Nein das ist nicht das Honorar eines Luxus-Callgirls, sondern der Preis für eine Rechenstunde auf der Cray X-MP. Ich arbeite gerade an einem Artikel über diesen Rechner und bei der Vervollständigung schlug Google auch „Cray X-MP for sale“ und ich kam auf diese Seite. Die Diskussion dreht sich ganz schnell um die Kosten des Computers im Betrieb und nachdem einer einen Preis von 720 Dollar pro Stunde bringt, fängt die Rechnung an wie viel Strom die Maschine verbraucht. Das die 720 Dollar auch andere Kosten beinhalten (ein Rechenzentrum hat ja auch Angestellten und das Gebäude muss ja auch abgeschrieben werden) darauf kommt keiner. Natürlich verbraucht eine Cray X-MP nicht für 720 Dollar Strom. Der Verbrauch ist abhängig vom Modell, aber ein typischer Wert sind 128 kWatt. Das sind bei den niedrigen US-Strompreisen vielleicht 15 Dollar pro Stunde.
Meine Einschätzung: es ist die Miete des ganzen Rechners, die auch die Abschreibung beinhaltet, schließlich kostet nicht nur der Betrieb etwas sondern auch die Anschaffung. Das NCAR nennt für eine 1986 angeschaffte Cray X-MP 48 folgende Zahlen:
- Rechner: 14,6 Millionen Dollar
- Solid State Disk (256 KWorte): 3,5 Millionen Dollar
- Festplattenlaufwerke: 2 Millionen Dollar
- Inbetriebnahme: Oktober 1990
- Abschaltung 30.9.1990
- UpTime;: 500 Stunden /Monat (ich vermute es muss immer jemand am Rechner sein, denn das sind nur 16,7 Stunden pro Tag)
Also der Rechner war 4 Jahre in Betrieb, das sind bei 500 Stunden pro Monat rund 24.000 Stunden. Er kostete mit allen Extras 20,1 Millionen Dollar. Alleine die lineare Abschreibung beträgt also 837,5 Dollar pro Stunde. So gesehen ist die Miete von 720 Dollar pro Stunde ein Schnäppchen (eventuell bezieht sich der Preis auch auf eine kleinere Version, die Cray X-MP gab es mit 1,2 oder 4 CPU und mit 1,2,4 oder 8 MWort Speicher, das NCAR hatte die größte und teuerste Version gewählt).
Damit wäre die Frage schon beantwortet. Was vielmehr vielleicht interessiert: ist es wirklich billig? Zur damaligen Zeit konnten sich Großrechner nur wenige leisten, viele Unis konnten aber immerhin Minis oder Super Minis sich anschaffen. Das neueste Modell der VAX 11 Serie, die sogar noch jünger als die Cray war, war bei Vorstellung der Cray X-MP die VAX 11/785 für die mit Speicher und Software ein Komplettpreis von 332.000 Dollar fällig war. Sie schaffte 1,4 VAX-MIPS (keine echten MIPS, da eine VAX 11/780 das Urmodell nur etwa 0,5 MIPS schaffte, aber so populär war, bürgerte es sich ein die Rechenleistung der 11/780 als 1 VAX-MIPS zu setzen). Nun von dieser kenne ich dank einem Buch die Leistung im Vergleich zu einer Cray 1. Sie hat 1/400 der Geschwindigkeit einer Cray 1. Eine Cray X-MP ist je nach Modell 30-425% schneller. Nehmen wir das zwei Prozessorenmodell als goldene Mitte, so sind es 262% Cray 1 Leistung.
Eine VAX 11/785 müsste also 750 Stunden rechnen um ein Problem zu lösen, dass eine Cray X-MP 2 in einer Stunde schafft. Nehmen wir an, sie wird auch 4 Jahre betrieben, 24 Stunden, rund um die Uhr, dann sind das 35.000 Betriebsstunden, in denen sie 46,7 Cray Betriebsstunden Rechenarbeit leistet. Schreibt man nur die 332.000 Dollar Anschaffungskosten ab, so wäre dies erheblich teuer, nämlich 7100 Dollar pro Stunde.
