Der ideale „grüne“ Treibstoff
Eigentlich wollte ich den Beitrag unter „Münchhausens Kolumne“ ablegen, aber dann fiel mir nichts ein, was gegen ihn sprechen sollte. so kommt er unter Satire und Fiktion, wobei das Fiktion der passende Oberbegriff ist. Seit einigen Jahren hat die Umweltbewegung ja auch die Raumfahrt erreicht und ein Thema sind „green fuels“ oder wie man im deutschen sagen würde umweltfreundliche Treibstoffe. Sie sollen auch bei einer Havarie möglichst umweltverträglich sein. Die Alternativen werden vor allem bei Hydrazinen gesucht, die alle giftig sind. Die NASA untersucht Hydroxylammoniumnitrat als Einkomponentensystem. Gedacht wird vor allem an Satelliten, wobei meiner Ansicht nach aufgrund der Treibstoffmenge Stufen viel interessanter wären. Aber da wird man wohl dann gleich auf LOX/Kerosin umsteigen.
Ich habe da für Satelliten eine viel bessere Alternative: Wasser. Wasser ist nach umfangreichen Untersuchungen absolut umweltfreundlich. Es ist ungiftig, nicht korrosiv, nicht ätzend. Es löst sich bei einer Havarie sowohl im Meer aus wie es auch an Land rückstandslos vom Boden aufgenommen wird. Nun kann man Wasser nicht verbrennen, aber man kann Wasserstoff mit Sauerstoff verbrennen und netterweise enthält dies Wasser. Es gibt sogar Triebwerke die dies tun und in dder Schubkraft geeignet sind. Von Airbus z.B. ein 300 N Triebwerk.
Das Prinzip ist ganz einfach: Man führt Wasser mit, spaltet es über Elektrolyse und verbrennt es wieder zu Wasser. Im Prinzip könnte man es sogar als einen elektrischen Antrieb bezeichnen, denn die Energie ist nun nicht in mehr im Treibstoff gespeichert sondern durch Energiezufuhr wird erst der nutzbare Treibstoff gewonnen. Nur wird er nicht elektrisch beschleunigt, sondern die Energie steckt erneut im Treibstoff, Daher bietet es sich an die Technik mit chemischen Treibstoffen und elektrischen Antrieben zu vergleichen.
Ich habe dafür mal den Satelliten Astra 2F genommen, der 2012 gestartet wurde. Er wiegt beim Start 6000 kg, nach 15 Jahren nur noch 2660 kg, das heißt der größte Teil der Satelliten ist Treibstoff. Er teilt sich auf in den Treibstoff für das Erreichen des GEO und den Lagereglungstreibstoff. Bei Verwendung der derzeit aktuellen Apogäumantriebe (spezifischer Impuls 3150 m/s) 1500 m/s Geschwindigkeitsänderung vom GTO in den GEO sind das 2273 kg. Der Rest entfällt auf die Lagereglung. Die Verniertriebwerke haben geringere Wirkungsgrade, mit einem spezifischen Impuls von 2880 m/s, das reicht dann also für weitere 970 m/s. (Daten von vorhandenen Apogäumsmotoren und Verniertriebwerken als Basis genommen)
Zusammen sind das dann rund 2500 m/s Korrekturvermögen. Das obige Astrium LH2/LOX-Triebwerk hat einen spezifischen Impuls von 415 s, das sind 4071 m/s. Bei diesem spezifischen Impuls käme man also mit einer Startmasse von 4915 kg aus. Dabei geht dies davon aus dass das Antriebssystem gleich schwer ist. Das wird aber nicht der Fall sein. Heute werden Druckgeförderte Antriebe eingesetzt. deren Tanks sind relativ schwer, weil sie einem hohen Innendruck aushalten müssen, dazu braucht man Druckgas und das steckt in schweren Druckgasflaschen. Beim ATV wiegt das Antriebssystem 1,5 t, allerdings ist es auch vierfach redundant aufgebaut. Trotzdem ist die Trockenmasse beachtlich bei 7 t Treibstoffzuladung. Für einen LOX/LH2 antrieb braucht man auch einen Tank für die Gase, doch eben nur die Menge, die man für ein Antriebsmanöver braucht. Dabei liefern die Gase selbst das Druckgas. Zudem braucht man in jedem falle kleinere Tanks, denn man führt weniger Treibstoff mit. Eine Reduktion der Trockenmasse um 10% sollte so möglich sein, was mit einer Reduktion der Startmasse auf 4400 kg korrespondiert.
