Warum macht SpaceX keinen Suborbitaltourismus?
Am Donnerstag kam auf ZDF Info mal wieder eine Sendung über bemannte Raumfahrt, „Zukunft im All – Von der Raumstation zum Mars“. Wie der Titel verrät ein Sammelsurium von Themen. Dabei ging es auch um suborbitalen Tourismus, natürlich mit dem Beispiel von SpaceShip Two aber auch Armadillo Aerospace, die das mit einer Rakete vom Erdboden aus durchführen wollen. Da kam mir eine Idee: das wäre doch was für SpaceX. Während man recht schwer sagen kann, wie groß der Markt für Weltraumtouristen ist (es gab bisher wenige, aber es gab auch wenige Fluggelegenheiten, so ist es wahrscheinlich nur für die Vermarkter klar wie groß der Bedarf und die Nachfrage ist) soll Virgin Galactic schon etliche Tickets für suborbitale Flüge 640 im August 2013 also lange bevor es den ersten Flug gab zu Preisen von 250.000 $.
Nun warum sollte SpaceX in dieses Segment einsteigen? Nun es gibt einige gute Gründe dafür:
- Die Firma hat Hardware sie schon abgeschrieben ist
- Damit kann sie Pluspunkte bei der NASA sammeln – zumindest kann sie schon den Start und die Landung erproben.
- Sie bekommt Publicity, das war ja bisher das wichtigste bei der Öffentlichkeitsarbeit
- Sie kann ein zusätzliches unabhängiges Standbein aufbauen und Geld verdienen.
Zum Punkt 1 einige Erläuterungen. Nach den Verträgen mit der NASA hat die Firma nach Ablauf von CRS und COTS 14 Dragon Raumkapseln die einmal flogen und für die es bisher keine weitere Verwendung gibt. Da CRS 2 mit noch mehr Fracht gerade ausgeschrieben wird, und nichts darauf hindeutet dass sich da etwas ändert, wird das ab 2017 noch mehr werden, da werden Orbital und SpaceX jeweils 3-4 Flüge pro Jahr durchführen müssen.
Daneben ist zu rechnen, dass die Betreiber von Satelliten erst mal skeptisch gegenüber der Wiederverwendung sind und nicht eine „Refurbished“ Stufe haben wollen oder es kann sein, dass sie nicht beliebig viele Einsätze hinnehmen sondern vielleicht nur zwei. In beiden Fällen hat die Firma Triebwerke die noch eingesetzt werden können. Selbst bei maximaler Wiederverwendung kann es sein, das ein Triebwerk noch eine Lebensdauer hat die aber nicht mehr 180 s beträgt (die nominelle Brennzeit) avber für den kurzen Betrieb mit einer Suborbitalrakete. Auch diese stehen für Umsonst zur Verfügung denn den Start hat ja schon jemand bezahlt.
warum nicht diese Hardware nützlich einsetzen? Der Vorteil vom Suborbitaltourismus ist sofort ersichtlich:
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Die Geschwindigkeit die man erreichen muss ist viel geringer – erheblich kleinere Rakete nötig
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Die Belastungen sind es auch, denn man muss nur ungefähr 3,2% der Energie die man bei einem Rückkehr vom Orbit hat abbauen.
Das bedeutet: die Belastungen sind viel kleiner und eine Dragon, die einen Orbitflug überstanden hat sollte problemlos etliche Suborbitaleinsätze überstehen. Das überstehen selbst Flugzeuge, denn auch die X-15 erreichte bei ihren Flügen eine Höhe von über 100 km.
Der Geschwindigkeitsbedarf ist nicht so genau bezifferbar. Die potentielle Energie entspricht einer Beschleunigung um 1400 m/s (für 100 km Höhe), dann kommen aber noch Gravitationsverluste und der Luftwiderstand hinzu. Eine A-4 erreichte bei einer theoretischen Endgeschwindigkeit von 2490 m/s eine Höhe von 187 km, das entspricht einer Hubenergie die einer Geschwindigkeit von 1890 m/s entspricht, das bedeutet man muss mit rund 500 m/s Verlusten rechnen, dann wäre für 100 km Höhe die zu erreichende Geschwindigkeit rund 1900 m/s.
