In-Situ Treibstofferzeugung auf dem Mars
Es klingt verführerisch: Man landet auf dem Mars und erzeugt den gesamten Treibstoff vor Ort. Das Konzept hat Zubrin populär gemacht und die NASA hatte auch einmal ein Experiment an Bord einer Raumsonde (MSL01) geplant, doch nachdem diese eingelagert und zu Phoenix umgebaut wurde, wurde das Experiment Mars in Situ Propellant Production gestrichen.
Die bei den meisten Vorhaben grundlegende Reaktionsgleichung ist die nach dem Sabatier-Prozess:
CO2 +4 H2 -> CH4 + 2 H2O
Den Wasserstoff kann man von der Erde zum Mars bringen (inzwischen favorisiert) oder aus dem Marswasser durch Elektrolyse bilden, wobei man auch noch Sauerstoff gewinnt. Bringt man den Wasserstoff mit, so muss man zusätzlichen Sauerstoff gewinnen, weil man aus den zwei Wassermolekülen nur ein Sauerstoffmolekül gewinnen kann. Die vollständige Verbrennung von Methan erfordert aber zwei Moleküle. (LOX/Methan Gewichtsverhältnis 4, in üblichen Raketenantrieben wird meist eines von 3,5 eingesetzt)
2 O2 + CH4 -> CO2 + 2 H2O
Es wurde vorgeschlagen, diesen Sauerstoff auf dem Kohlendioxyd zu gewinnen nach :
2 CO2 -> 2 CO + O2
Dies sollte unter anderem auch im NASA-Experiment beim 2001-er Lander durchgeführt werden. (Der zweite Zielpunkt war es Kohlendioxid aus der Marsatmosphäre zu binden und seinen Partialdruck für die Synthese um das 150-fache zu erhöhen)
Mit Kohlenmonoxid gibt es dann auch noch die Möglichkeit die Fischer-Tropsch Synthese durchzuführen:
CO + H2 -> CnHm + H2O + CO2
Den beim der Kohlenmonoxyd Spaltung entstehenden Wasserstoff kann man auch für das Lebenserhaltungssystem nutzen. Selbst wenn man den Wasserstoff von der Erde mitbringt (Wasser gibt es sicher auf dem Mars, doch nicht überall und auch nicht nahe der Oberfläche kann man bei stöchiometrischer Verbrennung aus 1 kg Wasserstoff 20 kg Treibstoff gewinnen. Selbst bei dem in Normalfall vorliegenden unterstöchiometrischen Verbrennung ist es ein Faktor 12 bis 14.
Der primäre Nachteil ist dass man erst einmal sehr viel Energie hineinstecken muss. Noch günstig sieht es beim Sabatierprozess aus. Der Sabatierprozess läuft bei Temperaturen oberhalb von 250°C ab, Kommerzielle Reaktoren arbeiten bei 400°C. Zubrins effizientestes System brauchte 4 KWh pro Kilogramm Treibstoff (Methan/Sauerstoff = 2). Das System auf der Basis von Kohlenmonoxyd (endotherme, energieverbrauchende Reaktion) sogar die zehnfache Energiemenge. Bei 500 Tagen auf dem Mars, eine typische Missionszeit kann eine Anlage mit 1 KW Leistung rund 3 t Treibstoff produzieren. Eine 6 KW Anlage müsste genügend Treibstoff produzieren um eine 6 t schwere Kapsel starten zu können.
Zubrin hatte ja den Plan Mars direkt, bei dem gibt es keine Station im Marsorbit die man nutzt für den interplanetaren Teil der Reise, sondern eine Wohnung die auf dem Mars direkt landet und direkt wieder zurückfliegt. So etwas ist dann deutlich schwerer und muss auch auf eine rund 2 km/s höhere Geschwindigkeit beschleunigt werden, was den Treibstoffbedarf ohne Problem verzehnfachen wird.
Auf der Erde klappt das alles sehr gut, die meisten Prozesse sind nicht gerade neu, etwa ein Jahrhundert oder älter. Nach Fischer-Tropsch wurde in vielen Staaten synthetisches Benzin produziert, vor allem wenn man kein Erdöl kaufen konnte (Nazideutschland, Südafrika). Der Sabatier-Prozess wurde schon vor dem ersten Weltkrieg zur Reinigung von Stadtgas (Entfernung des Kohlenmonoxids) eingesetzt. Sabatier ist der einfachere Prozess, das die Reaktion exotherm ist, das bedeutet das Gleichgewicht liegt von Natur aus auf der rechten Seite.
