Kürzlich sah ich die Reportage „Die Frontfrau“ in der ein Fernsehteam Ursula von der Leyen begleitet hat und da kam sie auch im Interview zu Wort. Es ging um die neue Rolle der Bundeswehr. Von der Leyen will nach eigenen Aussagen einen Mittelweg zwischen der alten Haltung „Nur Landesverteidigung“ und den neuen „Aufgaben im internationalen Bereich“, kurzum Krisen- und Auslandseinsätzen. Glauben kann ich ihr aber nicht, denn die erste Position sagte sie, wäre nicht vereinbar mit einer Mitgliedschaft in der UN, der NATO und dem europäischen Verteidigungsbündnis. Dann ist sie also nicht neutral und sucht wohl auch nicht nach einem Mittelweg. Vor allem aber stimmt die Aussage nicht: die BRD war schon in der NATO und UN als die Bundeswehr nur die Aufgabe der Landesverteidigung hatte. „Europäisches Verteidigungsbündnis“ klingt auch eher nach Verteidigung (wohl mit Auslandseinsätzen, aber sicher nicht im Hindukusch sondern in Europa). Zudem ist auch Japan mit einer reinen Landesverteidigungsarmee Mitglied der UNO. Wie immer wenn mich ein Politiker offensichtlich anlügt schaltet mein Hirn dann auf Durchzug bei den weiteren Aussagen.
Aber befassen wir uns mal mit der Frage. Ich muss sagen, ich bin mit einer reinen Landesverteidigungsarmee aufgewachsen und fand das nicht schlecht. Aber natürlich ist die Zeit eine andere. Wenn es vor dem Ende des kalten Kriegs Konflikte außerhalb der beiden großen Pakte NATO und Warschauer Pakt gab, dann wurden sie oft von der einen oder anderen Seite unterstützt und Stellvertreterkriege. Da machte die Beschränkung auf reine Landesverteidigung Sinn.
Nun haben sich die Zeiten geändert. Staaten zerfallen und sind im Bürgerkrieg, islamistische Organisationen heizen diese an oder beginnen Kriege. Ethische und religiöse Konflikte gibt es überall auf der Welt. Die vergangenen Jahren haben aber auch gezeigt, das wenn internationale Streitkräfte versuchen diese Konflikte zu entschärfen, sie entweder machtlos sind oder es eben keine Befriedung gibt. So gesehen bleibe ich bei meiner Meinung: reine Landesverteidigung wäre ausreichend.
Aber betrachten wir beide Positionen mal aus einem anderen Blickwinkel: wie gut ist die Bundeswehr für beide Aufgaben gerüstet? Die alte Bundeswehr hatte eine Ausrüstung die weitgehend auf die Situation passte. Man erwartete einen Angriff der UdSSR und verbündeten Staaten vom Boden der DDR/CSSR aus und um diesen aufzuhalten hatte man eine starke Panzerarmee (4500 Leopard II), Jagdflugzeuge, Jagdbomber, Hubschrauber zur Panzerbekämpfung und Korvetten und Fregatten zur Sicherung der Hoheitsgrenzen. U-Boote sollten größere Schiffe angreifen, wobei die Marine nie besonders stark war, schließlich kam wenn die Bedrohung aus dem Osten kam sie aus der Ostsee, das ist kein weites Meer und Flugzeuge sind hier nützlicher als viele Schiffe und wenn eine Konfrontation mitten auf dem Atlantik drehte war das wohl kaum noch Landesverteidigung.
