Wie teuer ist ein Start?

Aus Anlass des Verlustes des mexikanischen Satelliten heute mal ein Artikel über Startkosten. Das wichtigste was gerne verwechselt wird sind die Startkosten des Trägers und die für den Kunden.

Warum sind diese unterschiedlich?

Nun zum einen gibt es da mal den Faktor Versicherung. Eine Versicherung trägt einige Risiken: Das offensichtlichste ist der Fehlstart oder inzwischen fast so häufig vorkommend: falsche, meist zu niedrige Orbits. In der Regel wird der Satellit dann als Totalverlust der Versicherung gemeldet. Manchmal kann die Versicherung den nun ihr gehörenden Satellit dann weiterverkaufen, wenn der interne Treibstoff für das Erreichen des Orbits reicht, aber die Lebensdauer reduziert ist, so kann ein solcher Deal möglich sein, z.B. wenn ein Betreiber sowieso einen Satelliten braucht weil ein Nachfolger z.B. in der Fertigung hinterherhinkt. Es gibt noch andere Risiken. So zeigen die ersten Tage meist, ob der Satellit auch funktioniert. Da gab es auch schon Überraschungen wie nicht ausgefahrene Solarzellenausleger und es gibt noch das Risiko das er beim Transfer in den Orbit verloren geht. Das kann auch noch im Orbit passieren und auch das kann man versichern.

Aber der Hauptposten ist natürlich ein Fehlstart. Die Versicherungsquoten sind daher historisch gesehen unterschiedlich hoch. Mitte der Achtziger als einige Ariane Fehlstarts und defekte PAM-Oberstufen zahlreiche Totalschäden verursachten stiegen sie auf ein Rekordhoch von 15-18% des versicherten Wertes. Vor zwei Jahren lagen sie dank über 50 Starts der Ariane 5 ohne Problem (50% des Weltmarkts) und der Tatsache dass die meisten Proton-Fehlstarts nicht ILS und damit westliche Versicherungen tangierten bei 4-5%. Wer neu ist muss mehr zahlen. Bei der ersten Falcon 9 mit SES waren es 12%, also dreimal so viel wie bei ariane 5. Nun dürften sie sicher niedriger liegen. Umgekehrt musste ILS eine Startpreise senken. Sie lagen 2009 bei rund 105-110 Millionen Dollar, der nun gerade schiefgegangene kostete nur 90 Millionen. Damit fängt man die steigenden Versicherungsprämien wieder ab – sofern man noch Kunden gewinnt, denn 2014 gab es keinen einzigen kommerziellen Auftrag für die Proton.

Der zweite Fehler der gemacht wird, ist es die Kosten pro Kilogramm zu berechnen. Ein Satellit hat eine Masse und die Rakete hat eine Nutzlast. Wenn eine Proton mit 6,2 t Nutzlast einen 3,6 t schweren Satelliten transportiert so muss der Kunde trotzdem den ganzen Raketenstart zahlen, auch wenn er nur 60% der Nutzlast nutzt. Daher ist es wichtig die Rakete möglichst maximal auszunutzen. Technisch gibt es zwei Möglichkeiten: Das eine ist es die Nutzlast zu skalieren. Das geht meist durch das Weglassen oder Hinzunehmen von Boostern. Da diese meist preiswert sind, ist die Einsparung gering. Eine Ariane 44L war 30% teurer als eine Ariane 40 bei 70% mehr Nutzlast. Dabei verwendete diese Rakete sogar relativ teure Booster. Aber man kann wenigstens ein bisschen im Preis runter gehen. die 30% lohnen sich, wenn eben die Nutzlast sonst nicht startbar wäre oder die Konkurrenz billiger ist. Leider hat man bei Ariane 5 diese Möglichkeit im Design nicht genutzt. Bei Ariane 6 wird es wieder zwei Versionen geben. Theoretisch gibt es noch die Möglichkeit Oberstufen auszuwechseln, sofern es zwei Alternativen gibt. Bei der Angara wird es mehrere Oberstufen geben mit lagerfähigem und kryogenen Treibstoff. Mal sehen ob diese auch beide genutzt werden. Im Normalfall ist eine Oberstufe meist viel vorteilhafter als die andere. So haben die USA die Agena Ausgemustert und Ariane 5 nutzt fast ausschließlich die ECA-Version.

