läuft. Und oft ist es auch so, dass die Texte eher unwichtig sind, solange die Musik gut ist. Geht mir sehr oft so. Anderseits, wenn ich dann auch mal den Text berücksichtige, dann wird ein Lied entweder Wertvoller oder ich verbanne es aus meinem Repertoire, weil Text und Musik wiedersprüchlich auf mich wirken. Ein Beispiel für solche Wiedersprüche ist ein Lied von Leona Lewis. Der Titel heisst: „Take A Bow“ und ist auf ihrem Debut-Album drauf. Der Musik nach zu deuten ein Liebeslied für romantische Momente. – Dabei darf man aber nicht auf den Text achten! – Denn wenn man das tut, dann stellt sich sehr schnell heraus, dass es um enttäuschte Liebe geht und der Titel entpuppt sich als ein Idiom, das in dem Zusammenhang soviel wie „Verzieh dich“ bedeutet. Da vergeht mir dann zumindest das Träumen von romantischen Dingen.
Der Captain Sensible dagegen ist einfach zur Unterhaltung.
Hallo,
ich finde deine Beiträge toll.
Kennst du den ReMix von Franz Rapid – Da sind diese Augen?
http://www.franzrapid.com
Wie findest du ihn?
Ich finde ihn grandios.
Liebe Grüße!