Welche Anforderungen hat eine Armee, die überall auf der Welt in Bürgerkriege eingreifen soll oder es mit bewaffneten Milizen oder Piraten zu tun hat? Nun fangen wir mit der Marine an. Da wir es nicht mit anderen Kriegsschiffen zu tun haben sondern Piraten auf schnellen Booten braucht man andere Ausrüstung. U-Boote sind da völlig nutzlos, trotzdem hat man erst vor wenigen Jahren begonnen, eine neue Klasse in Dienst zu stellen. Die Korvetten als kleinste hochseetaugliche Schiffe die nun am Horn von Afrika im Einsatz sind, haben vor allem eine Rolle: sie haben Hubschrauber an Bord die schnell bei einem Notruf reagieren können. So gesehen wäre unsrer Marine mit einem reinen Hubschrauberträger eher besser gedient, dann könnten ständig einige Hubschrauber ein großes Gebiet abfliegen und so vielleicht für mehr Sicherheit sorgen. Flug- oder nur Hubschrauberträger hatten wir nie, weil man diese normalerweise zur Unterstützung von Operationen zu Land oder beim Seekrieg mitten im Ozean braucht und das war ja keine Landesverteidigung. Statt der Fregatten und Korvetten sollte man dann vielleicht für die Sicherung der Schifahrtswege kleinere Schiffe entwerfen, großer als ein Schnellboot und Hochseetauglich. Also die Marine ist nicht besonders gut auf die „neuen“ Aufgaben eingestellt. Wobei ich ehrlich gesagt auch wenig Sinn darin sehre wie das derzeit läuft: Da Piraten kein Militär sind muss die Marine sich wie die Polizei verhalten: die Piraten festnehmen an die regionale Polizei übergeben und da sind sie dann bald wieder frei.
Die Luftwaffe hat es bei den Bürgerkriegen meistens nicht mit Gegnern zu tun, die eine eigene Luftwaffe haben, wohl aber Luftverteidigung vom Boden aus. Reine Jagdflugzeuge nützen da wenig, weshalb man beim Eurofighter, der ja mal „Jäger 90“ hieß, das Flugzeug als Jagdbomber umkonzipierte. Noch sinnvoller wäre wohl ein reines Flugzeug zur Erdbekämpfung wie der Tornado oder noch besser die amerikanische A-10. Dazu natürlich auch Hubschrauber. Diese sind wegen des begrenzten Einsatzradius nützlich, wenn man im Land ist, Flugzeuge dagegen eher für die Luftangriffe von Nachbarstaaten aus. Beide Kategorien könnten langfristig wohl durch Kampfdrohnen ersetzt werden. Als deren Nachteil wird ja immer angeführt das der Mensch nicht die Szene sieht, doch dem Argument kann ich nicht folgen. Wenn jemand mit 800 km/h in einem Eurofighter die Szene überfliegt wird er genauso wenig Details am Boden sehen, eher weniger und der medienwirksame Angriff auf Journalisten im Irak die angeblich Kalaschnikows trugen (in Wirklichkeit ein Stativ) fand ja auch von einem Hubschrauber aus statt und die Besatzung verlies sich auf die vergrößernde Fernsehkamera im Helikopter. Daneben hat die Luftwaffe die Aufgabe Equipment zu transportieren. Dies ist viel wichtiger geworden, als wie bei der Landesverteidigung, wo man ein ausgebautes Straßen- und Schienennetz hat und keine Front weiter als 400 km von der Grenze zu Frankreich entfernt ist. Die neuen A-400 sind dafür nicht die Lösung die ich favorisiert hätte. Er ist gedacht für provisorische Pisten, aber ohne Raketenabwehrsystem kann er nicht in Kampfgebiete fliegen. Wenn ich aber nur Ausrüstung zu dem nächsten regulären Flugplatz transportieren will, mehr kann der A.400 ja derzeit auch nicht leisten, dann wäre eine umgebaute Mittel- oder Langstreckenmaschine besser geeignet. Eine A-350 hat die doppelte Nutzlast und doppelte Reichweite.