Die zweite Möglichkeit ist es. eine so große Rakete zu konstruieren das man mehrere Satelliten gleichzeitig starten kann. Bislang bietet dies nur Ariane. Andere Träger haben zwar Doppelstartvorrichtungen in ihren User-Manuals beschrieben, sie wurden aber nie eingesetzt. Proton und Falcon 9 bieten als Sonderfall direkt aufeinandergeschraubte Satelliten an, genauer gesagt: deren Hersteller bucht einen Einzelstart und liefert zwei verschraubte Satelliten an. Das klappt nur wenn beide Satelliten vom selben Hersteller kommen und sind die absolute Ausnahme, bisher gab es wenn ich richtig gezählt habe gerade mal drei solcher Starts.

Die Sache mit den Doppelstarts ist am Abnehmen. Das liegt an der abnehmenden Zahl an Satelliten. Ariane 4 schaffte in den Neunzigern noch 12 Starts pro Jahr, viele mit Doppelstarts. Heute liegt Ariane 5 bei rund 6 Starts pro Jahr. Da Kunden auch nicht ewig lang warten wollen bis ein Gegenstück zu ihrer Nutzlast gefunden ist, dürfte die Zeit der Doppelstarts wohl auslaufen, außer es gibt imn Zukunft mehr Nutzlasten. Die Ariane 6 wird auf jeden fall für Einzel- und Doppelstarts ausgelegt. (6 bzw. 10 t Nutzkast)

Dann ist auch noch wichtig, wie hoch die Nutzlast für den gewünschten Orbit ist. Bei einem zweistufiger Träger wird die Nutzlast mit höherer Energie rasch abnehmen. Das betrifft z.B. die Dnepr, aber auch die Falcon 9. SpaceX gibt die Nutzlast für eine Inklination von 28 Grad an – schließlich startet die Rakete vom Cape aus. Standard ist aber ein GTO mit einer Geschwindigkeitsdifferenz von 1500 m/s, wie ihn Ariane 5 erreicht. Russland hat das gleiche Problem und beide Provider müssen Nicht-Standard GTOs anstreben die energetisch gleichwertig sind die Nutzlast kosten. Bei der Falcon 9 sinkt sie so von 4,85 auf 3,5 t. Beim derzeitigen Eurokurs ist so eine Falcon 9 gar nicht mal mehr so viel billiger als eine Ariane 5. Eine Falcon 9 kostet 61,2 Millionen Dollar bei 3,5 t Nutzlast. Eine Ariane 5 160 Millionen Euro bei 9,7 t im Doppelstartmodus. Bei dem unsinnigen, aber unter Laien verbreiteten, Kriterium „Kosten pro Kilogramm Nutzlast“ sind das 17.500 $/kg bei der Falcon und 18,600 $/kg bei Ariane 6.

Wenn man von kommerziellen Nutzern weggehen, die sich den Träger rauspicken können der für ihre Nutzlast am besten ist, zu den nationalen Raumfahrtorganisationen oder anderen nationalen Agenturen wie NRO oder DoD spielt viel mehr eine Rolle ob man eine Rakete für die Nutzlast hat. Besonders die USA haben in den letzten Jahren einige extrem teure Starts gebucht. Da waren die Starts von OCO und Glory mit der extrem teuren Taurus XL (54 bzw. 70 Millionen Dollar). Nun hat man die 600 kg schwere Raumsonde Discover und den noch leichteren Jason-3 mit 550 kg mit Falcon 9 gestartet bzw. wird sie starten. Das ist zwar etwas billiger als die Taurus XL, gemessen an den kleinen Nutzlasten aber immer noch teuer. Eine Vega oder ein russischer Träger wäre bedeutend preisgünstiger gewesen. Aber die USA buchen nur US-Träger, haben aber keinen für mittlere Nutzlasten. In Europa ist man nicht ganz so nationalistisch. Die ESA hat nach Einführung der Vega noch Rockots bestellt und das DLR bucht auch Falcon Starts. Wenn man nur auf nationale Anbieter setzt wird es zwangsläufig teurer. Das ist aber fast überall so. Auch Japan hat Akatsuki und Hayabusa 2 mit der H-2A gestartet, was angesichts deren Performance nur noch 20% der Nutzlast nutzt. Lediglich die ESA nutzt auch russische Träger, einen, die Sojus startet sie sogar vom CSG aus.