Es gibt jedoch einige Unterschiede zwischen dem was man heute erreicht hat und dem was eine Anlage auf dem Mars leisten muss. Auf der Erde stammt das Kohlendioxyd aus Verbrennungsvorgängen. Der Partialdruck ist entsprechend hoch. Der Druck der Marsatmosphäre ist gering. Man müsste ihn also erst mal erhöhen. Das die Marsatmosphäre neben Kohlendioxyd noch andere Gase (vor allem Stickstoff) enthält wird wohl nicht so wichtig sein. Es fehlt in jedem Fall der Sauerstoff der sonst zuerst reagieren würde. Wenn etwas Ammoniak dabei entsteht so ist das nicht schlimm, denn das kann man auch als Treibstoff nutzen.
Die Probleme liegen auf einer anderen Seite. Das erste ist der Wasserstoff. Dieser muss von der Erde auf den Mars gebracht werden. Wasserstoff verdampft leicht. Im Weltraum kann man ihn noch relativ gut vor Wärme über einen Schutzschild schützen, ähnlich wie man beim JWST und anderen Weltraumteleskopen das Teleskop kühlt und vor der Sonne schützt. Auf dem Mars wird er durch die Luft erwärmt werden. Wasserstoff hat eine geringe Dichte, sowohl als Gas wie auch als Flüssigkeit. Druckgastanks dürften aus Gewichtsgründen ausscheiden. Als Flüssigkeit ist Wasserstoff nur in einem Temperaturbereich von -253 bis -261°C, wenige Grade vom absoluten Nullpunkt entfernt, flüssig. Bisher hat man Wasserstoff in Stufen einige Stunden lang flüssig halten können. Kleinere Mengen für Brennstoffzellen auch eigne Wochen. Bis zu einer Kühlung über mindestens zwei Jahre ist es noch ein weiter Weg. Selbst der optimistische Zubrin rechnet mit einem Verdampfungsverlust von 20%.
Gekühlt werden müssen auch der erzeugte Treibstoff Methan und Sauerstoff, doch sie verdampfen bei höheren Temperaturen und haben eine höhere Dichte (entsprechend kleineres Volumen) und kleinere Oberfläche die Wärme aufnehmen kann. Das bedeutet dass man einen zusätzlichen Energiebedarf für die Kühlung und Rückverflüssigung hat.
Anstatt Treibstoff muss man daher eine leistungsfähige Stromversorgung mitführen. Sowohl auf dem Weg zum Mars wie auch zur Oberfläche. Bei dem Rückstart vom Mars nur mit einer Kapsel liegt der Treibstoffbedarf bei einer 6 t Kapsel (Apollo, Dragon liegt z.B.. schon darunter) bei etwa 18 t. Die zusätzlichen 6 KW Leistung würden als Solarpaneele etwa 400 kg wiegen (miteinkalkuliert, das auf dem Mars die Leistung geringer ist und nur tagsüber die Sonne scheint). weiterer Vorteil ist das 6 kW Leistung in etwa eine Strommenge ist die auch die Mannschaft verbraucht, das bedeutet eine leistungsfähigere Stromversorgung der Station würde ausreichen. Dazu kämen noch etwa 1,2 t Wasserstoff, die Masse der Tanks und die Rückverflüssigungsanlage. Sparen kann man so 15-16 t Masse.
Auf der anderen Seite sind 15 t Masse, die man einspart nicht viel. Die Erde verlassen bei einer typischen Mission von 600 bis 1000 t Anfangsmasse (mit Stufe um den Erdorbit zu verlassen) noch 240 bis 400 t. Ein Lander mit Rückkehrstufe ist recht kompakt und braucht nur einen kleinen Hitzeschutzschild, er landet direkt und braucht keinen Treibstoff bis zur Rückkehr. So spart man maximal 10% der Startmasse ein., Dafür setzt man bei einem kritischen System, ohne das die Besatzung auf dem Mars strandet auf ein System das man bisher noch nicht erprobt hat (man könnte es bei einer unbemannten Marsbodenprobengewinnung erproben, nur wenn diese Mission kommt, dann entfällt noch ein Punkt warum man überhaupt eine bemannte Marsexpedition machen sollte).
