Nachdem sie nun gestern gestartet sind, die ersten dieser Exemplare, will ich heute mal zusammenfassen was man über sie weiß. Es ist leider immer noch sehr wenig. Aber beginnen wir zuerst mal mit den Grundlagen. (Eigentlich steht ja alles in der Webseite, aber die Leute sind ja meist zu Faul die Suchfunktion zu benutzen….)
Bei einem „normalen“ Kommunikationssatelliten transportiert die Trägerrakete den Satelliten in einen Übergangsorbit, idealerweise mit einem sehr niedrigen erdnahen Punkt (etwa 200 km Höhe) und dem Zielpunkt in 36000 km Höhe. Dort angekommen, zündet der Satellit mehrmals beim Durchlaufen des Apogäums den Antrieb um zu Beschleunigen (Das Perigäum anzuheben) und die anfängliche Neigung der Bahn zum Äquator abzubauen. Dafür benötigt er mindestens 1500 m/s, wenn er eine Bahn mit dem Breitengrad des Äquators als Anfangsbahn hat, beim Breitengrad von Cape Canaveral sind es schon 1800-1900 m/s und bei Baikonur 2600 m/s. Man kann von dem Standard-GTO abweichen um diesen Geschwindigkeitsbedarf zu erniedrigen, so auch bei diesem Start der in einen supersynchronen GTO mit einem Apogäum in 63000 km Höhe führt. Dabei braucht die Trägerrakete mehr Treibstoff, der Satellit später weniger.
Danach benötigt der Satellit noch Treibstoff um die Lage zu regeln, vor allem aber seine Bahn und die Position relativ zur Erdoberfläche aufrecht zu erhalten. Das sind zwar nur 40 bis 50 m/s pro Jahr, aber über 15 Jahre Lebensdauer ist dass dann auch fast der halbe Geschwindigkeitsbedarf den man braucht um den Orbit zu erreichen. Rechnet man beides zusammen, so braucht man mindestens die halbe Startmasse nur als Treibstoff, einige Satelliten bestehen sogar zu fast zwei Drittel als Treibstoff. Da man nicht nur den Treibstoff braucht, sondern er auch in Tanks steckt, vor allem man aber noch genügend Druckgas braucht das die großen Tanks auch zu Missionsende auf einen Mindestdruck von einigen Bar zu setzen, braucht man dann noch eine relativ schwere Helium-Hochdruckflasche. Man kann rechnen, dass zu der Treibstoffmasse noch ein Fünftel bis ein Sechstel der Treibstoffmasse als Trockenmasse hinzukommt, das bedeutet: Von 3 t Startmasse entfallen bei einem typischen Satelliten 2 t nur auf das Antriebssystem, die restliche Tonne ist dann die eigentliche „Nutzlast“.
Es ist aus diesen Fakten klar, dass man durch das Einsparen von Treibstoff viel Gewicht einsparen kann. Ionentriebwerke haben typischerweise den zehnfachen spezifischen Impuls, was in diesem Geschwindigkeitsbereich grob geschätzt mit einer Reduktion der Treibstoffmasse auf ein Zehntel einhergeht. Dafür sind die Triebwerke schwerer, das Arbeitsmedium Xenon ist ein Gas und braucht eine Druckgasflasche die auch mehr wiegt als die Tanks. Zuletzt muss man die Energie die in den Abgasen steckt erst mal erzeugen, braucht also eine leistungsfähige Stromversorgung. Trotzdem müssen die Triebwerke sehr lange arbeiten, das zeigen schon die Leistungsdaten. Das Airbus Triebwerk RIT-10 hat einen Strombedarf von 4,5 KW liefert aber nur 0,15 N Schub. Chemische Lageregelungstriebwerke haben typisch 10 – 22 N Schub, Antriebe sogar 400-500 N. Das bedeutet: um den Antriebsmotor zu ersetzen, muss das Triebwerk mehrere Tausendmal Mal länger arbeiten. So kommt man auf die langen Betriebszeiten von mehreren Monaten.
Soweit die Grundlagen. Nun zum konkreten. Als Gefahr wird immer der Van Allen Gürtel angeführt, der bei jedem Umlauf zweimal durchquert wird. Er soll Solarzellen schädigen und die Elektronik auch. Der im Übergangsorbit gestrandete Satellit Hipparcos arbeitete 5 Jahre lang in diesem Orbit bis er durch elektronische Defekte ausfiel – das ist etwa zehnmal länger als die Betriebszeit der All-Electric Satellites, die noch dazu sich ja laufend höher spiralen, also nur einen Teil der Betriebsdauer in einem Orbit sind in dem sie die Gürtel durchqueren. Das Solarzellen geschädigt werden ist auch klar, allerdings brauchen diese Satelliten sowieso mehr Strom als normale, will man nicht zu lange warten bis sie ihre Endposition erreicht haben. Die Überschussleistung braucht man danach nicht mehr oder nur kurz für kurze Positionsänderungen. So kann man sie einkalkulieren und die Solarpanele vergrößern.