Das Heer hat am stärksten abgerüstet. So die Zahl der Panzer von 4500 auf 220, (nun sollen nach von der Leyen weitere aktiviert werden, dafür hat Griechenland 1.800 Panzer bei einem Achtel der Einwohnerzahl der BRD). Sicher nützen Kampfpanzer recht wenig, wenn man es mit Milizen ohne eigene starke Bewaffnung zu tun hat. Wenn der Gegner Panzer hat so sind diese heute einfache Ziele bei Luftangriffen, das zeigten die beiden Golfkriege mit US-Beteiligung aber auch die Luftschläge gegen Libyen. Dafür muss man mit dem Beschuss rechnen sobald man das Lager verlassen hat oder mit Sprengstoffanschlägen. Die Front ist nicht irgendwo im Land zu der man mit Lastwagen fahren kann, sie ist überall. Die Armee braucht daher mehr gepanzerte, schnelle Fahrzeuge wie Schützenpanzer, gepanzerte Mannschaftstransporter. Da hat die Bundeswehr einige bestellt, aber zu wenig zu sie kommen zu langsam und es sind zu wenige. Eher nützlich als Kampfpanzer sind dagegen mobile Artillerie. Sie können durchaus die Kampfpanzer ersetzen: Eine Einheit sieht einen Feind und die Artillerie kann aus sicherer Distanz das Feuer eröffnen. Heute ist sie treffgenau genug und die Reichweite auch sehr hoch. In Afghanistan brachte die Verlagerung von Panzerhaubitzen 2000 mehr Sicherheit um die Lager – aber eben nur dort wo sie stationiert waren. Artillerie kann schneller reagieren als Flugzeuge und ist zudem billiger.
Dann wäre noch die Struktur der Armee zu nennen. Wir haben heute eine Armee mit einem Fünftel der Stärke von Bundeswehr und Volksarmee zusammen, aber sie soll viel mehr Auslandseinsätze absolvieren und soll mobiler sein. Ich weiß nicht ob die heutige, geringe, Mannschaftsstärke ausreicht, aber bei einer Freiwilligenarmee hat man zumindest ein Motivationsproblem: Warum soll ich ei der Bundeswehr für wenig Geld das Risiko eingehen verwundet oder getötet zu werden, wenn es auch andere bessere bezahlte Arbeiten gibt? Die USA lösen das Problem indem sie vorwiegend in Armenviertel rekrutieren. In einem Land ohne soziale Absicherung und wo Studieren Geld kostet, ist ein sicherer Job oder die Übernahme der kosten eines Studiums wenn man sich zu x Jahren Militärdienst verpflichtet ein Anreiz. Bei uns wäre es wohl nur eine risikogerechte Bezahlung und nicht ein „familienfreundliches Unternehmen“. (Wie bitte soll ein Auslandseinsatz familienfreundlich ein? Rückflug zum Wochenende?). Eventuell sollte man auch differenzieren zwischen „Heimatarmee“ und „mobilem Kommando“. In letztem wird besser bezahlt und jeder der dort ist weiß das er zu einem Auslandseinsatz abkommandiert werden kann und ein entsprechendes Risiko eingeht. So was gibt es ja auch bei der Polizei mit GSG-9, SEK und MEK.
Daneben, das zeigten die letzten Monate, hat die Bundeswehr ganz andere Probleme: sie hat Ausrüstung die nur zum Teil einsatzbereit ist, sie schließt Verträge ab die für sie unvorteilhaft sind, sie z.B. die gleiche Summe zahlen muss, egal wie viele Flugzeuge sie abnimmt (warum man dann die Bestellung trotzdem kürzt und nicht die ursprüngliche Anzahl an Flugzeugen nimmt, wenn sowieso die meisten nicht einsatzfähig sind, ist mir ein Rätsel) und es gibt Verluste weil man nicht rechtzeitig auf Fristen reagiert hat. Eine Armee die nicht mal die Beschaffung richtig hinkriegt, Dinge bestellt, die ihr nicht wirklich nützen oder die Mängel haben, sollte erst mal diese Hausaufgaben abarbeiten bevor sie überhaupt dran denkt ins Ausland aufzubrechen.