In den USA ticken die Uhren anders. Es gibt sogar noch das Bestreben neue Träger einzuführen. Neben den kommerziellen Entwicklungen ohne staatliche Finanzierung (Blue Origion. Stratolaunch) soll bald die Super-Strypie starten. In Entwicklung ist sogar ein Träger nur für Cubesats. Dabei gibt es gerade für diese genug Startgelegenheiten. Man müsste sie nur besser ausnutzen und vielleicht eine Art standardisierter Container mit Auswurfmechanismus entwickeln denn man an einem freien Platz anbringen kann. Die meisten gelangen ja in den erdnahen raum und da bieten derzeit etwa 10 Versorgungsflüge pro Jahr zur ISS genügend Startgelegenheiten. Paradoxwerweise werden sie auch zur ISS mitgenommen – doch nicht an der Oberstufe montiert sondern als Nutzlast im Frachtraum. Die Astronauten schmeißen sie dann durch die Luftschleuse raus. Angesichts der Kosten der Transporter und nur einem Drittel Frachtanteil und den Kosten für eine Stunde Arbeitszeit eines Astronauten eine sehr teuere Transportgelegenheit.

Was folgt daraus? Wenn man es national macht sollte man darauf achten auch einen Träger für alle Nutzlasten zu haben, mit drei Typen und einigen Boostern ist das eigentlich hinzubekommen. Wesentlich sinnvoller wäre sicherlich internationale Zusammenarbeit. Man wird sicher nicht dazu kommen, weltweit nur wenige Typen einzusetzen die dafür häufiger fliegen, und Weltraumbahnhöfe gemeinsam zu nutzen, aber man könnte ja mal Kompensationen schließen wie „Ich starte deine Nutzlast mit meinem Träger, dafür nimmst Du bei der nächsten Mission mein Experiment mit“- Manchmal klappt es ja. Jason 3 ist z.B. in Europa gebaut und die Hälfte der Instrumente stammen auch aus Europa. Die andere Hälfte von den USA und der Start wird von den USA finanziert. Es geht doch, leider viel zu selten.

3 thoughts on “Wie teuer ist ein Start?

  1. Vorsicht, die erste Stufe hat kaum Avionik. Soweit möglich sind die Computer in der Centaur konzentriert.

    Tory Bruno (CEO ULA) redet meist von folgenden „industrieüblichen“ Startkosten:
    50% für die Rakete ab Fabrik, alles andere für die verbleibenden Aufgaben wie Design der Flugbahn, miete des Startplatzes, tanken und die Startdurchführung

    50% der Rakete für die erste Stufe
    50-75% der ersten Stufe für den Raketenmotor (Je nach Talk leicht unterschiedlich.)

    Deshalb auch der Wunsch von ULA nur den Motor wiederzuverwenden. ULA meint das so bereits die erste Wiederverwendung break even erreicht, gegenüber ~10 wenn man den ganzen Boster landet.

    Auch interessant: Startkosten sind typisch ~10% der Lebensdauerkosten eines Satelliten.

    In einem der letzten Talks hatte Tory hatte auch etwas über BO gesagt. BO arbeitet an SSTO, voll wiederverwendbar, sehr wenig Wartung zwischen Starts. Tourismus mit hohen Startzahlen (200 !) kann nicht funktionieren wenn man ständig neue Booster bauen muss.

    BO will in den nächsten Monaten mehr veröffentlichen, es wird interessant werden.

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