Ich will mich heute mal mit einem Thema beschäftigen, das ich von den Computern kenne, aber das man bei vielen Produkten findet – dem Gegensatz der offenen und geschlossenen Architektur. Eine offene Architektur bedeutet, dass ich von einem Produkt möglichst viel offen lege. Das können sehr unterschiedliche Schritte sein. Ich kann in der Tat wichtige Dinge veröffentlichen und dokumentieren. Bei einem Computer z.b. Schaltpläne oder kommentiere Listings der Systemsoftware. Es kann auch nur sein, dass ich mich allgemeiner Standards bediene, anstatt was eigenes zu entwickeln. Klarer abzugrenzen ist meistens das Gegenteil: eine geschlossene Architektur soll es einem Mitbewerber erschweren, das Produkt nachzubauen oder auch nur an dem Produkt zu partizipieren. Das geschieht primär durch Rechtsschutz. Das bedeutet, wenn ich etwas erfunden habe, sei es auch noch so unbedeutend, so patentiere ich dies. Damit darf es ein Konkurrent nicht einsetzen oder wenn er es möchte, kann ich durch Lizenzen verdienen. Ich kann auch das Aussehen (Design) und die Marke schützen (Symbole, Markenschutz, Logos). Das ist vor allem wichtig, wenn das Produkt selbst vom Anwender gar nicht wahrgenommen wird oder nur ein Bauteil ist. Das bekannteste Beispiel ist das Intel ab der fünften Generation seiner x86 Prozessoren diesen Namen gab, weil die vorher benutzte Nummer nicht schützenswert war. Die meisten Anwender kaufen aber keine Prozessoren und wissen nicht mal wie einer aussieht, sondern fertige Computer.
Wenn ich kein technisch anspruchsvolles Produkt habe, das man leicht nachbauen kann und in dem man wenig patentieren kann, kann ich versuchen durch eigene Standards mich abzusetzen. Das können eigene Schnittstellen sein. Ich kann mich noch daran erinnern, das vor einigen Jahren so ziemlich jedes Handy einen eigenen USB-Anschluss hatte. Der Anschluss an den Computer war überall gleich, doch das Kabel zum Handy hatte jeweils eine etwas andere Mikro-USB Buchse. Auch bei Netzteilen gibt es etliche Spezialanschlüsse die alle nicht auf ein anderes Gerät passen. So verdient man am Zubehör (Kabel, Netzteil) Man kann Teile eingießen oder Gehäuse so gestalten, dass man es nicht zerstörungsfrei öffnen kann. Damit kann man zumindest den Reperaturmarkt verkleinern. Doch das geht mehr in Richtung Obsoleszenz. Eigene Anschlüsse bedeuten, das Hersteller die Zubehör fertigen wollen, zig verschiedene Versionen für unterschiedliche Hersteller oder sogar verschiedene Modelle eines Herstellers fertigen müssen. Das treibt seltsame Blüten. So habe ich zwei nicht mehr benutzbare Kärcher-Hochdruckreiniger und einen noch in Benutzung stehenden ALDI Hochdruckreiniger. Bei den Kärchern gingen Pistole oder Hochdruckschlauch kaputt. Obwohl der ALDI Reiniger auch von Kärcher gefertigt wird, passen Schlauch und Pistole nicht auf den Kärcher und da es zwei unterschiedliche Modelle sind kann man auch nicht die noch benutzbare Pistole mit dem noch benutzten Hochdruckschlauch des zweiten Modells kombinieren.
Je leichter nachbaubar ein Gerät ist und je umkämpfter der Markt, desto größerer Aufwand wird oft für geschlossene Architekturen gemacht. Seit bei Tintenstrahldruckern wurde der Preiskampf so stark, das Hersteller begannen ihre Drucker nicht kostendeckend auf den Markt zu bringen. Stattdessen sollte der Kunde die Tinte teuer bezahlen. Das Konzept ist nicht neu: schon Rockefeller verschenkte Öllampen, und verkaufte das Petroleum, das man zur Befüllung brauchte. Dann muss man aber dafür sogen, das Fremdanbieter, die bei ihrer Tinte nicht auch noch das Gerät finanzieren müssen, diese nicht billiger anbieten. Das ging dadurch, dass man Patronen schützte, was dann dazu führte das das Innenleben unnötig komplex war und man dieses patentierte. Oder man verhindert durch Hardware die Benutzung anderer Patronen (ID-Chips oder sogar Seitenzähler in Chips, damit man auch die Originalpatronen nicht nachbefüllen kann).
Nach dieser allgemeinen Erklärung nun noch speziell auf den Computermarkt. Von der Logik her wären offene Architekturen für Alle ideal. Offene Architekturen erlauben Konkurrenz und daher niedrige Preise, sie sind zugleich offene Standards und erlauben so selbst, wenn es nur einen Hersteller gibt, das viele andere Firmen Zubehöre oder Software herstellen können und so der Anwender einen höheren Nutzen hat. Das wiederum bedeutet mehr verkaufte Geräte weil der Computer für mehr potentielle Kunden nützlich ist und nützt so dem Hersteller. Aus Eigennutz findet man häufig geschlossene Architekturen. Die Tendenz zu geschlossenen Architekturen ist um so ausgeprägter je größer die Marktmacht einer Fima ist. Ein Newcomer ist eher bereit eine offene Architektur einzugehen. Das hängt prinzipiell am Markt nicht an der Firma. So hatte IBM Ende der Siebziger bei den Großrechnern die Marktführung mit über 50% Marktanteil und betrieb geschlossene Architekturen um Nachbauten (wie von Amdahl) zu erschweren. Als die Firma dagegen in dem Markt der Heimcomputer Fuss fassen wollte, war ihr Produkt, der IBM PC ein Vertreter der offenen Architektur, denn hier war sie hier neu.