Ein zweites Rechenbeispiel: 1984 kam gerade frisch der IBM AT auf dem Markt mit einem Fließkommaprozessor erreicht er ein Tempo von 0,1 MFlop/s – immerhin rund ein Sechstel der Geschwindigkeit der VAX. Da er in Großserie produziert wird, sollte er billiger sein. Bei der Einführung kostete das Modell mit 512 KByte Hauptspeicher und 20 MByte Platte (man vergleiche das mit den 64 MByte der Cray X-MP 48 und 2 GByte RAM Disk und 40 x 1200 MByte Wechselplatten) 5795 Dollar, dann kommen noch 375 Dollar für den Coprozessor hinzu. In 4200 Stunden hat ein IBM-AT das berechnet was eine Cray X-MP 2 in einer Stunde schafft. In 4 Jahren Nutzung rund um die Uhr schafft er immerhin 8,33 Cray Stunden – und liegt dann mit Kosten von 6000 Dollar (Cray) zu 6170 Dollar (IVM 51790/AT) fast gleichauf – nun ja wenn man ignoriert, dass man viel mehr Speicher hat und nichts selbst installieren muss.
So gesehen waren die Supercomputer doch recht preiswert. Doch zurück zu der Diskussion. Mir fallen ein paar andere Gründe ein, warum man sich keine Cray X-MP kaufen sollte.
- Normale Hausanschlüsse liefern wohl kaum 128 kW, dass sind bei 220 Volt über 500 Ampere.
- Selbst wenn, wird’s ziemlich warm. Die 128 KW werden als Abwärme abgeführt. Unsere Heizung für zwei Stockwerke hat 10 kW Leistung, das würde also für ein Hochhaus ausreichen. Dabei ist dies nur die abgeführte Abwärme, die Kühlung selbst hat ja auch noch einen Stromverbrauch.
- Der Rechner ist zwar sehr schick und auch verhältnismäßig kompakt, aber nicht leicht. Mit I/O Subsystem wiegt der Rechner 6,75 t, die SSD weitere 1,5 t. Das MPI für Astrophysik das sich einen der ersten Crays in Europa anschaffte, zog an der decke im Stockwerk darunter Stahlträger ein und stützte diese mit Säulen ab, denn das Gewicht wird auf nur 4 m² verteilt.
- Der Rechner alleine nützt einem nichts. Man braucht noch einen Minicomputer zum Starten und Laden der Programme. Die Cray selbst ist das heutige Gegenstück zur CPU mit Speichermodul.
Kurzum: als Heizung vielleicht noch geeignet, für viel mehr nicht. Selbst abgehangene Rechner übertreffen die Rechenleistung bei weitem. Mein Athlon 5050e von 2009 leistet 2,4 GFlops, (nach Linpack) das ist die 2,5-fache Leistung des schnellsten Cray X-MP Modells und das in echten Anwendungen, nicht als theoretische Peakperformance. Ich denke heute schaffen selbst Smartphones mehr Flops als eine Cray X-MP. So nach einer Faustregel des computings ist Konsumerhardware so schnell wie die schnellsten Rechner vor 20 Jahren. Und die Cray X-MP ist schon 32 Jahre alt. In einem ist er übrigens auch einem heutigen PC überlegen. Es gab für ihn eine SSD, das gleiche wie einie heutige SSD, nur 1,5 t schwer und 3,5 Millionen Dollar teuer. Während deren Kapazität von maximal 2 GByte von jedem USB Stick geschlagen wird, ist ihre Transferrate von 1250 MByte/s bis heute nicht übertroffen worden.
Übrigens: auch den Stromverbrauch muss man in Relation sehen. Der IBM AT kam mit einem 192 Watt Netzteil. Nun ist das natürlich immer überdimensioniert, man kann den Rechner ja noch erweitern udn braucht dafür noch Reserven. Aber nehmen wir nur mal 100 Watt an, so würden die 4200 IBM AT, die man bräuchte um dieselbe Rechenleistung wie eine Cray X-MP zu erreichen, auch 420 kW Strom verbrauchen.
Nicht umsonst achtet man bei Supercomputern inzwischen auch auf die GFLOP/Watt – nicht so sehr wegen der Stromrechnung sondern weil man dann weniger Platz braucht und die Schränke enger zusammenstellen kann. Denn heute belegen Supercomputer nicht mehr 4 m², sondern eine ganze Halle.