Anders sieht es bei dem Plan „Mars-.Direkt aus“. Wir haben eine viel größere Masse, die nicht nur in den Marsorbit gelangt, sondern zurück zur Erde. Eventuell (wenn es keine Kapsel gibt) sogar in einen Erdorbit. Dafür braucht man erheblich mehr Treibstoff zehn bis 40-mal mehr. Diese Menge kann man nur mit einem Atomreaktor erzeugen. Solarzellen wären für die benötigte Leistung viel zu groß und zu sperrig. Dann hat man das Risiko von zwei bisher in dieser Größenordnung nicht erprobten Systemen. Bisherige Reaktoren im Weltraum hatten Leistungen von maximal einige Kilowatt und waren sehr schwer und lieferten weitaus weniger Energie pro Kilogramm Masse als Solarzellen.
Prinzipiell läuft es dann auf eine Frage raus: Was ist billiger: eine komplexe Treibstoff Gewinnung auf dem Mars zu bringen und dafür Startmasse zu sparen oder mehr Starts einer Schwerlastrakete durchzuführen und daher höhere Startkosten zu haben?
Nicht untersucht, aber von meiner Warte aus am besten geeignet wäre die reine Elektrolyse von Wasser. Sie ist technisch erprobt, funktioniert in jedem Maßstab und hat einige Vorteile:
- Man braucht keinen Treibstoff zum Mars bringen
- Man hat keine Verdampfungsverluste bis man mit der Treibstoffproduktion beginnt, d.h. bei einer entsprechend leistungsfähigen Anlage kann man den Treibstoff auch in kurzer Zeit vor dem Rückflug herstellen und muss ihn nicht lange lagern.
- Wasserstoff/Sauerstoff könnten auch in Brennstoffzellen für den antrieb mobiler Geräte genutzt werden
- Der spezifische Impuls ist der höchste bekannte. Das reduziert die Treibstoffmenge.
Die Unsicherheit ist eben, dass wir bisher nicht eine Region auf dem Mars kennen wo man mit Bestimmtheit sagen kann „Da ist leicht förderbares Wasser an/knapp unter der Oberfläche“. Könnte man diese Frage klären so wäre sicher das Zünglein bei der Waage deutlich in Richtung Produktion ausgerichtet. Denn selbst wenn ich beim Sabatierprozess bleibe muss ich den Wasserstoff nicht mitführen sondern kann ihn aus Marswasser gewinnen.
Schlussendlich reduziert sich diese Frage auf eine andere – wie hoch sind die Transportkosten zum Mars? Dafür in den nächsten Tagen mehr.
@Zubrin:
Ich hab „The Case for Mars“ Mitte der 90er leidenschaftlich verschlungen.
Aber inzwischen…nun, sagen wir, dass Herr Zubrin in den vergangenen Jahren einige Publikationen verfasst hat, wo man teilweise ziemlich den Kopf schütteln muß. (Z.b. Hält er nichts vom Klimawandel und meint dass mehr Kohlendioxid in der Atmosphäre doch toll sei, da Pflanzennahrung.)
Es überrascht allerdings nicht, wenn man weiss dass Zubrin im Gegensatz zu anderen Weltraumenthusiasten eher dem rechten Flügel angehört.
Vor ein paar Jahren hab ich mal den Betreiber von Nasawatch angeschrieben (der bekanntlich mit Zubrin auf Kriegsfuss steht) ob Zubrin es in einigen Passagen von „The Case for Mars“ mit der Wahrheit nicht so ernst genommen hat. Er hat geantwortet sich aber geweigert sich über Zubrin zu äußern.
(Es mag etwas extrem klingen Zubrin der Lüge zu bezichtigen, aber teilweise frage ich mich schon ob er nicht somanche Sachen im Buch aus dem Zusammenhang gerissen hat…)
Die Prozesse laufen schon ab und Zubrin ist auch nicht der einzige der der die Treibstoffproduktion untersucht hat (der sabatierprozess wird auch auf der ISS genutzt um Kohlendioxyd zu entsorgen). Fraglich ist natürlich wie effizient sie sind.
Das bestreite ich auch nicht.
Es sind andere Passagen im Buch die laut Zubrin so klingen als ob die NASA hier „Können wir nicht, wollen wir nicht“ betreibt.
Dazu eine grundlegende Frage.
Eine Treibstofferzeugung in ferner Zukunft auf dem Mars wäre schon vom Vorteil. Nur, der Marssand (Staub) ist so extrem fein das in Verbindung mit Stürmen die ganze Anlage wird verstopft. Selbst die NASA konnte noch keine Raumanzüge herstellen die gegen den Staub resistent wären. Bei Versuchen war er selbst in den Muffen noch vorhanden, so in ener Dokumentation.
Selbst der Mondstaub machte die Raumfahrer zu schaffen, einige wurden davon krank.