Doch geht es überhaupt? Der Satellit Astra 2F hat eine elektrische Leistung von 13 kW. Nach Wikipedia liegt der Wirkungsgrad bei der Elektrolyse von Wasser bei 70%. Das reduziert die während der Aufstiegsphase verfügbare Leistung auf 9 kW. Zieht man 0,5 kW für die Bordsysteme ab, so bleiben 8,5 KW. Ein Mol Wasser hat eine Bindungsenergie von 268,8 kJ, das sind 268800 Ws. In einer Stunde kann so 10,7 Mole, 1928 g Wasser gespalten werden. In 10 Stunden, die anfangs ein Umlauf braucht, 19,2 kg. Da man auch die Zeit des Schattens durchläuft nehme ich mal 18 kg. Das muss man in einem Druckgastank speichern. Da das Triebwerk mit maximal 8 Bar arbeitet muss der Tankdruck höher sein, typisch 10 Bar. Man kann aber den Treibstoff nicht vollständig nutzen, da der Druck bis auf 4 Bar am Triebwerk abfallen kann. Ein Tank in der richtigen Größenordnung von EADS/Airbus hat einen Betriebsdruck von 19,5 Bar. Nimmt man mindestens 5 Bar Druck an, damit das Triebwerk mindestens 4 Bar Brennkammerdruck hat, dann nimmt er 2,52 kg Wasserstoff auf von denen 1,88 kg nutzbar sind, das entspricht 16,9 kg Wasser (nutzbar) bzw 22,7 kg (gesamt)
Dafür braucht man einen 3 m³ fassenden Tank. Bei höherem Tankdruck einen entsprechend kleineren. Ein höherer Tankdruck wäre wünschenswert, da das Triebwerk mit minimal 4 bar arbeitet. Je höher der Startdruck ist desto höher der Anteil des Treibstoffs der verbraucht wird.
Man kann leicht ausrechnen dass man so rund 76 Zündungen braucht um vom GTO in den GEO zu gelangen. Das korrespondiert mit 76 Umläufen die anfangs 10 Stunden dauern. Später steigt die Umlaufdauer, doch begrenzt durch das Tankvolumen kann man maximal das Gas für 10 Stunden Elektrolyse zwischenspeichern. Trotzdem dauert das heraufspiralen nicht lange, bei 17 Stunden für einen Umlauf im Mittel maximal 54 Tage. Das ist der wesentliche Vorteil gegenüber elektrischen Triebwerken – es geht viel schneller.
Für die spätere Lagereglung mit kleineren Impulsen braucht man naturgemäß einen kleineren Tank. Dazu braucht man auch ein zweites Triebwerk. Auch an dem 300 N Triebwerk wäre eine Modifikation nötig: eine elektrische Zündung, da es bisher chemisch gezündet wird (maximal viermal). Ideal wäre auch ein Arbeiten mit dem stöchiometrischen Mischungsverhältnis. Derzeit arbeitet es mit 5,5 zu 1 (LOX/LH2) Bei 5,5 anstatt 8 zu 1 kann man von 1 Kilo Treibstoff 277 g nicht genutzt werden, was den Treibstoffspareffekt auf nahezu Null bringt.