Die meisten Firmen erkennen nicht die Vorteile einer offenen Architektur. Auch dafür will ich zwei Beispiele anführen. Der allererste PC war der Altair 8800. Sein Bus mit 100 Pins wurde, weil er der erste PC war, ein Standard. Dabei hatte Ed Roberts als Erfinder gar nicht vor einen Standard zu setzen. Er nahm einfach Stecker mit 100 Pins weil diese am preisgünstigsten waren. 14 Pins waren nicht mal belegt. Der Rechner wurde als Bausatz verkauft und entsprechend dokumentiert. Das ermöglichte es anderen Firmen Steckkarten dafür anzubieten und später gab es auch Nachbauten des Computers, z.b. von IMSAI. Roberts sah die Hersteller von Zusatzkarten und erst recht die Nachbauten als „Schmarotzer“ und „Parasiten“. Konsequenterweise blieb die Firma einem Normierungsgremium fern, denn manche Hersteller hatten eine andere Pinbelegung oder nutzen die unbelegten 14 Pins. Der Altair 8800 wäre aber nicht so erfolgreich geworden hätte es diese Parasiten und Schmarotzer nicht gegeben. So konnte MITS, der Hersteller lange Zeit keine funktionierenden Speichererweiterungen produzieren. Die in einer Garage gegründete Firma „Processor Technologies“ entwickelte innerhalb kürzester Zeit eine Karte und behob so den Mangel. MITS hatte auch so genug Probleme überhaupt die Bestellungen abzuarbeiten.
Beim Apple 2 hatten Steve Jobs und Macula dagegen alles richtig gemacht: sie wollten einen Computer, den man nicht einfach kopieren kann, Dazu meldeten sie für einige Hardwaredetails Patente an. Legal gab es auch nur einen Lizenznachbau den ITT 2020. Das hielt Firmen, vor allem in Taiwan, die mit dem Festlandschina wohl teilen, das sie so etwas wie Urheberrecht nicht kennen, nicht davon ab Clones zu bauen. Der Rest des Rechners war jedoch offen: Der Computer enthielt acht Steckplätze, deren Belegung wurde offengelegt, ebenso das System wie das Betriebssystem Software auf Karten auf diesen Plätzen ansprach. Die Anschlüsse waren soweit es ging Industriestandards entnommen, z.B. war de Druckerport ein Centronics Stecker. Commodore setzte zur gleichen Zeit z.b. nur firmeneigene Buse ein. Als folge gab es für den Apple II enorm viele Zusatzkarten, viel mehr als die Firma selbst entwickeln konnte. Viele erweiterten die Fähigkeiten des Rechners enorm. Man konnte so die Ausgabe von 40 auf 80 Zeichen erweitern (Vorrausetzung für Textverarbeitung), man konnte den Speicher erweitern und sogar den Prozessor um einen Z80 erweitern und aus dem Rechner einen CP/M Rechner machen. 1980 machte Microsoft mehr Umsatz mit einer Z80 Karte für den Apple II als mit der Software die sie als Kerngeschäft herstellte.
Erstaunlicherweise hat Steve Jobs nicht den Vorteil erkannt, denn der nächste Rechner von Apple, der Mac war ein Paradebeispiel für eine geschlossene Architektur. Nicht nur war er nicht in dem Maße dokumentiert. Er war auch geschützt und verwendete nur firmeninterne Standards. Damit aber niemand auch nicht durch Reengineering daran profitieren konnte (darunter versteht man das Untersuchen eines Gerätes und Feststellen der Funktion einzelner Bestandteile, wenn es nicht dokumentiert ist) gab es nichts zu erweitern – es gab keine Steckplätze, nur vier Anschlüsse allesamt mit proprietären Anschlüssen für Drucker, Modem, Floppy Keyboard und Maus. um Geld zu sparen verwandten sie zwar die 9-poligen Stecker wie sie damals für serielle Schnittstellen üblich waren, die Protokolle für en Datenaustausch waren aber selbst programmiert und eine andere Maus konnte so z.B. nicht angeschlossen werden.
Der Mac wurde zum Fiasko, nicht nur wegen der geschlossenen Architektur, sondern auch weil er relativ teuer war. Aber auch wegen der geschlossenen Architektur – es gab kein Zubehör für den Rechner, mangels Steckplätze konnte man ihn auch kaum erweitern. Es gab auch kaum Software, (um für einen Mac zu programmieren, musste man eine viermal teurere LISA erwerben) was die Chancen auf dem Markt noch weiter einschränkte. Bis heute ist Apple der geschlossenen Architektur treu geblieben, ein Apple Nutzer ist in einer geschlossenen Apple Welt gefangen – Music und Bücher gibt es von iTunes, Anwendungen für bestimmte Geräte nur vom Appstore. Letztes wurde von anderen Herstellern wie Google oder Microsoft sogar kopiert. Offen isst Apple eigentlich nur wenn es dazu dient den Marktanteil zu erhöhen, so kann man Windows auf einem Apple Mac installieren – wenn er gekauft ist dann ja schon mit Betriebssystem, mehr gibt es also am Gerät nicht mehr zu verdienen, dagegen steigt der Nutzen für den Käufer.
Wie das Beispiel Apple zeigt, hat Markterfolg auch prinzipiell nichts mit offener/geschlossener Architektur zu tun, denn die Firma ist trotz dieses Kurses erfolgreich, weil die Produkte offensichtlich den Publikumsgeschmack treffen. Auf der anderen Seite war Brother der Hersteller von Tintenstrahldruckern der am längsten an „kopierbaren“ Patronen festhielt – trotzdem hat das den Marktanteil von Brother nicht erhöht, weil die Druckqualität den Marktführern nachhinkte.