Basierend auf den Daten des Merlin 1D am Boden entspricht dies einem Masseverhältnis von 1,9. Das bedeutet anders als bei einer Falcon 9 macht der Treibstoff weniger als die Hafte der Startmasse aus. Daraus kann man wenn man die Startbeschleunigung zu 13 m/s festlegt, folgendes ausrechnen:
- Startmasse: 50,3 t
- Brennschlussmasse: 25,3 t (25 t Treibstoff)
- davon Resttreibstoffe: 0,2 t
- davon Struktur und Triebwerke der stufe: 1,9 t
- Rest für Raumschiff und Landetreibstoff 23,2 t
Da eine bemannte Dragon nach SpaceX nur 6 t wiegt (und das mit Trunk, denn man nicht braucht) reicht das also möglich. Das Abbremsen des gesamten Gefährts müssten die Superdraco Triebwerke erledigen, weil selbst ein Merlin 1D zu schubkräftig ist. Es würde selbst bei 60% Schub noch um 15 m/s beschleunigen, es müsste für eine weiche Landung aber weniger als 10 m/s sein. Sonst hebt man wieder ab. Der Treibstoffbedarf ist recht gering: Es ist kaum zu erwarten dass die Stufe mit Dragon sich schnell durch die Luft bewegt, der Luftwiederstand wird die Fallgeschwindigkeit sicher auf maximal 500 km/h beschränken (Bomben im zweiten Weltkrieg erreichten diese Geschwindigkeit und die sind aerodynamisch günstiger). Rechnet man noch 5 Sekunden zum Schweben hinzu so braucht man für die Landung insgesamt ein Geschwindigkeitsvermögen von 190 m/s. Dafür braucht man rund 7-8% der Masse an Treibstoff, das bedeutet es bleiben rund 21,6 t für das Raumschiff.
Das ist also deutlich mehr als eine Dragon wiegt. Was gäbe es an Verbesserungsmöglichkeiten? Nun im Prinzip 2. Man könnte die normale Dragon mit einem Piloten und 6 Passagieren (geschätzte Masse: 6,7 t starten). Dann würde man eine größere Höhe erreichen (rund 490 km), allerdings mit einer unangenehmen beschleunigungsspitze von 71 m/s. Die Brennzeit würde ohne Schubreduktion in beiden Fällen 105,7 s betragen. Besser wäre es die Dragon um einen Zylinder zu verändern. Die Kegelform für einen Wiedereintritt bei hohen Geschwindigkeiten nötig, wird ja nicht mehr gebraucht. Rechnet man das Gewicht gleichmäßig auf die Oberfläche um, so kann man diese um 5,5 m verlängern. Bei vier Sitzen pro Reihe (derzeit im unteren Teil der Dragon eingebaut) und 6 zusätzlichen Reihen kann man so 31 Personen transportieren.
Was kostet es? Schwer zu sagen, man müsste eine eigene Stufe dafür konstruieren. Die Tanks wäre bei 25 t Treibstoff nur etwa 3 m hoch, selbst mit Triebwerk ist sie dann maximal 5 m hoch. Mit Dragon dann 9 – 16 m. Das Schubgerüst de Zweitstufe kann man verwenden, die Tanks der Zweitstufe müsste man kürzen. Schwer zu sagen was das kostet. Aber nehmen wir mal an die Dragons gäbe es für umsonst (stammen ja noch von der NASA) und die Stufe würde für 1 Triebwerk ein Neuntel der Falcon 9 Erststufe kosten, die 80% der Produktionskosten (nicht Startkosten und Gewinn) ausmacht. Zieht man Gewinn und Startdurchführung vom Preis von 61,2 Millionen Dollar ab, so ist man bei etwa 40 Millionen Dollar Produktionskosten. 80% davon sind 32 Millionen und ein Neuntel davon sind 3,6 Millionen Dollar.