Einfach gestaltet sich auch das Managen des Treibstoffs: weder verdampft Wasser schon bei 28°C wie NTO noch bei 87°C wie MMH. Man braucht auch nur einen Tank anstatt zwei. Nur wenn man das Triebwerk betreibt stehen die Tanks kurzzeitig unter Druck. Um vor allem das Diffundieren des Wasserstoffs der nach de, Betrieb des Triebwerks zu verhindern ist es ratsam den nicht umgesetzten Treibstoff wieder zu Wasser zu verbrennen und in den Wassertank zurückzuführen.
Ordnet man das System zwischen konventionellem chemischen Triebwerk und Ionentriebwerk ein, so liegt es bei der Masse ziemlich genau dazwischen. Die „All Electric“ Satellites sollen gerüchteweise die halbe Startmasse der mit chemischen Treibstoff gefüllten Pendants aufweisen. Das wären bei dem Astra 2F als Vorlage 3000 kg. Hier reden wir von rund 4400 bis 4900 kg. Dasselbe gilt für die Dauer um einen endgültigen Orbit zu erreichen. Das dauert beim chemischen Antrieb einige Tage bis Wochen, bei Wasserstoff/Sauerstoff in 11 Wochen und bei Ionenantrieben reden wir von mehr als 6 Monaten. Genauso ist es bei der technischen Komplexität. Man braucht im Prinzip gegenüber dem klassischen chemischen Antrieb nur eine Elektrolyseeinheit und eine Brennstoffzelle zum zurückgewinnen des Treibstoffs. Ein All-elekctric Satellit hat dagegen einen komplett anderen Antrieb, der eine Hochspannungsversorgung, Xenons-Druckgastanks und sehr viel Strom braucht.
Warum macht man es nicht einfach? Nun weil wenn man schon Wasser hat man auch ein Ionentriebwerk mit Wasser betreiben kann. Das geht nicht mit den elektrostatischen Ionentriebwerken die heute favorisiert werden, aber es geht mit Plasmatriebwerken, die Russland früher einsetzte. Bei denen wird Wasser mit einem Plasma auf hohe Temperatur erhitzt und entsprechend der Temperatur hat es eine hohe Geschwindigkeit. Diese Antriebe sind allerdings den elektrostatischen unterlegen. Der Wirkungsgrad ist niedriger und die Ausströmgeschwindigkeit ebenfalls. Das letztere wäre aber gar nicht mal so schlecht, denn bei Ionentriebwerken sind Schub und Ausströmgeschwindigkeit gekoppelt. Hat man also eine geringere Ausströngeschwindigkeit, so ist der Schub höher, sprich man passiert schneller den Van Allen Gürtel und erreicht die endgültige Bahn schneller. Bei einer Branche in der jeder Monat in der der Satellit nicht senden kann, Verluste im Bereich von 2-3 Millionen Dollar bedeutet ist dieser Aspekt nicht von der Hand zu weisen, so könnte es vielleicht interessant sein Wasser als Treibstoff zu nutzen – allerdings für Ionentriebwerke und nicht für chemische Triebwerke.
Gute Idee 🙂
Ein Ärgernis ist sicher, dass Wasser einfriert, wenn es zu kalt wird, und sich dabei auch noch ausdehnt. Man muss also sehr akribisch auf die Mindesttemperatur des Satelliten achten. Das vorkompliziert die Missionsführung.
Hauptproblem dürfte aber sein, dass die meisten mir bekannten Elektrolysatoren die Schwerkraft zur Trennung von Edukt (Wasser) und den beiden Produkten (Wasserstoff / Sauerstoff) nutzen. An der mangelt es im freien Fall im Satelliten. Gut, mit einer nur für H -Ionen durchdringbaren Membran (wie sie auch in vielen Akkus, Batterien und Brennstoffzellen steckt) kriegt man Wasserstoff und Sauerstoff auseinandergehalten. Aber Wasser und Wasserstoff bzw. Wasser und Sauerstoff in der Schwerelosigkeit voneinander zu trennen, könnte schwierig werden.
Satellit in Rotation versetzen und die Elektrolyse so platzieren, dass sie von der Fliehkraft profitiert.