Die Überschussleistung kann man auch nutzen um den natürlichen Leistungsverlust im Orbit zu kompensieren, der auch später noch gegeben ist. Des weiteren ist es natürlich einfacher so die Lebensdauer zu verlängern, da nach dem Erreichen des Orbits man deutlich weniger Strom für die Ionentriebwerke braucht und der zusätzliche Gewichtsaufwand an Treibstoff nicht ins Gewicht fällt.
Nun zu dem was man weiß. Das erste was auffällt ist die Startmethode. Die beiden Satelliten wurden vom Hersteller miteinander verbunden, das ist sehr ungewöhnlich. Soweit ich weiß gab es zuvor nur einen Proton Start mit direkt verbundenen Kommunikationssatelliten und nach den Angaben von Arianespace wollen die meisten Kunden nicht ihre Satelliten auf anderen direkt verschraubt haben. Hier war es der Schlüssel das man überhaupt zwei Satelliten starten konnte, denn trotz Gewichtsreduktion wäre ein Start mit einer Doppelstartstruktur nicht möglich gewesen. Zum einen hat SpaceX keine verfügbar, zum anderen liegen die beiden Satelliten mit einer kombinierten Masse von 4196 kg Da wären sie mit einer Dopelstartvorrichtung in einem anderen, deutlich niedrigeren Orbit angekommen. Nur durch den Doppelstart waren die „All electric Satelliten“ überhaupt attraktiv. Denn beim Einzelstart hätte man auch einen normalen Satelliten Starten können: Die Satelliten würden mit chemischen Treibstoff 8000 Pfund rund 3630 kg wiegen, und das ist eine typische Falcon 9 Einzelstartnutzlast. Es ging, weil beide vom selben Hersteller, Boeing stammten und sogar denselben Bus einsetzen.
Die 2200 und 2000 kg schweren Satelliten werden sechs und acht Monate brauchen, um ihre endgültige Position zu erreichen. Der schwerere Satellit braucht länger, er hat auch weniger Transponder (46 zu 48). Bei 2000 kg Gewicht, einer Geschwindigkeitsänderung um 2000 m/s braucht man einen Gesamtimpuls von rund 4 Millionen Newton (man kann die Gewichtsabnahme durch den verbrauchten Treibstoff vernachlässigen, auch weil die Geschwindigkeitsänderung nur eine Schätzung ist, denn klassische Hohmann Transfers liegen nicht mehr vor). Die XIPS Antriebe haben 4.500 Watt Leistung, einen Schub von 165 mN und einen spezifischen Impuls von 3500 s. Mehr als zwei wird man nicht betreiben können, um den Impuls aufbringen zu können würde man also 12,1 Millionen Sekunden Betriebszeit akkumulieren, rund 3367 Stunden oder 4,7 Monate. Die Differenz zu den 6 Monaten liegt an den Zeiten in denen die Solarpaneele nicht beschienen werden und Orbitteilen in denen ein Betrieb der Triebwerke nicht ratsam ist um den Orbit nicht weiter anzuheben.
Der große Gewinn ist bei diesen ersten Exemplaren aber nicht die eingesparten Startkosten – sie machen typisch nur 25 bis 33% der Projektkosten aus, bei dem Falcon 9 Start vielleicht sogar noch weniger. Es ist die durch den Treibstoff ermöglichte längere Lebensdauer. Anstatt 12 bis 15 Jahren wie sonst bei Kommunikationssatelliten üblich werden die Satelliten 22 Jahre arbeiten. Bei 46 bzw. $8 Transpondern die beim ABS 1,75 Millionen Dollar pro Stück und Jahr einbringen ist das viel Geld, denn man kann ananehmen das der Satellit wie andere auch nach 12 bis 15 Jahren abgeschrieben ist.
Es ist allerdings nur der erste Schritt. Viel sinnvoller wäre es die Satelliten gleich in einem hohen Orbit (>500 km) auszusetzen und gar nicht erst in einem GTO. Der Nutzen ist offensichtlich, denn in einen solchen Orbit sollte die Falcon 9 rund 10 bis 11 t anstatt 4 t transportieren können. Als Preis dürfte sich die Dauer im Zwischenorbit nochmals um den Faktor 2,5 erhöhen also auf über ein Jahr, wenn man nicht die Stromversorgung ausbaut. Das zeigt das es nur der Anfang sein kann. Derzeit sind es normale Satelliten mit einem anderen Antrieb. Will man es effizient machen, so muss man die Stromversorgung ausbauen um die Reisezeit zu reduzieren. Als zusatznutzen hat man dann auch im Orbit mehr Leistung die man für mehr oder stärkere Transponder nutzen kann. Richtige „All-Electric“ Satelliten die vom LEO in den GEO in wenigen Monaten transferiert werden, werden drei bis viermal mehr Strom als heutige Satelliten haben – und damit kann man kleinere Endgeräte versorgen. Angesichts der Plänen für erdnahe Konstellationen denke ich werden die Betreiber von geostationären diesen nicht kampflos das Feld überlassen und mit der hohen Sendeleistung wäre so auch mobiles Internet möglich, wie es Oneweb und Co im niedrigen Orbit versprechen.