Doch auch diese Stufe kann man mehrmals einsetzen. Nach der SpaceX Webseite haben die Merlin1D eine Lebenszeit von 4 Betriebszeiten, das sind 720 s. Teilt man das durch die 106 s Brennzeit so kann man 6 Flüge mit Sicherheit durchführen. Das reduziert die Abschreibungskosten für die Rakete auf 0,6 Millionen. Damit würde SpaceX schon bei 6 Passagieren Gewinn machen (6 x 250.000 Dollar vs. 600.000 Abschreibungskisten). Der Treibstoff ist kein Preisfaktor, er macht ja nach Elon Musk schon bei einer Falcon 9 die aus 490 t Treibstoff besteht 0,3% der Startkosten aus, hier wären es nur 25 t und die kosten dann 10.000 Dollar.
Bei 30 Passagieren pro Flug wird daraus eine Gelddruckmaschine – Erlöse von 7,5 Millionen pro Flug stehen Kosten von 0,6 Millionen gegenüber, dann würde es sich sogar lohnen, wenn man nichts wiederverwendet, skaliert man die Kosten der Falcon 9 auf 1 Triebwerk herunter. Dann könnte man z.B. von der Stufe sich trennen und die Kapsel einfach wassern lassen.
Idealerweise nutzt SpaceX aber dazu einfach Triebwerke die noch 106 s Restlebenszeit haben, aber eben keine 180s für einen Falcon 9 Start. Alle drei Starts müssten da 9 Stück anfallen, denn es gibt außer den Starts ja auch noch kurze Probezündungen vor jedem Start und das Brennen beim Abbremsen beim Weidereintritt. Bei 12 Starts pro Jahr können sie so alleine 36 Flüge pro Jahr mit Touristen durchführen.
Also es gäbe genug gute Gründe in das Geschäft des Suborbitaltourismus einzusteigen. Schade das SpaceX es nicht macht, aber wahrscheinlich kann man es sich dort nicht leisten Abzweigungen von dem direkten weg zum Endziel Mars einzuschlagen.
Mal an dieser Stelle ein SpaceX Update:
Die Firma macht nun mehr Nachrichten durch Prozesse anstatt durch Starts. Nun prozessiert sie gegen Blue Origin. Die haben sich doch tatsächlich die triebwerksgesteuerte Landung einer Raketenstufe 2010 patentieren lassen. Dumm wenn man das nun gerade selbst versucht.
http://www.geekwire.com/2014/elon-musks-spacex-challenges-patent/
Die Begründung ist, das das Patent nichts innovatives beinhaltet also es eigentlich nicht patentierbar ist.
Mal abgesehen von SpaceX´s sonstigem Geschäftsgebaren:
ist so eine Trivialität wirklich patentierbar?
Das Raketen auf einem Triebwerk landen hat es schon z. B. in Form der Mondlandefähren gegeben. Die Idee als solche kommt auch in diversen SF-Filmen (z. B. Thunderbirds?) aus den 1960er Jahren vor.
Wo ist der „Mehrwert“ dieses Patents? Dass man im Meer landet, wenn man an der Küste startet (und nicht zurück fliegt)? Oder das da, wo etwas im Meer herunter kommt sinnvollerweise ein Schiff ist?
Da SpaceX ja anpeilt an Land zu landen, trifft sie das doch nicht.
Irgendwie bleibt die Sache für mich undurchsichtig. Inwiefern ist der patentierte Inhalt neu? Inwiefern ist SpaceX davon beeinträchtigt?
Man kann es nachlesen und sich selbst informieren:
Patent:
http://www.google.com/patents/US8678321
Anfechtung:
http://cdn.geekwire.com/wp-content/uploads/2014/09/Petition-2-Inter_Partes_Review_of_US_Patent_No_8678321_Claims_14_15.pdf
und
http://cdn.geekwire.com/wp-content/uploads/2014/09/Petition-2-Inter_Partes_Review_of_US_Patent_8678321_Claims_1_13.pdf